Vaskulitis: Definition und Pathomechanismus
Vaskulitiden sind eine heterogene Gruppe chronischer Systemerkrankungen, die durch eine sterile, also nicht-infektiöse, Entzündung der Gefäßwände (Vaskulitis) gekennzeichnet sind. Dieser entzündliche Prozess führt zu einer Schädigung der betroffenen Blutgefäße und nachfolgend der von ihnen versorgten Organe.
Einteilung der Vaskulitiden
Grundsätzlich wird zwischen primären und sekundären Vaskulitiden unterschieden.
Primäre Vaskulitiden
Bei den primären Vaskulitiden ist die Ursache unbekannt. Es wird angenommen, dass eine Kombination aus genetischen Faktoren, Umweltfaktoren und pathologischen Immunreaktionen, sowohl zellulärer als auch humoraler Art, zur Krankheitsentstehung beiträgt.
Sekundäre Vaskulitiden
Sekundäre Vaskulitiden treten als Folge einer anderen Grunderkrankung oder eines spezifischen Auslösers auf. Mögliche Ursachen sind:
- Grunderkrankungen: Rheumatoide Arthritis, systemische Autoimmunopathien, Infektionen oder Tumoren.
- Spezifische Auslöser: Medikamente, physikalische Reize oder Intoxikationen (z.B. Kokain).
Die Therapie der sekundären Vaskulitis konzentriert sich primär auf die Behandlung der zugrundeliegenden Ursache.
Primäre Vaskulitiden: Klassifikation und Klinik
Die Einteilung der primären Vaskulitiden erfolgt klassischerweise nach der Größe der vorwiegend betroffenen Blutgefäße, da dies die klinische Symptomatik maßgeblich bestimmt.
Einteilung nach Gefäßgröße (Chapel Hill Consensus Conference)
- Vaskulitiden der großen Gefäße: Hierzu zählen die Riesenzellarteriitis (veraltet: Arteriitis temporalis) und die Takayasu-Arteriitis.
- Vaskulitiden der mittelgroßen Gefäße: Die wichtigsten Vertreter sind die Polyarteriitis nodosa und das Kawasaki-Syndrom, das hauptsächlich bei Kleinkindern auftritt.
- Vaskulitiden der kleinen Gefäße: Diese Gruppe wird weiter unterteilt:
- ANCA-assoziierte Vaskulitiden (AAV): Dazu gehören die Granulomatose mit Polyangiitis (GPA), die mikroskopische Polyangiitis (MPA) und die eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA).
- Immunkomplex-Vaskulitiden: Der bekannteste Vertreter ist die IgA-Vaskulitis (Purpura Schönlein-Henoch).
Symptomatik
Die klinischen Manifestationen sind vielfältig und hängen von der Lokalisation und dem Ausmaß der Gefäßschädigung ab. Typisch sind unspezifische Allgemeinsymptome wie Fieber, Abgeschlagenheit, Nachtschweiß und Gewichtsverlust.
- Kleine Gefäße: Der Befall kleiner Gefäße äußert sich oft an der Haut (palpable Purpura, Nekrosen), den Nieren (rapid-progressive Glomerulonephritis), der Lunge (alveoläre Hämorrhagie mit Hämoptysen) und dem peripheren Nervensystem (Mononeuritis multiplex).
- Mittlere Gefäße: Entzündungen führen zu Stenosen und Aneurysmen, was Organinfarkte (v.a. Niere, Darm) zur Folge haben kann.
- Große Gefäße: Hier stehen arterielle Verschlüsse und Aneurysmen im Vordergrund, die zu Organ- und Extremitätenischämien führen, typischerweise an Kopf und oberen Extremitäten.
Diagnostik
Die Diagnostik stützt sich auf Laboruntersuchungen, Bildgebung und Histologie. Neben erhöhten Entzündungsparametern (BSG, CRP) sind spezifische Autoantikörper und histopathologische Muster wegweisend.
- ANCA-assoziierte Vaskulitis: Charakteristisch ist der Nachweis von Autoantikörpern gegen Antigene neutrophiler Granulozyten (ANCA). Histologisch zeigen sich nur geringe Immunkomplexablagerungen (pauci-immun).
- Immunkomplex-vermittelte Vaskulitis: Im Labor finden sich oft eine Hypergammaglobulinämie und erniedrigte Komplementfaktoren. Die Histologie zeigt vaskuläre Immunkomplexablagerungen.
- Granulomatöse, T-Zell-vermittelte Vaskulitis: Typisch ist eine stark erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG), oft als "Sturzsenkung" bezeichnet. Histologisch finden sich Granulome mit mehrkernigen Riesenzellen.
Therapie
Die Behandlung der primären Vaskulitiden zielt darauf ab, die Entzündungsreaktion zu unterdrücken und die Organfunktion zu erhalten.
- Basistherapie: Die Grundlage der Behandlung bilden Glucocorticoide in Kombination mit Immunsuppressiva.
- Schwere Verläufe: Bei schweren, organbedrohenden Verläufen kommen potente Zytostatika wie Cyclophosphamid zum Einsatz, um eine Remission zu induzieren.