Indikationen und Grundprinzipien der Sauerstofftherapie
Die Sauerstofftherapie, auch als Sauerstoffgabe bezeichnet, ist die therapeutische Verabreichung von Sauerstoff zur Behandlung einer arteriellen Hypoxie (Sauerstoffmangel). Die primäre Indikation ist ein nachgewiesener Sauerstoffmangel. Ein entscheidendes Grundprinzip ist die Vermeidung einer "blinden" oder routinemäßigen Sauerstoffgabe ohne vorherige Bestimmung der Sättigung. Dies ist besonders wichtig bei Krankheitsbildern wie dem Myokardinfarkt oder nach einer Reanimation, da die Gefahr einer schädlichen Hyperoxie (Sauerstoffüberversorgung) besteht.
Dosierung der Sauerstoffgabe
Die Dosierung wird individuell anhand der nicht-invasiv gemessenen peripheren Sauerstoffsättigung des arteriellen Blutes (SpO2) angepasst:
- SpO2 ≥ 90 %: In der Regel ist eine Gabe von 2–4 l/min über eine Nasensonde oder Nasenbrille ausreichend.
- SpO2 < 90 %: Hier sind höhere Flussraten von 6–15 l/min über eine Gesichtsmaske indiziert, um die Oxygenierung zu verbessern.
Sonderfall: COPD-Patienten
Bei Patienten mit einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) ist besondere Vorsicht geboten, da ein erhöhter Sauerstoffpartialdruck im Blut den Atemantrieb vermindern kann. Das Therapieziel ist daher eine moderate Ziel-Sauerstoffsättigung im Bereich von 88–92 %. Die Dosierung wird hier besonders engmaschig gesteuert:
- Bei einer SpO2 von über 80 % sollte die Gabe auf maximal 4 l/min begrenzt werden.
- Bei einer SpO2 unter 80 % können zur Stabilisierung 6–10 l/min erforderlich sein.
Applikationsformen je nach Bewusstseinszustand
Die Wahl der Verabreichungsform hängt maßgeblich vom Bewusstseinszustand (evaluiert mittels Glasgow Coma Scale, GCS) und der Effektivität der Spontanatmung des Patienten ab.
Bewusstseinsklare Patienten
Bei Patienten mit klarem Bewusstsein und guter Spontanatmung kommen folgende Low-Flow- und High-Flow-Systeme zum Einsatz:
- Nasensonde: Flow von 2–4 l/min (erzielbare FiO2 ca. 0,2–0,3)
- Nasenbrille: Flow bis maximal 6 l/min (erzielbare FiO2 ca. 0,3–0,4)
- Gesichtsmaske (mit/ohne Reservoir): Flow von 6–15 l/min (erzielbare FiO2 0,4–1,0)
- Nicht-invasive Beatmung (NIV): Ermöglicht hohe Flows (bis zu 70 l/min) und eine FiO2 bis 1,0.
Bewusstseinsgetrübte und bewusstlose Patienten
Bei Patienten mit eingeschränktem Bewusstsein ist die Sicherung der Atemwege entscheidend:
- Bewusstseinsgetrübte Patienten (GCS 9–14) mit suffizienter Spontanatmung erhalten Sauerstoff in der Regel über eine Gesichtsmaske.
- Bewusstlose Patienten (GCS < 8) mit insuffizienter Spontanatmung haben keinen sicheren Atemweg mehr. Sie benötigen eine definitive Atemwegssicherung durch eine endotracheale Intubation mit anschließender maschineller Beatmung, um eine adäquate Oxygenierung und Ventilation zu gewährleisten.