Wirkmechanismus von Thiaziddiuretika
Thiaziddiuretika, auch als Thiazide bezeichnet, entfalten ihre Wirkung primär im renalen Tubulussystem. Der zentrale Mechanismus ist die reversible Hemmung des Thiazid-sensitiven NaCl-Symporters im frühdistalen Tubulus. Dies blockiert die Rückresorption von Natrium- und Chlorid-Ionen, was zu einer erhöhten Ausscheidung von Wasser (Diurese) führt.
- Calciumausscheidung: Thiazide hemmen die renale Calciumausscheidung. Die verminderte intrazelluläre Natriumkonzentration aktiviert den basolateralen Natrium-Calcium-Austauscher, was zu einer erhöhten Calcium-Rückresorption und potenziell zu einem Anstieg des Serum-Calcium-Spiegels führt.
- Kaliumausscheidung: Durch das erhöhte Angebot von Natrium im spätdistalen Tubulus und Sammelrohr wird die Ausscheidung von Kalium und Protonen gesteigert. Thiazide gehören daher nicht zu den kaliumsparenden Diuretika.
- Gefäßwirkung: Sie bewirken eine Relaxation der glatten Muskulatur in den Widerstandsgefäßen, was zur blutdrucksenkenden Wirkung beiträgt.
- Glomeruläre Filtrationsrate (GFR): Mit der wichtigen Ausnahme von Xipamid führen Thiazide zu einer Verminderung der GFR und der Nierendurchblutung.
Indikationen
Thiazide sind eine wichtige Wirkstoffgruppe zur Behandlung verschiedener Erkrankungen:
- Arterielle Hypertonie
- Chronische Ödeme kardialer, renaler und hepatischer Genese
- Renaler Diabetes insipidus (paradoxe Wirkung zur Reduktion der Polyurie durch Senkung der GFR)
- Sekundärprophylaxe calciumhaltiger Harnsteine (aufgrund der verminderten Calciumausscheidung)
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW)
Die Therapie mit Thiaziden ist mit charakteristischen Nebenwirkungen verbunden, insbesondere mit Elektrolyt- und Stoffwechselstörungen.
Elektrolyt- und Stoffwechselstörungen
- Hypokaliämie: Eine häufige und klinisch relevante Nebenwirkung durch die erhöhte Kaliumausscheidung.
- Hyponatriämie: Tritt dosisabhängig auf, meist innerhalb der ersten vier Therapiewochen.
- Hyperkalzämie: Folge der gesteigerten renalen Calcium-Rückresorption.
- Hypomagnesiämie und Hypochlorämie, die zu einer hypochlorämischen Alkalose führen kann.
- Harnsäure-Retention: Thiazide konkurrieren um den tubulären Carrier für Harnsäure, was das Risiko für einen akuten Gichtanfall bei Patienten mit Hyperurikämie erhöht.
- Neigung zur Hyperglykämie: Verursacht durch eine Hemmung der Insulinfreisetzung aus den Betazellen des Pankreas.
- Anstieg der Triglyceride und des LDL-Cholesterins.
Weitere Nebenwirkungen
- Hautkrebsrisiko: Insbesondere Hydrochlorothiazid (HCT) ist mit einem erhöhten Risiko für nichtmelanozytären Hautkrebs (Basaliome und Plattenepithelkarzinome) assoziiert.
- Allergische Reaktionen (Vorsicht bei Sulfonamidallergie).
- Erektile Dysfunktion.
Kontraindikationen
Die Anwendung von Thiaziddiuretika ist in folgenden Situationen kontraindiziert:
- Schwere Nierenfunktionsstörung (GFR < 30 ml/min bzw. Serumkreatinin > 2,0 mg/dl), da sie hier ihre diuretische Wirkung verlieren und die Nierenfunktion weiter verschlechtern können. Eine Ausnahme bildet Xipamid.
- Bestehende schwere Elektrolytstörungen wie Hypokaliämie, Hyponatriämie und Hyperkalzämie.
- Hypovolämie (Volumenmangel).
- Schwere Leberfunktionsstörung.
- Überempfindlichkeit gegen Sulfonamide, da Thiazide Sulfonamidderivate sind.
- Schwangerschaft und Stillzeit.
Wirkstoffe und Anwendung
Zur Gruppe der Thiazide und Thiazid-Analoga gehören mehrere Wirkstoffe, die sich in ihrer Pharmakokinetik unterscheiden. Um der typischen Nebenwirkung der Hypokaliämie entgegenzuwirken, werden sie häufig in Kombinationspräparaten mit kaliumsparenden Diuretika eingesetzt.
Beispiele für Wirkstoffe
- Hydrochlorothiazid (HCT): Einer der am häufigsten eingesetzten Vertreter.
- Chlortalidon
- Indapamid
- Xipamid: Weist die Besonderheit auf, dass es die GFR nicht senkt und daher auch bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz wirksam ist.