Pyelonephritis: Definition und Terminologie
Die Pyelonephritis, auch als Nierenbeckenentzündung oder obere Harnwegsinfektion bezeichnet, ist eine meist akute, seltener chronische Entzündung des Nierenbeckens und des Nierenparenchyms. Als tubulointerstitielle Nephritis betrifft sie das Nierengewebe zwischen den Glomeruli und Tubuli. Sie ist seltener, aber in der Regel schwerwiegender als eine Zystitis (Blasenentzündung).
Ätiologie und Risikofaktoren
Die Ursache einer Pyelonephritis ist überwiegend bakteriell. In etwa 80 % der Fälle ist Escherichia coli der verantwortliche Erreger, wobei auch Mischinfektionen häufig sind.
Formen der Pyelonephritis
- Primäre (unkomplizierte) Pyelonephritis: Entsteht ohne vorliegende anatomische oder funktionelle Anomalien des Harntrakts.
- Sekundäre (komplizierte) Pyelonephritis: Tritt bei prädisponierenden Faktoren wie einem vesikoureteralen Reflux oder einem Harnstau auf.
Zu den Risikofaktoren zählen Harnwegsobstruktionen, Blasenkatheter und seltener auch ein NSAR-Abusus.
Einteilung der Nierenbeckenentzündung
Die Klassifikation erfolgt nach verschiedenen Kriterien:
- Nach Verlauf: Meist akut, kann aber chronifizieren. Chronische Verläufe können akute Schübe aufweisen.
- Nach Infektionsweg: Überwiegend aszendierend (aufsteigend) aus den unteren Harnwegen. Seltener deszendierend (absteigend) durch hämatogene oder lymphogene Streuung.
- Nach Risikoprofil: Unkompliziert (primär) bei Fehlen von Risikofaktoren und kompliziert (sekundär) bei Vorliegen von prädisponierenden Faktoren wie Harnabflussstörungen.
Symptomatik
Akute Pyelonephritis
Die Symptomatik der akuten Form beginnt typischerweise plötzlich und ist gekennzeichnet durch:
- Hohes Fieber (> 38°C) und Schüttelfrost
- Einseitiger, dumpfer Flankenschmerz, der persistierend oder kolikartig sein kann
- Dysurie (Schmerzen beim Wasserlassen)
- Starkes Krankheitsgefühl und Abgeschlagenheit
- Begleitende gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit und Erbrechen
Bei älteren Menschen oder Kleinkindern kann die Symptomatik atypisch und unspezifisch sein.
Chronische Pyelonephritis
Die chronische Form verläuft oft lange asymptomatisch oder mit unspezifischen Symptomen wie Abgeschlagenheit, dumpfen Rückenschmerzen und rezidivierenden Fieberschüben. Spätsymptome sind oft Zeichen einer fortgeschrittenen Niereninsuffizienz.
Diagnostik
Körperliche Untersuchung und Labor
Ein zentraler klinischer Befund ist der positive Nierenlagerklopfschmerz (NLKS) auf der betroffenen Seite. Die Labordiagnostik ist entscheidend:
- Urindiagnostik: Im Urinstatus zeigen sich typischerweise eine Leukozyturie, Bakteriurie und ein positiver Nitrit-Test. Der Nachweis von Leukozytenzylindern im Urinsediment ist beweisend für eine Nierenbeteiligung. Eine Urinkultur mit Antibiogramm ist zur Erregeridentifikation und Resistenztestung obligat.
- Blutuntersuchung: Erhöhte Entzündungsparameter (CRP, BSG), eine Leukozytose mit Linksverschiebung sind charakteristisch. Bei einer Thrombozytopenie muss an eine beginnende Sepsis gedacht und eine Blutkultur abgenommen werden.
Bildgebende Verfahren
Bei jedem fieberhaften Harnwegsinfekt ist eine Abdomen-Sonografie indiziert, um Komplikationen oder eine obstruktive Ursache auszuschließen. Typische sonografische Befunde sind eine vergrößerte Niere, ein inhomogenes Parenchym und eine verdickte Wand des Nierenbeckens. CT oder MRT kommen bei unklaren Befunden oder Verdacht auf Komplikationen wie Abszesse zum Einsatz.
Therapie der Pyelonephritis
Die Behandlung richtet sich nach der Schwere der Erkrankung. Unkomplizierte Fälle können ambulant behandelt werden, während bei systemischer Beteiligung (z.B. Erbrechen), bei Schwangeren oder Kindern eine stationäre Aufnahme erforderlich ist.
Allgemeine und symptomatische Maßnahmen
Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr zur Förderung der Erregerausscheidung, körperliche Schonung sowie bei Bedarf Analgetika und Antipyretika bilden die Basis der Behandlung.
Antibiotische Therapie
Die antibiotische Therapie wird kalkuliert nach Abnahme der Urinkultur begonnen und später gegebenenfalls an das Ergebnis des Antibiogramms angepasst.
- Unkomplizierte Pyelonephritis (ambulant): Orale Therapie für 5-10 Tage, z.B. mit Ciprofloxacin, Levofloxacin oder Cefpodoxim.
- Schwere Verläufe (stationär): Initiale parenterale (i.v.) Therapie mit Cephalosporinen der 3. Generation (z.B. Ceftriaxon) oder Fluorchinolonen. Nach klinischer Besserung erfolgt die Umstellung auf eine orale Therapie. Die Gesamttherapiedauer beträgt 1-2 Wochen.
- In der Schwangerschaft: Cephalosporine der Gruppe 2 und 3 sind Mittel der Wahl.
Komplikationen
Insbesondere bei komplizierten Verläufen können schwerwiegende Komplikationen auftreten. Dazu gehören die Bildung von Nieren- oder perinephritischen Abszessen, die Entwicklung einer Urosepsis und im chronischen Verlauf das Endstadium einer Schrumpfniere mit terminaler Niereninsuffizienz.