Terminologie und Definitionen
Der Säure-Basen-Haushalt (SBH), auch als Säure-Basen-Gleichgewicht bezeichnet, ist ein zentrales physiologisches Regulationssystem. Seine Hauptaufgabe ist die Konstanthaltung des pH-Wertes in den Körperflüssigkeiten, insbesondere im Blut. Der aktuelle Zustand dieses Systems wird in der Labormedizin als Säure-Basen-Status bezeichnet.
(Patho-)Physiologie des Säure-Basen-Haushalts
Klinische Bedeutung
Störungen des Säure-Basen-Haushalts können lebensbedrohlich sein und sind für die Diagnose und Therapie zahlreicher Erkrankungen von entscheidender Bedeutung. Eine regelmäßige Kontrolle des Säure-Basen-Status ist daher, insbesondere bei Intensivpatienten, unerlässlich.
Physiologische Regulation
Der Körper nutzt verschiedene Mechanismen, um den pH-Wert in einem engen Bereich zu halten. Dazu gehören chemische Puffersysteme und die Regulation durch Organe.
Puffersysteme im Blut
Puffersysteme können Säuren oder Basen abfangen und so abrupte pH-Änderungen verhindern. Das wichtigste System ist der Kohlensäure-Bicarbonat-Puffer.
- Kohlensäure-Bicarbonat-Puffer: Dieses System besteht aus der Säure Kohlensäure (H₂CO₃) und ihrer korrespondierenden Base Bicarbonat (HCO₃⁻). Es macht etwa 75 % der Gesamtpufferkapazität des Blutes aus und ist als offenes System direkt an die Atmung gekoppelt. Die Regulation erfolgt über die chemische Gleichgewichtsreaktion: CO₂ + H₂O ⇌ H₂CO₃ ⇌ H⁺ + HCO₃⁻.
- Weitere Puffer: Neben dem Bicarbonatsystem tragen auch der Phosphat-Puffer und Proteine (wie Hämoglobin) zur Pufferung bei.
Regulatorische Organe
Zwei Hauptorgane steuern den Säure-Basen-Haushalt langfristig:
- Respiratorische Regulation: Die Lunge ermöglicht eine schnelle Kompensation durch die Anpassung der Atemfrequenz. Bei einer Azidose (pH-Abfall) wird vermehrt CO₂ abgeatmet, bei einer Alkalose (pH-Anstieg) wird CO₂ zurückgehalten.
- Metabolische (renale) Regulation: Die Nieren sorgen für eine langsamere, aber nachhaltige Regulation. Sie können gezielt Wasserstoffionen (H⁺) ausscheiden oder Bicarbonat (HCO₃⁻) zurückresorbieren, um den pH-Wert zu normalisieren.
Pathophysiologie
Die primären Störungen des Säure-Basen-Status werden als Azidosen (Zustand der Übersäuerung) und Alkalosen (Zustand der übermäßigen Basen) klassifiziert.
Diagnostik des Säure-Basen-Status
Blutgasanalyse (BGA)
Die Blutgasanalyse ist die zentrale Untersuchung zur Beurteilung des Säure-Basen-Status. Sie misst die folgenden Schlüsselparameter im Blut:
- pH-Wert
- Partialdruck von Kohlendioxid (pCO₂)
- Partialdruck von Sauerstoff (pO₂)
- Standardbikarbonat (HCO₃⁻)
- Base Excess (BE)
Anionenlücke
Die Anionenlücke ist ein wichtiger berechneter Parameter, der hilft, die Ursachen einer metabolischen Azidose zu differenzieren.
Berechnung und Referenzbereich
Sie repräsentiert das Defizit an nicht gemessenen Anionen im Blut.
- Formel: Anionenlücke = Na⁺ – (Cl⁻ + HCO₃⁻)
- Referenzbereich: 3–11 mmol/l
Klinische Interpretation
Die Höhe der Anionenlücke ist entscheidend für die Differenzialdiagnose:
- Vergrößerte Anionenlücke (> 11 mmol/l): Weist auf eine Additionsazidose hin, bei der dem Körper zusätzliche Säuren zugeführt werden. Typische Ursachen sind Laktatazidose, Ketoazidose (z.B. bei Diabetes mellitus) oder Intoxikationen (z.B. mit Methanol, Salicylaten).
- Normale Anionenlücke: Spricht für eine Subtraktionsazidose (auch hyperchlorämische Azidose), die durch den Verlust von Bicarbonat entsteht. Häufige Ursachen sind starker Durchfall (Diarrhö) oder eine renal-tubuläre Azidose.
Störfaktoren wie eine Hypoalbuminämie können die Anionenlücke fälschlicherweise senken und müssen bei der Interpretation berücksichtigt werden.