Definitionen: Sepsis und septischer Schock
Die moderne Definition der Sepsis nach den "Sepsis-3-Kriterien" beschreibt sie als eine lebensbedrohliche Organdysfunktion, die durch eine fehlregulierte Wirtsantwort auf eine Infektion verursacht wird. Die Diagnose stützt sich auf eine akute Zunahme des SOFA-Scores um mindestens 2 Punkte oder, als schnelles klinisches Instrument, auf den qSOFA-Score.
- qSOFA-Score: Bei Verdacht auf eine Infektion wird eine Sepsis wahrscheinlich, wenn mindestens zwei der folgenden Kriterien erfüllt sind: Atemfrequenz ≥ 22/min, veränderter mentaler Status (GCS < 15) und systolischer Blutdruck ≤ 100 mmHg.
Septischer Schock
Ein septischer Schock ist eine Unterform der Sepsis mit besonders hoher Mortalität. Er liegt vor, wenn trotz adäquater Volumentherapie eine persistierende arterielle Hypotonie besteht, die den Einsatz von Vasopressoren erfordert, um einen mittleren arteriellen Druck (MAD) von ≥ 65 mmHg zu halten. Zusätzlich muss der Serum-Laktatwert über 2 mmol/L liegen. Der septische Schock ist eine Form des distributiven Schocks.
Urosepsis
Die Urosepsis ist eine Sepsis, deren infektiöser Fokus im Urogenitalsystem liegt, beispielsweise durch einen Nierenabszess oder eine komplizierte Harnwegsinfektion. Die Erreger gelangen von dort in die Blutbahn und lösen eine systemische Entzündungsreaktion aus.
Ätiologie und Pathophysiologie
Eine Sepsis kann durch Bakterien (sowohl gramnegative wie E. coli als auch grampositive wie Staphylokokken), Pilze oder Viren ausgelöst werden. Die Pathophysiologie ist komplex und beinhaltet eine dysregulierte Immunantwort, die zu einer generalisierten Endothelaktivierung, erhöhter Gefäßpermeabilität ("Capillary Leak"), Gerinnungsaktivierung und Störungen der Mikrozirkulation führt. Dies resultiert in einer Gewebehypoxie und kann in einem Multiorganversagen (Niere, Lunge, Leber, Herz, ZNS) münden.
Symptomatik und Diagnostik
Typische Leitsymptome einer Sepsis sind hohes Fieber, Schüttelfrost, Tachypnoe, Verwirrtheit, ein schweres Krankheitsgefühl und eine arterielle Hypotonie. Bei älteren Patienten können die Symptome unspezifisch sein.
Diagnostisches Vorgehen
Bei Verdacht auf Sepsis ist eine sofortige und strukturierte Diagnostik entscheidend:
- Klinische Untersuchung: Beurteilung nach dem qSOFA-Score zur schnellen Risikostratifizierung.
- Labordiagnostik: Obligat sind die Abnahme von mindestens zwei Paar Blutkulturen (vor Beginn der Antibiose!), die Bestimmung von Entzündungsparametern (CRP, Procalcitonin/PCT), Laktat, Blutbild, Gerinnung und Organparametern (Kreatinin, Leberwerte).
- Fokussuche: Systematische Suche nach der Infektionsquelle mittels Bildgebung, z.B. Röntgen-Thorax, Abdomensonografie und ggf. CT.
Therapie der Sepsis
Die Therapie der Sepsis ist ein Wettlauf gegen die Zeit und basiert auf drei Säulen: kausale Therapie, Kreislaufstabilisierung und supportive Maßnahmen.
Kausale Therapie: Antibiotika und Fokussanierung
Eine kalkulierte Breitband-Antibiotikatherapie muss so früh wie möglich, idealerweise innerhalb der ersten Stunde nach Diagnosestellung, begonnen werden. Die Abnahme von Blutkulturen muss unmittelbar davor erfolgen. Sobald der Infektionsherd (Fokus) identifiziert ist, sollte eine Sanierung angestrebt werden (z.B. Drainage eines Abszesses).
Supportive Therapie
Die supportive Therapie zielt darauf ab, die Organfunktionen zu stabilisieren und aufrechtzuerhalten:
- Volumentherapie: Initial werden mindestens 30 ml/kg Körpergewicht kristalloide Lösungen innerhalb der ersten 3 Stunden verabreicht, um die Hypovolämie zu korrigieren.
- Vasopressoren: Bei persistierender Hypotonie trotz Volumengabe ist Noradrenalin das Mittel der ersten Wahl, um einen mittleren arteriellen Druck (MAD) von > 65 mmHg zu sichern.
- Sauerstoffgabe und Beatmung: Bei respiratorischer Insuffizienz oder ARDS sind eine adäquate Oxygenierung und ggf. eine mechanische Beatmung notwendig.
- Weitere Maßnahmen: Dazu gehören die Blutzuckerkontrolle, Thromboseprophylaxe mit Heparin und die Prophylaxe von Stressulzera.
Komplikationen und Prognose
Häufige und schwere Komplikationen der Sepsis umfassen das akute Lungenversagen (ARDS), das akute Nierenversagen (ANI/AKI), die disseminierte intravasale Gerinnung (DIC) und die septische Enzephalopathie. Die Prognose ist ernst, die Letalität des septischen Schocks liegt bei über 40 %.