Myopie (Kurzsichtigkeit)
Definition und Pathophysiologie
Die Myopie, oder Kurzsichtigkeit, ist eine Fehlsichtigkeit, bei der der Brennpunkt von parallel einfallenden Lichtstrahlen vor der Netzhaut liegt. Dies führt zu einem unscharfen Sehen in der Ferne, während Objekte in der Nähe scharf wahrgenommen werden. Man unterscheidet zwei Hauptformen:
- Achsenmyopie (Myopia axialis): Dies ist die häufigste Form (>95%), bei der der Augapfel (Bulbus) im Verhältnis zur Brechkraft von Hornhaut und Linse zu lang ist. Die Entstehung ist multifaktoriell und wird durch eine Kombination aus genetischer Prädisposition und Umweltfaktoren wie intensiver Naharbeit und Mangel an Tageslicht begünstigt.
- Brechungsmyopie (Myopia refractiva): Bei dieser selteneren Form ist die Brechkraft des optischen Systems bei normaler Bulbuslänge zu hoch. Ursachen können ein Keratokonus (pathologische Vorwölbung der Hornhaut) oder eine Linsenmyopie bei beginnender Kernkatarakt sein.
Einteilung und Symptomatik
Klinisch wird die Myopie nach ihrer Ausprägung in Dioptrien (dpt) eingeteilt:
- Myopia simplex (einfache Myopie): Bis -6,0 dpt. Beginnt meist im Schulalter ("Schulmyopie") und kommt im frühen Erwachsenenalter zum Stillstand. Das Komplikationsrisiko ist gering.
- Myopia maligna / progressiva (pathologische Myopie): Über -6,0 dpt, schreitet auch im Erwachsenenalter fort und birgt ein hohes Risiko für degenerative Veränderungen und schwere Komplikationen.
Das Leitsymptom ist unscharfes Sehen in der Ferne. Betroffene neigen dazu, die Augen zuzukneifen ("Blinzelgesicht"), um durch den Effekt einer stenopäischen Lücke die Sehschärfe zu verbessern. Bei visueller Anstrengung können asthenopische Beschwerden wie Kopfschmerzen und Augenbrennen auftreten.
Komplikationen
Komplikationen treten gehäuft bei der pathologischen Myopie auf und sind von hoher klinischer Relevanz:
- Netzhautablösung (Amotio retinae): Das Risiko ist aufgrund des längeren Bulbus und peripherer Netzhautdegenerationen stark erhöht.
- Myope Makulopathie: Degenerative Veränderungen der Makula, wie Atrophien oder Neovaskularisationen (Fuchs-Fleck), können zu einem irreversiblen Verlust des zentralen Sehvermögens führen.
- Glaukom und Katarakt: Das Risiko für ein primäres Offenwinkelglaukom ist erhöht, und eine Linsentrübung (Katarakt) kann früher auftreten.
Hyperopie / Hypermetropie (Weitsichtigkeit)
Definition und Pathophysiologie
Die Hyperopie, oder Weitsichtigkeit, ist eine Fehlsichtigkeit, bei der der Brennpunkt einfallender Lichtstrahlen theoretisch hinter der Netzhaut liegt. Der Augapfel ist im Verhältnis zur Brechkraft "zu kurz" oder die Brechkraft ist "zu schwach". Junge Menschen können eine Hyperopie durch Akkommodation (Erhöhung der Linsenbrechkraft durch Anspannung des Ziliarmuskels) ausgleichen, wodurch sie oft lange unbemerkt bleibt (latente Hyperopie).
- Achsenhyperopie (Hyperopia axialis): Die häufigste, meist angeborene Form, bei der die Achsenlänge des Augapfels zu kurz ist.
- Brechungshyperopie (Hyperopia refractiva): Eine seltene Form mit zu schwacher Brechkraft des optischen Systems, z.B. bei Linsenlosigkeit (Aphakie).
