Terminologie und Definition der Schenkelhalsfraktur
Die Schenkelhalsfraktur (SHF), auch Oberschenkelhalsfraktur genannt, ist ein Bruch des Oberschenkelhalses (Collum femoris). Sie zählt zu den proximalen Femurfrakturen und tritt besonders häufig bei älteren Menschen mit Osteoporose nach einem Sturz auf.
Ätiologie und Risikofaktoren
Die Hauptursache für eine Schenkelhalsfraktur ist in der Regel ein Trauma, oft ein Bagatellsturz im häuslichen Umfeld. Wesentliche Risikofaktoren, die die Knochenstabilität beeinträchtigen und eine Fraktur begünstigen, sind:
- Hohes Lebensalter
- Osteoporose oder Osteomalazie
- Maligne Erkrankungen mit Knochenmetastasen
Einteilung der Schenkelhalsfraktur
Die Klassifikation der Schenkelhalsfraktur ist entscheidend für die Therapieplanung und Prognose. Sie erfolgt anhand von drei Hauptkriterien:
Einteilung nach Lokalisation
Man unterscheidet zwischen medialen (intrakapsulären) Frakturen, die innerhalb der Gelenkkapsel liegen, und selteneren lateralen (extrakapsulären) Frakturen.
Einteilung nach dem Frakturwinkel (nach Pauwels)
Diese Einteilung beschreibt den Winkel zwischen der Frakturlinie und der Horizontalen und gibt Aufschluss über die Stabilität der Fraktur:
- Pauwels I (< 30°): Stabile Abduktionsfraktur.
- Pauwels II (30–70°): Instabile Adduktionsfraktur mit Scherkräften.
- Pauwels III (> 70°): Sehr instabile Abscherfraktur mit hohen Scherkräften.
Einteilung nach dem Dislokationsgrad (nach Garden)
Die Garden-Klassifikation beschreibt das Ausmaß der Verschiebung (Dislokation) der Frakturfragmente und ist prognostisch bedeutsam:
- Garden I: Eingestauchte, inkomplette Fraktur (stabil).
- Garden II: Komplette Fraktur ohne Dislokation (stabil).
- Garden III: Komplette Fraktur mit teilweiser Dislokation.
- Garden IV: Komplette Fraktur mit vollständiger Dislokation.
Eine zentrale klinische Regel lautet: Je höher der Grad der Dislokation nach Garden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit einer Durchblutungsstörung des Hüftkopfes und somit einer Hüftkopfnekrose.
Symptomatik und Diagnostik
Klinisches Bild
Patienten leiden unter starken Schmerzen in der Hüfte oder Leiste, die bis ins Knie ausstrahlen können. Eine Belastung des betroffenen Beines ist nicht mehr möglich. Bei der körperlichen Untersuchung zeigt sich oft eine typische Fehlstellung: Das Bein ist verkürzt, adduziert und außenrotiert. Das aktive Anheben des gestreckten Beines ist schmerzbedingt unmöglich.
Bildgebende Diagnostik
Die Standarddiagnostik umfasst eine Röntgenaufnahme des Beckens (Beckenübersicht) sowie eine axiale Aufnahme des betroffenen Hüftgelenks. In unklaren Fällen, insbesondere bei Verdacht auf eine okkulte Fraktur, kann eine Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) erforderlich sein.
Therapie der Schenkelhalsfraktur
Die Therapieentscheidung hängt vom Alter des Patienten, seinem Aktivitätsgrad, den Begleiterkrankungen und dem Frakturtyp ab.
Bei jungen Patienten wird grundsätzlich eine gelenkerhaltende Therapie (Osteosynthese) angestrebt. Eine dislozierte mediale Schenkelhalsfraktur ist bei ihnen ein Notfall, der eine operative Versorgung innerhalb von 6 Stunden erfordert, um das Risiko einer Hüftkopfnekrose zu minimieren.
Konservative Therapie
Eine konservative Behandlung ist nur in Ausnahmefällen bei stabilen, eingestauchten Frakturen (Pauwels I, Garden I) und bei Patienten mit sehr hohem Operationsrisiko indiziert. Hierbei sind engmaschige radiologische Kontrollen zwingend erforderlich, da sekundäre Frakturdislokationen häufig auftreten.
Operative Therapie
Die operative Versorgung ist der Standard bei den meisten Schenkelhalsfrakturen.
Osteosynthese (hüftkopferhaltend)
Dieses Verfahren wird bei jüngeren Patienten (bis ca. 70 Jahre) mit guter Knochenqualität angewendet. Ziel ist die Stabilisierung der Fraktur, z. B. durch eine dynamische Hüftschraube (DHS) oder kanülierte Spongiosaschrauben. Der Eingriff sollte als Notfall innerhalb von 6 Stunden nach dem Trauma erfolgen.
Endoprothetischer Gelenkersatz
Bei älteren Patienten oder stark dislozierten Frakturen wird ein künstliches Hüftgelenk implantiert.
- Hüft-Totalendoprothese (Hüft-TEP): Hierbei werden sowohl der Hüftkopf als auch die Gelenkpfanne ersetzt. Dies ist die bevorzugte Methode für aktive ältere Patienten.
- Duokopfprothese (Hemiendoprothese, HEP): Nur der Hüftkopf wird ersetzt, die natürliche Gelenkpfanne bleibt erhalten. Dieses Verfahren wird bei sehr alten, multimorbiden Patienten mit geringem Aktivitätsanspruch gewählt.
Komplikationen
Die schwerwiegendste Komplikation ist die Hüftkopfnekrose (Femurkopfnekrose), bei der der Hüftkopf aufgrund einer gestörten Blutzufuhr abstirbt. Das Risiko hierfür steigt mit dem Ausmaß der initialen Dislokation und der Zeit bis zur operativen Versorgung. Weitere mögliche Komplikationen sind die Ausbildung einer Pseudarthrose (ausbleibende Knochenheilung), Thrombosen, Infektionen und periprothetische Frakturen.