Definition und Ätiologie der Sarkoidose
Die Sarkoidose, auch als Morbus Boeck oder Morbus Besnier-Boeck-Schaumann bekannt, ist eine granulomatöse Multisystemerkrankung mit unklarer Ätiologie, die typischerweise junge Erwachsene zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr betrifft. Es wird eine multifaktorielle Genese angenommen, die auf einer Kombination aus genetischer Prädisposition und umweltbedingten Auslösern beruht.
Pathophysiologisch stehen charakteristische Störungen des Immunsystems im Vordergrund, die zu den klinischen Manifestationen führen:
- Gestörte T-Zell-Funktion: Ein zentrales Merkmal ist ein Ungleichgewicht zwischen T-Helferzellen und T-Suppressorzellen, was zu einem erhöhten CD4/CD8-Verhältnis führt. Dies resultiert in einer erhöhten Infektanfälligkeit durch eine Störung der zellulären Abwehr. Besonders kritisch ist hierbei die Gefahr einer Reaktivierung einer latenten Tuberkulose (Tbc).
- Aktivierte Makrophagen: Diese Zellen exprimieren das Enzym 1-alpha-Hydroxylase, was zu einer unkontrollierten Produktion von aktivem Vitamin D3 und konsekutiv zu einer Hyperkalzämie führen kann.
- Verstärkte B-Zell-Aktivität: Diese äußert sich laborchemisch oft in einer Hypergammaglobulinämie.
Histologisch ist die Erkrankung durch das Vorhandensein von epitheloidzelligen, nicht-verkäsenden Granulomen gekennzeichnet. Diese können in fast jedem Organ auftreten, befallen aber am häufigsten die Lunge und die mediastinalen Lymphknoten.
Klinisches Bild und Verlaufsformen
Die Symptomatik der Sarkoidose ist sehr variabel und richtet sich nach den betroffenen Organen. Man unterscheidet eine akute und eine chronische Verlaufsform.
Akute Sarkoidose (Löfgen-Syndrom)
Die akute Form hat eine gute Prognose, ist oft selbstlimitierend und präsentiert sich klassischerweise mit der Löfgen-Trias, die vor allem bei jungen Frauen auftritt:
- (Sprunggelenk-)Arthritis
- Erythema nodosum (schmerzhafte, rötliche Knoten, meist an den Unterschenkelstreckseiten)
- Bihiläre Lymphadenopathie (im Röntgen-Thorax sichtbar)
Eine seltenere akute Manifestation ist das Heerfordt-Syndrom, gekennzeichnet durch Parotitis, Uveitis und eine periphere Fazialisparese.
Chronische Sarkoidose
Der chronische Verlauf ist oft schleichend mit unspezifischen Allgemeinsymptomen wie Müdigkeit oder B-Symptomatik (Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust). Die pulmonalen Symptome können gering ausgeprägt sein, während extrapulmonale Manifestationen im Vordergrund stehen:
- Lunge (>90%): Oft nur radiologisch auffällig.
- Augen (bis 80%): Uveitis, Keratoconjunctivitis sicca (trockenes Auge).
- Haut (25%): Lupus pernio (chronisch-fibrotische Läsionen im Gesicht), Narbensarkoidose.
- Herz (25%): Befall des Reizleitungssystems kann zu Herzrhythmusstörungen und Kardiomyopathie führen.
- Weitere Organe: Leber, periphere Lymphknoten, Gelenke und seltener das Nervensystem (Neurosarkoidose) können betroffen sein.
Diagnostik und Stadieneinteilung
Die Diagnose wird häufig als Zufallsbefund in einer Röntgen-Thorax-Aufnahme gestellt. Die Diagnosesicherung erfordert eine Kombination aus typischer Klinik, Bildgebung und dem histologischen Nachweis der Granulome unter Ausschluss anderer Ursachen.
Wichtige diagnostische Schritte
- Bildgebung: Der Röntgen-Thorax ist zentral für die Stadieneinteilung. Ein hochauflösendes CT (HR-CT) des Thorax wird bei unklaren Befunden oder zur Beurteilung von Komplikationen wie einer Lungenfibrose eingesetzt.
- Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage (BAL): Typisch ist eine lymphozytäre Alveolitis mit einem stark erhöhten CD4/CD8-Quotienten von > 3,5.
- Biopsie: Der Nachweis von nicht-verkäsenden Epitheloidzellgranulomen (z.B. aus Lunge, Lymphknoten oder Haut) sichert die Diagnose. Der Ausschluss einer Tuberkulose ist hierbei essenziell.
- Labor: Erhöhte Spiegel des Angiotensin-Converting-Enzyms (ACE), Hyperkalzämie und eine BSG-Erhöhung können vorliegen. Ein Interferon-Gamma-Release-Assay (IGRA) dient dem Ausschluss einer Tbc.
- Zusätzliche Untersuchungen: Eine Lungenfunktionsprüfung (oft restriktive Ventilationsstörung), ein EKG und eine augenärztliche Untersuchung sind zur Erfassung des Organbefalls unerlässlich.
Radiologische Stadieneinteilung
- Typ 0: Kein sichtbarer intrathorakaler Befall.
- Typ I: Isolierte bihiläre Lymphadenopathie.
- Typ II: Bihiläre Lymphadenopathie mit Lungenparenchymbeteiligung.
- Typ III: Alleiniger Lungenparenchymbefall ohne Lymphadenopathie.
- Typ IV: Irreversible Lungenfibrose.
Therapie und Komplikationen
Die Therapie richtet sich nach der Aktivität, dem Stadium und dem Organbefall. Die akute Sarkoidose heilt oft spontan aus und wird symptomatisch, z.B. mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR), behandelt.
Eine therapiebedürftige chronische Sarkoidose wird primär mit systemischen Glukokortikoiden behandelt. Bei unzureichendem Ansprechen oder zur Reduktion der Steroiddosis werden weitere Immunsuppressiva wie Methotrexat (MTX) oder Azathioprin eingesetzt. Bei schwerer, refraktärer Neurosarkoidose kann der TNF-alpha-Inhibitor Infliximab eine Option sein.
Mögliche Komplikationen
Unbehandelt kann die Sarkoidose zu schweren und irreversiblen Organschäden führen:
- Pulmonal: Lungenfibrose, die zu pulmonaler Hypertonie, Cor pulmonale und respiratorischer Insuffizienz führen kann.
- Kardial: Kardiomyopathie, lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen und plötzlicher Herztod.
- Ophthalmologisch: Chronische Uveitis kann zu Glaukom, Katarakt und letztlich zur Erblindung führen.
- Renal: Die Hyperkalzämie kann eine Nephrolithiasis (Nierensteine) und Nierenfunktionsstörungen verursachen.