Pathophysiologie der Verbrennungswunde
Eine Verbrennungswunde lässt sich typischerweise in drei Zonen einteilen, die das Ausmaß der Gewebeschädigung widerspiegeln:
- Zone der Koagulationsnekrose: Das Zentrum der Wunde, in dem das Gewebe durch die intensive Hitzeeinwirkung irreversibel zerstört ist.
- Zone der Ischämie: Umgibt die Nekrosezone. Das Gewebe ist hier zwar geschädigt, aber noch überlebensfähig. Es muss jedoch vor Faktoren wie Austrocknung, Hypovolämie oder Infektionen geschützt werden, um ein Absterben zu verhindern.
- Zone der Hyperämie: Die äußerste Zone mit vitalem Gewebe, das eine entzündliche Reaktion auf das Trauma zeigt.
Die primäre Hitzeschädigung führt zur Freisetzung von proinflammatorischen Mediatoren, was eine sekundäre Schädigung des umliegenden Gewebes, auch als "Nachbrennen" bezeichnet, auslösen kann.
Schweregrade von Verbrennungen
Die Einteilung von Verbrennungen erfolgt nach der Tiefe der Gewebeschädigung in verschiedene Grade, die für die Prognose und Therapie entscheidend sind.
Grad I
Betroffen ist ausschließlich die Epidermis. Typische Symptome sind Rötung (Erythem), Schmerzen und leichte Schwellungen (Ödem). Die Heilung erfolgt in der Regel vollständig und ohne Narbenbildung (Restitutio ad integrum).
Grad IIa
Die Schädigung reicht von der Epidermis bis in die obere Dermis. Charakteristisch sind Blasenbildung, starke Schmerzen und ein feuchter Wundgrund bei erhaltener Sensibilität. Die Heilung verläuft meist ohne Narben.
Grad IIb
Hierbei ist die Schädigung bis in die tiefe Dermis ausgedehnt. Es zeigen sich Blasen, ein blass-rotes Erscheinungsbild und ein trockener Wundgrund. Die Schmerzen sind oft geringer als bei Grad IIa, da Nervenenden bereits geschädigt sind, was zu einem Sensibilitätsverlust führt. Die Abheilung erfolgt unter Narbenbildung.
Grad III
Alle Hautschichten bis zur Subkutis sind zerstört. Die Wunde erscheint als trockene Nekrose (Schorf). Ein entscheidendes Merkmal ist die vollständige Schmerzlosigkeit im betroffenen Areal aufgrund der Zerstörung der Nerven. Es kommt immer zur Narbenbildung.
Grad IV
Die Zerstörung reicht über die Haut hinaus und betrifft tiefere Strukturen wie Muskeln, Sehnen und Knochen (Verkohlung). Schmerzen sind ebenfalls nicht mehr vorhanden. Oft ist eine Amputation unumgänglich.
Diagnostik und Einschätzung des Ausmaßes
Die notfallmedizinische Diagnostik konzentriert sich auf die Bestimmung der verbrannten Körperoberfläche (VKOF), die ein entscheidender Parameter für die weitere Therapie ist.
Bestimmung der verbrannten Körperoberfläche (VKOF)
Die VKOF wird zur Berechnung des Flüssigkeitsbedarfs und zur Triage herangezogen. Für die Berechnung werden nur Verbrennungen ab Grad IIa berücksichtigt.
- Neuner-Regel nach Wallace: Eine schnelle Methode zur Abschätzung bei Erwachsenen, bei der der Körper in Areale von je 9 % (oder einem Vielfachen davon) eingeteilt wird (z.B. Kopf 9 %, ein Arm 9 %, ein Bein 18 %, Rumpf vorne 18 %).
- Handflächenregel: Die Handfläche des Patienten (inklusive der Finger) entspricht etwa 1 % seiner Körperoberfläche. Diese Regel eignet sich gut zur Abschätzung kleinerer oder unregelmäßiger Verbrennungsareale.
Therapie bei schweren Verbrennungen
Die Behandlung schwerer Verbrennungen beginnt bereits präklinisch und zielt auf die Stabilisierung des Patienten und die Verhinderung von Komplikationen ab.
Notfallmaßnahmen und Volumentherapie
Zu den ersten Maßnahmen gehören die Rettung aus der Gefahrenzone und das Stoppen des Verbrennungsprozesses. Eingebrannte Kleidung wird belassen, während lose Kleidung und Schmuck (Hitzespeicher) entfernt werden. Eine der wichtigsten Maßnahmen ist die Kreislaufstabilisierung durch eine adäquate Volumentherapie.
- Der Flüssigkeitsbedarf wird mittels der Parkland-Formel nach Baxter berechnet: 4 ml x kg Körpergewicht x % VKOF.
- Die Hälfte des berechneten Volumens muss in den ersten 8 Stunden nach dem Unfall infundiert werden, die zweite Hälfte in den folgenden 16 Stunden. Mittel der Wahl sind kristalloide Lösungen.
Atemwegssicherung und Transport
Eine frühzeitige Intubation ist bei Verdacht auf ein Inhalationstrauma oder bei schweren Verbrennungen im Gesichtsbereich essenziell, um einem Zuschwellen der Atemwege vorzubeugen. Klare Indikationen für eine Intubation sind ein progredienter inspiratorischer Stridor, schwere Gesichtsverbrennungen, Bewusstseinsstörungen oder zirkuläre Rumpfverbrennungen. Patienten mit schweren Verbrennungen müssen nach der Erstversorgung in ein spezialisiertes Zentrum für Schwerbrandverletzte verlegt werden.
Komplikationen: Die Verbrennungskrankheit
Die Verbrennungskrankheit ist eine systemische Reaktion des Körpers auf ein schweres Verbrennungstrauma, die typischerweise ab einer verbrannten Körperoberfläche von ca. 20 % bei Erwachsenen auftritt.
Pathophysiologie und Folgen
Zentrales Ereignis ist ein generalisiertes "Kapillarleck" (erhöhte Kapillarpermeabilität), das zu einem massiven Flüssigkeits- und Eiweißverlust aus den Gefäßen in das umliegende Gewebe führt. Dies resultiert in:
- Ausgeprägten interstitiellen Ödemen
- Einem schweren intravasalen Flüssigkeitsmangel
- Einem hypovolämischen Schock, der bei Erwachsenen bereits ab 15 % VKOF droht (bei Kindern schon bei 5-10 % VKOF).
Ohne adäquate Therapie kann dies schnell zu einem Multiorganversagen (MODS), insbesondere zu akutem Nierenversagen, führen.