Terminologie des Reizdarmsyndroms
Das Reizdarmsyndrom (RDS), lateinisch als Colon irritabile oder Colon irritable bezeichnet, ist auch unter den Namen irritables Kolon, spastisches Kolon oder im Englischen als irritable bowel syndrome (IBS) bekannt.
Definition des Reizdarmsyndroms (RDS)
Das Reizdarmsyndrom beschreibt funktionelle Beschwerden im Bereich des Kolons, die sich durch intermittierende Bauchschmerzen und Stuhlunregelmäßigkeiten auszeichnen. Entscheidend ist, dass für die Symptome keine organische Ursache feststellbar ist. Folglich handelt es sich beim RDS um eine Ausschlussdiagnose.
Epidemiologie
Das RDS ist eine sehr häufige Erkrankung, die schätzungsweise 20 % der Gesamtbevölkerung betrifft. Frauen sind häufiger betroffen als Männer, und der Altersgipfel für die Erstdiagnose liegt bei etwa dem 30. Lebensjahr.
Ätiologie
Die genauen Ursachen sind vielschichtig. Als wesentliche Faktoren gelten psychosoziale Belastungen (Stress) und eine allgemeine psychovegetative Übererregbarkeit, die die Darm-Hirn-Achse beeinflussen.
Einteilung nach Symptomatik
Die Klassifikation des Reizdarmsyndroms erfolgt primär nach dem vorherrschenden Stuhlverhalten. Man unterscheidet drei Hauptsubtypen:
- RDS mit Obstipationsprädominanz (RDS-O)
- RDS mit Diarrhöprädominanz (RDS-D)
- RDS mit wechselndem oder gemischtem Stuhlverhalten (RDS-M)
Symptome des Reizdarmsyndroms
Typische Symptome
- Tenesmen (schmerzhafter Stuhldrang)
- Gefühl der unvollständigen Darmentleerung
- Wechselnde Schmerzlokalisation und -intensität
- Stuhlunregelmäßigkeiten, oft im Wechsel von Obstipation und Diarrhö
- Sistieren der Beschwerden während der Nacht
- Veränderte Stuhlkonsistenz: oft "schafskotartig", wässrig oder mit Schleimabgang
Weitere mögliche Begleitsymptome
- Druckdolente Walze im linken Unterbauch (kontrahiertes Sigma)
- Hörbare Darmgeräusche (Borborygmi)
- Depressive Symptome und Angstzustände (z.B. Karzinophobie)
- Vermehrte Müdigkeit und Schlafstörungen
- Begleitendes Reizmagen-Syndrom mit dyspeptischen Beschwerden
Diagnostik des RDS
Die Diagnose des Reizdarmsyndroms ist eine Ausschlussdiagnose. Für die Diagnosestellung müssen drei wesentliche Kriterien nach den aktuellen Leitlinien erfüllt sein:
- Die Beschwerden sind chronisch (bestehen seit mindestens 3 Monaten), gehen vom Darm aus und sind typischerweise mit Veränderungen des Stuhlgangs verbunden.
- Die Symptome führen zu einer relevanten Beeinträchtigung der Lebensqualität des Patienten.
- Es darf keine andere organische Erkrankung als Ursache für die Symptome vorliegen (Ausschlussdiagnostik).
Zum Ausschluss organischer Ursachen kann eine weiterführende Diagnostik, wie zum Beispiel eine Koloskopie, erforderlich sein.
Differentialdiagnosen und Warnhinweise ("Red Flags")
Bestimmte Symptome sprechen gegen das Vorliegen eines Reizdarmsyndroms und erfordern eine umgehende Abklärung, um ernste Erkrankungen auszuschließen. Diese Warnhinweise ("Red Flags") umfassen:
- Akute oder nächtliche Bauchschmerzen
- Blut im Stuhl
- Nächtliche Diarrhö
- Fieber
- Erhöhte Entzündungswerte im Labor
Weitere wichtige Differentialdiagnosen sind unter anderem das kolorektale Karzinom, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED), Zöliakie, Divertikulitis und Nahrungsmittelunverträglichkeiten wie die Laktoseintoleranz.
Therapie des Reizdarmsyndroms
Eine kurative Therapie für das Reizdarmsyndrom existiert nicht. Die Behandlung zielt auf die Linderung der Symptome und die Verbesserung der Lebensqualität ab und ist rein supportiv.
Supportive Maßnahmen
- Ärztliche Aufklärung: Ein zentraler Punkt ist die Aufklärung über den harmlosen, wenn auch belastenden, Charakter der Erkrankung.
- Lebensstil: Sportliche Aktivität und Entspannungsverfahren können die Symptome lindern.
- Nahrungsumstellung: Empfohlen werden oft kleine, häufige Mahlzeiten und eine faserreiche Kost. Eine FODMAP-reduzierte Diät kann ebenfalls hilfreich sein.
Medikamentöse Therapie
Die medikamentöse Behandlung ist oft nur mäßig erfolgreich und richtet sich nach der vorherrschenden Symptomatik:
- Probiotika: Können zur Stabilisierung der Darmflora beitragen.
- Bei krampfartigen Schmerzen: Spasmolytika (z.B. Buscopan, Mebeverin).
- Bei Obstipation: Milde Laxanzien (z.B. Macrogol).
- Bei Diarrhö: Loperamid.
- Bei Blähungen: In therapierefraktären Fällen kann ein Therapieversuch mit dem Antibiotikum Rifaximin unternommen werden.
- Bei begleitender Depression: Je nach Stuhlbild SSRI (bei Obstipation) oder trizyklische Antidepressiva (bei Diarrhö).
Verlauf und Prognose
Der Verlauf ist in der Regel chronisch und kann mit einem erheblichen Leidensdruck für die Betroffenen verbunden sein. Eine Besserung der Symptome tritt bei etwa einem Drittel der Patienten ein. Wichtig ist, dass das Reizdarmsyndrom keinen Einfluss auf die Lebenserwartung hat.