Definition der Struma (Kropf)
Eine Struma, umgangssprachlich auch Kropf genannt, ist definiert als eine Vergrößerung der Schilddrüse auf ein Volumen von über 25 ml bei Männern und über 18 ml bei Frauen. Wichtig ist, dass bei einer Struma jede Stoffwechsellage vorliegen kann:
- Euthyreote Struma: Normale Schilddrüsenfunktion (ca. 90 % der Fälle).
- Hyperthyreote Struma: Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose).
- Hypothyreote Struma: Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose).
Epidemiologie
Die Struma ist die weltweit häufigste Endokrinopathie. In Mitteleuropa beträgt die Prävalenz bei Erwachsenen etwa 30 %, wobei Frauen häufiger betroffen sind als Männer. Eine erhöhte Prävalenz findet sich insbesondere in Iodmangelgebieten.
Ätiologie und Ursachen
Die Ursachen der Struma sind vielfältig und hängen oft mit der Stoffwechsellage zusammen.
Euthyreote Struma
Die häufigste Ursache ist ein Iodmangel, der zunächst zu einer diffusen und später zu einer multinodulären Struma (Knotenstruma) führt. Präventiv wirkt hier die Verwendung von iodiertem Speisesalz. Weitere Ursachen sind ein relativer Thyroxinmangel bei endokriner Belastung (z.B. Schwangerschaft, Pubertät), Enzymdefekte oder die Einnahme bestimmter Medikamente wie Lithium.
Hypothyreote Struma
Diese Form ist oft mit einer Hypothyreose assoziiert und kann durch genetische Defekte mit Hormonsynthesefehlern oder entzündliche Prozesse wie die Hashimoto-Thyreoiditis verursacht werden.
Hyperthyreote Struma
Hier liegt die Ursache in einer Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose).
Einteilung und Stadien
Die Struma wird nach verschiedenen Kriterien eingeteilt.
Einteilung nach Größe (Klinische Stadien nach WHO)
- Stadium 0: Keine tastbare oder sichtbare Struma; Nachweis nur sonografisch möglich.
- Stadium I: Tastbare Struma, die bei rekliniertem Hals sichtbar (Ib) oder nicht sichtbar (Ia) ist.
- Stadium II: Die Struma ist bei normaler Kopfhaltung deutlich sichtbar.
- Stadium III: Eine sehr große Struma, die lokale Kompressions- und Stauungszeichen verursacht.
Einteilung nach Struktur
- Struma diffusa: Gleichmäßige Vergrößerung der gesamten Schilddrüse.
- Struma nodosa: Knotige Veränderungen innerhalb der Schilddrüse.
Symptomatik
Eine vergrößerte Schilddrüse kann durch mechanische Kompression auf umliegende Strukturen zu folgenden Symptomen führen:
- Schluckstörungen (Dysphagie) mit Enge- oder Globusgefühl ("Kloß im Hals")
- Heiserkeit (Dysphonie) durch Beeinträchtigung des N. laryngeus recurrens
- Atemgeräusche (Stridor) durch Einengung der Luftröhre
Diagnostik
Die Diagnostik umfasst mehrere Schritte zur Beurteilung von Größe, Funktion und Morphologie der Schilddrüse.
Anamnese und körperliche Untersuchung
In der Anamnese wird nach familiärem Vorkommen und Vorbehandlungen gefragt. Bei der körperlichen Untersuchung erfolgt die Inspektion und Palpation des Halses zur Stadieneinteilung. Eine normalgroße Schilddrüse ist nicht tastbar; ist sie palpierbar, liegt bereits eine Vergrößerung vor. Die Schluckverschieblichkeit wird geprüft – fehlt diese, ist dies malignomverdächtig.
Labordiagnostik
Die Bestimmung des TSH-Wertes ist der primäre Screening-Test. Ergänzend werden die freien Hormone fT3 und fT4 sowie spezifische Schilddrüsen-Antikörper (z.B. TPO-AK, TRAK) bestimmt.
Schilddrüsen-Sonografie
Die Ultraschalluntersuchung ist das bildgebende Verfahren der Wahl. Sie dient der exakten Größenbestimmung und der Beurteilung der Binnenstruktur, insbesondere zur Darstellung von Knoten.
Therapie
Die Behandlung richtet sich nach Ursache, Größe und Funktion der Struma.
Medikamentöse Therapie
Bei einer reinen Iodmangelstruma ohne Autonomie erfolgt die Substitution mit Iodid (z.B. 200 µg/d). Häufiger wird eine Kombinationstherapie aus Iodid und L-Thyroxin (75–150 μg/d) eingesetzt, um das Schilddrüsenvolumen effektiv zu reduzieren. Diese Therapie sollte unter regelmäßiger Kontrolle der Laborwerte erfolgen und ist meist auf 1-2 Jahre begrenzt.
Operative Therapie (Strumaresektion)
Eine Operation ist indiziert bei schnell wachsenden Knoten, Malignitätsverdacht, mechanischer Beeinträchtigung (z.B. Kompression der Trachea) oder aus kosmetischen Gründen. Cave: Ein zentrales Risiko bei der Strumaresektion ist die mögliche Schädigung des Nervus laryngeus recurrens, was zu Heiserkeit führen kann. Nach der Operation ist eine Prophylaxe mit Iodid oder L-Thyroxin zur Verhinderung eines Rezidivs notwendig. Eine Alternative bei Kontraindikationen zur OP ist die Radioiodtherapie.
Komplikationen und Malignomverdacht
Eine unbehandelte oder große Struma kann zu ernsthaften Komplikationen führen.
Mechanische Komplikationen
Die Kompression der Trachea kann zu einer Verengung (Säbelscheidentrachea) und einem inspiratorischen Stridor führen. Auch gestaute Halsvenen sind möglich.
Schilddrüsenautonomie
Insbesondere bei älteren Patienten können sich in einer euthyreoten Struma autonome Areale entwickeln. Bei latenter Hyperthyreose kann eine exogene Iodzufuhr (z.B. durch Kontrastmittel) eine manifeste Hyperthyreose oder sogar eine lebensbedrohliche thyreotoxische Krise auslösen.
Malignomverdacht
Bestimmte Befunde und Symptome deuten auf eine mögliche maligne Entartung (Schilddrüsenkarzinom) hin und erfordern eine sofortige Abklärung. Dazu gehören:
- Schnell wachsende, derbe Knoten
- Fehlende Schluckverschieblichkeit der Schilddrüse
- Neu aufgetretene Heiserkeit durch eine Rekurrensparese
- Das Vorliegen eines Horner-Syndroms (Ptosis, Miosis, Enophthalmus)
Sogenannte "kalte Knoten" in der Szintigraphie sind ebenfalls malignitätsverdächtig.