Thyreotoxische Krise: Definition und Ursachen
Die thyreotoxische Krise, auch als "thyroid storm" bekannt, ist eine lebensbedrohliche, meist akute Eskalation (Exazerbation) einer bestehenden latenten oder manifesten Hyperthyreose. Sie stellt einen absoluten medizinischen Notfall dar.
Ätiologie
Verschiedene Faktoren können eine thyreotoxische Krise auslösen:
- Iodexposition: Eine hohe Iodzufuhr, beispielsweise durch iodhaltige Kontrastmittel oder Medikamente wie Amiodaron, ist ein häufiger Auslöser.
- Massiver Stress: Zustände wie Sepsis, Traumata, Myokardinfarkte oder größere Operationen können bei einer unentdeckten Hyperthyreose eine Krise provozieren.
- Unzureichende Einstellung: Eine unzureichend behandelte Hyperthyreose oder eine inadäquate präoperative Einstellung vor einer Schilddrüsen-OP sind ebenfalls Risikofaktoren.
- Grunderkrankungen: Häufig liegt der Krise eine Erkrankung wie Morbus Basedow, eine toxische multinoduläre Struma oder ein autonomes Adenom zugrunde.
Symptomatik und Stadien der thyreotoxischen Krise
Die klinischen Symptome werden typischerweise nach Hermann in drei Stadien eingeteilt, die den Schweregrad der Krise widerspiegeln.
Stadium I
Das Anfangsstadium ist durch eine massive Verstärkung der hyperthyreoten Symptome gekennzeichnet:
- Tachykardie > 150/min, oft begleitet von Herzrhythmusstörungen wie einer absoluten Arrhythmie.
- Hohes Fieber, das bis auf 41°C ansteigen kann.
- Neurologische Symptome wie Tremor, starke Unruhe und Adynamie.
- Gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen und Diarrhö, die zu einer Exsikkose führen können.
Stadium II
Zusätzlich zu den Symptomen des ersten Stadiums treten zentralnervöse Störungen auf. Dazu gehören Bewusstseinsstörungen, Desorientierung, Somnolenz bis hin zum Delir.
Stadium III
Im Endstadium kommt es zum Koma (thyreotoxisches Koma) und Kreislaufversagen. Dieses Stadium hat eine besonders hohe Letalität.
Diagnostik und Therapie
Diagnostik
Die Diagnose einer thyreotoxischen Krise wird primär klinisch gestellt, basierend auf der charakteristischen Symptomkonstellation. Die Labordiagnostik bestätigt die thyreotoxische Stoffwechsellage, kann aber eine schwere Hyperthyreose nicht sicher von einer Krise abgrenzen. Typische Laborbefunde sind ein supprimiertes (erniedrigtes) TSH sowie erhöhte freie Schilddrüsenhormone (fT3 und fT4).
Therapie
Die Behandlung ist ein Notfall und muss umgehend auf einer Intensivstation erfolgen. Das therapeutische Vorgehen kombiniert kausale und symptomatische Maßnahmen.
Kausale Therapie
Ziel ist die sofortige Blockade der Schilddrüsenhormonproduktion und -freisetzung:
- Hochdosierte Thyreostatika: Mittel der ersten Wahl sind Thiamazol oder Carbimazol, die intravenös verabreicht werden, um die Hormonsynthese zu hemmen.
- Perchlorat: Hemmt zusätzlich die Aufnahme von Iodid in die Schilddrüse.
- Notfall-Thyreoidektomie: Bei einer iodinduzierten Krise kann eine frühzeitige operative Entfernung der Schilddrüse (subtotale Thyreoidektomie) lebensrettend sein.
Symptomatische Therapie
Diese Maßnahmen stabilisieren den Patienten und kontrollieren die schweren Symptome:
- Glukokortikoide: Hochdosiertes Prednisolon (i.v.) hemmt die periphere Umwandlung von T4 in das biologisch aktivere T3.
- Beta-Blocker: Zur Kontrolle der schweren Tachykardie und anderer adrenerger Symptome.
- Intensivmedizinische Maßnahmen wie Flüssigkeits- und Elektrolytausgleich, Fiebersenkung, ggf. Beatmung und parenterale Ernährung.
Prävention und Prognose
Zur Prävention muss vor der Gabe von iodhaltigen Kontrastmitteln stets der TSH-Wert bestimmt werden. Bei Notwendigkeit einer Kontrastmittelgabe bei vorbestehender Hyperthyreose ist eine prophylaktische Blockade der Schilddrüse mit Perchlorat und Thiamazol indiziert. Trotz aller Therapiemaßnahmen ist die Prognose der thyreotoxischen Krise ernst, mit einer Letalität von 30-50 %.