Einteilung der Schilddrüsenkarzinome
Schilddrüsenkarzinome (SD-Ca) werden histologisch in verschiedene Typen unterteilt, die sich in Häufigkeit, Aggressivität und Therapieansatz unterscheiden. Man differenziert hauptsächlich zwischen differenzierten und selteneren, oft aggressiveren Karzinomen.
Differenzierte Karzinome (ca. 90 %)
Diese Tumoren gehen von den Follikelepithelien der Schilddrüse aus und machen den Großteil der malignen Schilddrüsenerkrankungen aus. Ihr gemeinsamer Tumormarker für die Nachsorge ist das Thyreoglobulin.
- Papilläres Karzinom (ca. 60 %): Dies ist der häufigste Typ mit der vergleichsweise besten Prognose. Charakteristisch ist die lymphogene Metastasierung in die regionalen Halslymphknoten. Histologisch zeigen sich papilläre Strukturen, helle "Milchglaskerne" und Psammomkörperchen (Kalkablagerungen).
- Follikuläres Karzinom (ca. 30 %): Dieser Typ neigt zur hämatogenen Metastasierung, vor allem in Lunge und Knochen. Histologisch ähnelt es normalem Schilddrüsengewebe, weist aber definitionsgemäß keine papillären Strukturen auf.
Seltenere Karzinome (ca. 10 %)
Diese Gruppe umfasst aggressivere und seltener vorkommende Tumoren.
- Medulläres Karzinom (ca. 5 %): Dieser neuroendokrine Tumor geht von den C-Zellen aus und produziert Calcitonin. Der spezifische Tumormarker ist daher Calcitonin. Es kann sporadisch oder familiär gehäuft (z.B. im Rahmen eines MEN-2-Syndroms) auftreten. Wichtig ist, dass dieser Tumor nicht am Iodstoffwechsel teilnimmt und daher nicht auf eine Radioiodtherapie anspricht.
- Anaplastisches Karzinom (ca. 5 %): Dies ist die aggressivste Form des Schilddrüsenkrebses mit einem sehr schnellen Wachstum und einer infausten Prognose. Es handelt sich um einen undifferenzierten Tumor, der ebenfalls kein Thyreoglobulin produziert.
Symptomatik
Differenzierte Schilddrüsenkarzinome bleiben oft lange asymptomatisch. Das häufigste Erstsymptom ist ein neu aufgetretener oder schnell wachsender, derber und indolenter (schmerzloser) Schilddrüsenknoten. Bei fortgeschrittenem Wachstum kann es durch Infiltration benachbarter Strukturen zu folgenden Symptomen kommen:
- Dysphagie (Schluckstörungen) durch Kompression des Ösophagus
- Heiserkeit (Dysphonie) durch Infiltration des N. laryngeus recurrens (Recurrensparese)
- Dyspnoe (Atemnot) oder ein inspiratorischer Stridor durch Einengung der Trachea
- Horner-Syndrom bei Infiltration des Ganglion stellatum
Vergrößerte, harte Halslymphknoten können ebenfalls ein Hinweis auf eine Metastasierung sein.
Diagnostik
Die Diagnostik folgt einem Stufenschema, um verdächtige Knoten abzuklären.
Labor und Tumormarker
Die Schilddrüsenfunktionsparameter (TSH, fT3, fT4) sind meist unauffällig (euthyreote Stoffwechsellage). Die entscheidende Rolle spielen die Tumormarker:
- Calcitonin: Ein erhöhter Wert ist hochspezifisch für ein medulläres Schilddrüsenkarzinom und sollte immer bestimmt werden.
- Thyreoglobulin (TG): Dient nicht der Primärdiagnostik, sondern ist ein wichtiger Verlaufsmarker nach Thyreoidektomie bei differenzierten Karzinomen. Ein Anstieg nach der Operation deutet auf ein Rezidiv oder Metastasen hin.
Bildgebende Verfahren und Punktion
Der diagnostische Pfad zur Abklärung eines Knotens umfasst typischerweise drei Schritte:
- Schilddrüsen-Sonografie: Die erste und wichtigste Untersuchung. Malignomverdächtige Merkmale sind echoarme, unscharf und unregelmäßig begrenzte Knoten, oft mit Mikroverkalkungen.
- Schilddrüsen-Szintigrafie: Wird bei sonografisch auffälligen Knoten durchgeführt. Karzinome speichern in der Regel kein Iod und stellen sich als "kalter Knoten" dar. Etwa 10 % aller kalten Knoten sind maligne.
- Feinnadelpunktion: Bei szintigrafisch kalten und sonografisch verdächtigen Knoten ist die Feinnadelpunktion zur zytologischen Sicherung der Diagnose der nächste entscheidende Schritt.
Für das Staging zur Suche nach Fernmetastasen werden Verfahren wie Röntgen-Thorax, CT, MRT oder eine Ganzkörperszintigrafie eingesetzt.
Therapie
Die Therapie richtet sich nach dem histologischen Typ und dem Stadium des Karzinoms.
Chirurgische Therapie
Die primäre Behandlungsmethode ist die Operation. Standardeingriff ist die totale Thyreoidektomie (vollständige Entfernung der Schilddrüse), oft kombiniert mit einer systematischen Entfernung der regionalen Halslymphknoten (Lymphadenektomie).
Postoperative Therapien
Nach der Operation folgen meist weitere Behandlungen:
- Radioiodtherapie: Bei differenzierten Karzinomen (papillär, follikulär) wird nach der Operation eine Radioiodtherapie mit Iod-131 durchgeführt. Ziel ist die Zerstörung von verbliebenem Schilddrüsengewebe (Ablation) und eventuellen Mikrometastasen.
- Hormonsubstitution und TSH-Suppression: Nach der Thyreoidektomie ist eine lebenslange Substitution mit L-Thyroxin erforderlich. Bei Patienten mit hohem Rezidivrisiko wird die Dosis so gewählt, dass der TSH-Spiegel unterdrückt wird (TSH-Suppression), da TSH das Wachstum von Tumorzellen stimulieren kann.
Bei medullären und anaplastischen Karzinomen ist die Radioiodtherapie wirkungslos. Hier kommen je nach Stadium externe Strahlentherapie oder systemische Therapien (z.B. Tyrosinkinase-Inhibitoren) zum Einsatz.