Terminologie und Grundregeln der Psychopharmaka-Therapie
Psychopharmaka sind Medikamente, die auf das zentrale Nervensystem (ZNS) wirken und zur Behandlung psychischer Störungen eingesetzt werden. Sie umfassen verschiedene Wirkstoffgruppen mit teilweise überlappenden Wirkprofilen.
Eine fundamentale Grundregel in der Verordnung von Psychopharmaka ist die Erhebung der Suchtanamnese. Diese muss zwingend vor der Verschreibung erfolgen, um das Risiko einer Abhängigkeitsentwicklung zu minimieren.
Wirkstoffgruppen von Psychopharmaka
Die Einteilung der Psychopharmaka erfolgt primär nach ihrer Wirkung, wobei es häufig zu Überlappungen zwischen den einzelnen Gruppen kommt.
Hypnotika, Sedativa und Tranquilizer
Diese Gruppe umfasst Substanzen mit beruhigender, schlaffördernder und angstlösender Wirkung.
Hypnotika (Schlafmittel)
Hypnotika sind ZNS-wirksame Arzneimittel mit primär schlaffördernder Wirkung. Sie werden bei nicht kausal behandelbaren Schlafstörungen, wie der Insomnie, eingesetzt. Eine längerfristige Anwendung sollte nur nach Diagnostik im Schlaflabor und in Kombination mit nicht-pharmakologischen Therapieverfahren erfolgen.
- Wirkstoffe: Zu den gängigen Wirkstoffen zählen Benzodiazepine, GABAA-Rezeptor-Agonisten (Z-Substanzen wie Zolpidem, Zopiclon), sedierende Antidepressiva (z.B. Doxepin), sedierende Neuroleptika und sedierende Histamin-H1-Rezeptorenblocker (z.B. Diphenhydramin), die als Schlafmittel ohne Abhängigkeitspotenzial gelten. Phytopharmaka wie Baldrian oder Melisse sind verbreitet, jedoch oft ohne klaren Wirksamkeitsnachweis. Barbiturate gelten als obsolet.
- Wichtige Hinweise: Bei vielen Hypnotika besteht eine erhebliche Suchtgefahr.
- Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW): Typische UAW sind Überhang am nächsten Tag, Verwirrtheit, Stürze und eine Beeinträchtigung der Verkehrstüchtigkeit. Bei chronischem Gebrauch kommt es zur Toleranzentwicklung und zur Entwicklung von Substanzstörungen bis hin zur Abhängigkeit.
- Wechselwirkungen (WW): Die Wirkung aller Schlafmittel wird durch Alkohol und andere zentral dämpfende Medikamente (z.B. Antihistaminika) verstärkt.
Sedativa (Beruhigungsmittel)
Sedativa sind Arzneimittel, die das ZNS dämpfen und eine beruhigende, angstlösende und schlaffördernde Wirkung entfalten. Ihr Wirkmechanismus beruht oft auf der Verstärkung des inhibitorischen Neurotransmitters GABA. Indikationen umfassen Angst- und Schlafstörungen, Epilepsie sowie das Alkoholentzugssyndrom.
- Wirkstoffe: Wichtige Vertreter sind Benzodiazepine, Barbiturate (Anwendung heute zurückhaltend wegen ungünstigem Nutzen-Risiko-Verhältnis) und Z-Substanzen.
- Kontraindikationen (KI): Absolute Kontraindikationen sind schwere Ateminsuffizienz, Myasthenia gravis und akuter Alkohol- oder Drogenabusus.
- Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW): Häufig sind Sedierung, Benommenheit, Atemdepression und kognitive Beeinträchtigungen. Insbesondere bei älteren Patienten besteht eine erhöhte Sturzgefahr. Es besteht ein erhebliches Abhängigkeitspotenzial mit Toleranzentwicklung.
- Entzugssyndrom: Ein abruptes Absetzen kann zu Angst, Unruhe, Tremor und Krampfanfällen führen. Daher ist ein langsames Ausschleichen der Medikation erforderlich.
Tranquilizer
Tranquilizer wirken beruhigend auf das ZNS und werden zur Behandlung von Angstzuständen, Schlafstörungen und anderen psychischen Erkrankungen eingesetzt. Man unterscheidet zwei Hauptgruppen:
- Minor-Tranquilizer (Anxiolytika): Hierzu gehören Benzodiazepine und Z-Substanzen. Sie wirken angstlösend, entspannend und schlaffördernd durch Verstärkung der GABA-Wirkung.
- Major-Tranquilizer (Neuroleptika): Dazu zählen typische (z.B. Haloperidol) und atypische Neuroleptika (z.B. Olanzapin). Sie wirken primär antipsychotisch durch Blockade von Dopamin-Rezeptoren.
Besondere Risiken und rechtliche Aspekte:
- Abhängigkeit und Entzug: Besonders bei Benzodiazepinen besteht ein hohes Abhängigkeitspotenzial, das mit Dosis und Einnahmedauer steigt. Ein abruptes Absetzen führt zu Entzugssymptomen.
- Anwendungshinweise: Eine strenge Indikationsstellung und eine zeitlich begrenzte Anwendung sind essenziell.
- Wechselwirkungen: Die sedierende Wirkung wird durch Alkohol und andere ZNS-dämpfende Substanzen stark verstärkt. Die Kombination mit Opioiden erhöht das Risiko einer Atemdepression.
- Rechtliches: Tranquilizer sind verschreibungspflichtig und können die Fahrtüchtigkeit erheblich beeinträchtigen. Einige unterliegen dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG).
Weitere wichtige Psychopharmaka-Gruppen
Neben den oben genannten Gruppen gibt es weitere zentrale Klassen von Psychopharmaka:
- Antidepressiva: Zur Behandlung von Depressionen und Angststörungen.
- Stimmungsstabilisierer (Phasenprophylaktika): Z.B. Lithium, zur Behandlung bipolarer Störungen.
- Antipsychotika (Neuroleptika): Z.B. Phenothiazine, zur Behandlung von Psychosen.
- Antidementiva: Z.B. Memantin, zur Behandlung von Demenzerkrankungen.
- Psychostimulanzien: Z.B. Methylphenidat, zur Behandlung von ADHS.
- Entzugs- und Entwöhnungsmittel: Z.B. Clomethiazol, zur Behandlung von Delirien.