Definition und Terminologie der Urolithiasis
Urolithiasis bezeichnet die Bildung und das Vorhandensein von Konkrementen (Harnsteinen) in der Niere oder den ableitenden Harnwegen. Je nach Lokalisation des Steins wird zwischen Nephrolithiasis (Nierenstein), Ureterolithiasis (Harnleiterstein) und Blasensteinen unterschieden.
Ätiologie und Risikofaktoren
Die Entstehung von Harnsteinen ist multifaktoriell. Zu den Hauptrisikofaktoren gehören:
- Eine vermehrte Ausscheidung steinbildender (lithogener) Substanzen wie Kalzium (Hyperkalziurie), Oxalat (Hyperoxalurie) und Phosphat (Hyperphosphaturie).
- Geringe Urinmenge (funktionelle Oligurie) und Harnstau.
- Veränderungen des Urin-pH-Wertes: Alkalische Werte (≥ 7), oft im Zusammenhang mit Harnwegsinfekten, oder saure Werte (≤ 5,8).
- Erhöhte Harnsäurekonzentrationen (Hyperurikosurie).
- Anatomische Anomalien wie Hufeisennieren oder Markschwammnieren.
Pathophysiologie und Steinarten
Harnsteine bilden sich bevorzugt an physiologischen Engstellen der Harnwege, wie dem pyeloureteralen Übergang oder der Mündung des Harnleiters in die Blase. Die häufigsten Steinarten sind:
- Kalziumoxalatsteine: Die häufigste Art, röntgendicht.
- Harnsäuresteine: Nicht röntgendicht (röntgentransparent).
- Magnesium-Ammonium-Phosphat-Steine (Struvit): Sogenannte Infektsteine, die bei Harnwegsinfekten in alkalischem Urin entstehen.
- Seltenere Formen: Kalziumphosphat- und Zystinsteine.
Symptomatik der Urolithiasis
Während Nierensteine asymptomatisch bleiben können, verursachen Harnleitersteine oft eine typische Nierenkolik. Die Symptome umfassen:
- Stärkste, wellenförmige (kolikartige) Flankenschmerzen.
- Schmerzausstrahlung in die Leiste, die Genitalregion (bei Uretersteinen) oder den Rücken (bei Nierensteinen).
- Begleitende vegetative Symptome wie Übelkeit, Erbrechen und motorische Unruhe.
- Sichtbares Blut im Urin (Makrohämaturie).
- Schmerzhaftes Wasserlassen (Dysurie/Algurie), insbesondere bei tief sitzenden Steinen.
Diagnostik
Die Diagnose stützt sich auf Anamnese, körperliche Untersuchung und bildgebende Verfahren.
Klinische Untersuchung und Labor
Ein positiver Nierenlagerklopfschmerz ist ein typischer Befund. Die Urinanalyse zeigt häufig eine Erythrozyturie. Blutuntersuchungen dienen der Erfassung von Nierenfunktionsparametern (Kreatinin), Entzündungswerten und möglichen Ursachen wie erhöhtem Kalzium oder Harnsäure.
Bildgebende Verfahren
- Sonografie: Das bildgebende Verfahren der ersten Wahl. Sie kann Steine direkt nachweisen und eine eventuelle Harnstauung (Dilatation der Harnwege) darstellen.
- Nativ-CT (ohne Kontrastmittel): Methode mit der höchsten Sensitivität und Spezifität zum Nachweis von Steinen, einschließlich röntgentransparenter Harnsäuresteine.
- Röntgen (Abdomenübersicht): Wird zur Darstellung röntgendichter Steine und zur Verlaufskontrolle eingesetzt.
Therapie der Urolithiasis
Die Behandlung richtet sich nach der Symptomatik sowie der Größe und Lage des Steins.
Behandlung der akuten Nierenkolik
Oberste Priorität hat eine sofortige und adäquate Schmerztherapie. Mittel der ersten Wahl sind Metamizol und NSAR wie Diclofenac. Opioide stellen eine Zweitlinienoption dar.
Konservative Therapie und MET
Kleinere Harnleitersteine (bis ca. 7 mm) können oft spontan abgehen. Dieser Prozess kann durch eine erhöhte Flüssigkeitszufuhr und Bewegung unterstützt werden. Die medikamentös expulsive Therapie (MET) mit Alphablockern (z.B. Tamsulosin, Off-Label-Use) kann den Steinabgang erleichtern.
Harnableitung (Harnableitende Maßnahmen)
Eine dringliche Harnableitung ist in Notfallsituationen indiziert, um den Druck im Nierenbecken zu senken und Komplikationen zu vermeiden. Die wichtigsten Indikationen sind:
- Medikamentös nicht beherrschbare Koliken.
- Eine infizierte Harnstauungsniere, insbesondere bei drohender oder manifester Urosepsis.
Die Ableitung erfolgt durch:
- Einlage einer Harnleiterschiene (DJ-Katheter): Ein dünner Schlauch wird transurethral (retrograd) in den Harnleiter eingelegt.
- Perkutane Nephrostomie (PCN): Ein Katheter wird durch die Haut direkt in das Nierenbecken eingelegt.
Interventionelle Steinentfernung
Wenn ein Spontanabgang unwahrscheinlich ist oder Komplikationen auftreten, kommen interventionelle Verfahren zum Einsatz:
- Extrakorporale Stoßwellenlithotripsie (ESWL): Zertrümmerung des Steins von außen durch Stoßwellen.
- Ureterorenoskopie (URS): Endoskopische Entfernung oder Zertrümmerung des Steins über die Harnwege. Besonders bei distalen Harnleitersteinen die Methode der Wahl.
- Perkutane Nephrolitholapaxie (PNL): Minimal-invasiver Eingriff zur Entfernung großer Nierensteine durch einen Zugang über die Haut.
Nachsorge und Metaphylaxe
Aufgrund der hohen Rezidivrate ist eine gezielte Nachsorge (Metaphylaxe) entscheidend. Dazu gehören eine Analyse des entfernten Steins, eine ausreichende Trinkmenge von 2-3 Litern täglich und eine an die Steinart angepasste Ernährungsumstellung.
Komplikationen
Unbehandelt kann eine Urolithiasis zu schwerwiegenden Komplikationen führen, darunter:
- Rezidivierende Harnwegsinfekte bis hin zur lebensbedrohlichen Urosepsis.
- Harnaufstau mit Entwicklung einer infizierten Hydronephrose.
- Chronische Nierenparenchymschäden, die in eine Niereninsuffizienz münden können.