Symptomatik und Klinik
Die Symptome sind stark vom Alter und dem Ausmaß der Hyperopie abhängig. Während junge Menschen oft lange beschwerdefrei sind, führt die permanente Akkommodationsleistung zu asthenopischen Beschwerden wie Kopfschmerzen (v.a. frontal), schneller Ermüdung bei Naharbeit und Konzentrationsstörungen. Mit nachlassender Akkommodationsfähigkeit im Alter (Presbyopie) wird die Hyperopie manifest, was zunächst zu unscharfem Sehen in der Nähe und später auch in der Ferne führt.
Komplikationen
Die frühzeitige Erkennung und Korrektur einer Hyperopie, insbesondere im Kindesalter, ist entscheidend, um schwerwiegende Komplikationen zu vermeiden:
- Akkommodative Esotropie mit Amblyopie: Dies ist die häufigste und wichtigste Komplikation. Die starke, permanente Akkommodation ist an eine starke Konvergenz gekoppelt, was zu einem Einwärtsschielen führen kann. Wird dies nicht korrigiert, unterdrückt das Gehirn den Seheindruck des schielenden Auges, was zu einer irreversiblen funktionalen Sehschwäche (Amblyopie) führt.
- Winkelblockglaukom: Hyperope Augen sind anatomisch oft kleiner, mit einer flacheren Vorderkammer und einem engeren Kammerwinkel. Dies erhöht das Risiko für einen akuten Glaukomanfall durch einen plötzlichen Verschluss des Kammerwinkels.
Diplopie (Doppelbilder)
Definition und Einteilung
Diplopie bezeichnet die subjektive Wahrnehmung von zwei Bildern eines einzigen Objekts und ist ein wichtiges Leitsymptom in der Ophthalmologie und Neurologie. Man unterscheidet zwei grundlegende Formen:
- Binokulare Diplopie: Die Doppelbilder verschwinden bei Abdeckung eines beliebigen Auges. Die Ursache ist eine Störung der Augenstellung (Schielen), die oft auf eine neurologische oder systemische Erkrankung hinweist.
- Monokulare Diplopie: Die Doppelbilder bleiben auch bei Abdeckung des nicht betroffenen Auges bestehen. Die Ursache liegt im Auge selbst, meist durch eine Störung der brechenden Medien (z.B. Hornhaut, Linse).
Ursachen der binokularen Diplopie
Die binokulare Diplopie erfordert eine sorgfältige Abklärung, da sie auf potenziell gefährliche Zustände hinweisen kann. Häufige Ursachen sind:
- Hirnnervenparesen (Lähmungsschielen): Lähmungen des N. oculomotorius (III), N. trochlearis (IV) oder N. abducens (VI) führen zu charakteristischen Schielstellungen und Doppelbildern. Ein besonderer Notfall ist eine schmerzhafte Okulomotoriusparese mit weiter, lichtstarrer Pupille (Mydriasis), die dringend den Verdacht auf ein Aneurysma der A. communicans posterior nahelegt.
- Störungen der neuromuskulären Übertragung: Die Myasthenia gravis ist eine klassische Ursache für eine belastungsabhängige, fluktuierende Diplopie und/oder Ptosis (herabhängendes Augenlid).
- Mechanisch-restriktive Ursachen: Eine Behinderung der Augenbewegung durch Prozesse in der Augenhöhle (Orbita), wie bei der endokrinen Orbitopathie (Morbus Basedow) oder einer Orbitabodenfraktur ("Blow-out-Fraktur") mit Einklemmung von Augenmuskeln.
Ursachen der monokularen Diplopie
Die monokulare Diplopie ist rein okulär bedingt. Typische Ursachen sind optische Irregularitäten wie eine beginnende Katarakt (insbesondere Kernkatarakt), ein Astigmatismus (Hornhautverkrümmung), eine Linsen(sub)luxation oder ein Keratokonus.