Parasympatholytika / Anticholinergika: Eine Übersicht
Parasympatholytika, auch als Anticholinergika oder M-Cholinozeptor-Antagonisten bezeichnet, sind eine Wirkstoffgruppe, die spezifisch an muskarinerge Acetylcholin-Rezeptoren (mACh-Rezeptoren) binden und diese kompetitiv hemmen. Dadurch heben sie die Effekte des Parasympathikus auf.
Wirkstoffe und ihre Indikationen
Die Wirkstoffe lassen sich hauptsächlich in zwei Gruppen einteilen: tertiäre Amine, die die Blut-Hirn-Schranke überwinden und zentralnervöse Wirkungen haben, und quartäre Ammoniumverbindungen, die dies nicht tun.
Tertiäre Amine (ZNS-gängig)
- Atropin: Wird bei bradykarden Herzrhythmusstörungen, als Antidot bei Intoxikationen mit Parasympathomimetika (z.B. E605), in der Prämedikation zur Hemmung der Bronchialsekretion und lokal als langwirksames Mydriatikum bei Iritis eingesetzt.
- Scopolamin: Dient als Mydriatikum und wird vor allem als transdermales Pflaster zur Prophylaxe von Kinetosen (Reisekrankheit) aufgrund seiner antiemetischen Wirkung verwendet.
- Weitere Wirkstoffe: Biperiden und Trihexyphenidyl werden bei medikamentös induziertem Parkinsonismus (z.B. durch Neuroleptika) eingesetzt. Oxybutynin, Solifenacin und Darifenacin finden Anwendung bei der Behandlung der Reizblase (Detrusorhyperaktivität).
Quartäre Ammoniumverbindungen (nicht ZNS-gängig)
- N-Butylscopolamin (z.B. Buscopan): Ein wichtiges Spasmolytikum, das primär auf die glatte Muskulatur des Magen-Darm-Trakts und der Urogenitalorgane wirkt. Hauptindikationen sind Spasmen und Koliken im Gastrointestinaltrakt (z.B. Gallenkoliken, Divertikulitis) sowie urogenitale Spasmen.
- Ipratropiumbromid (z.B. Atrovent) und Tiotropiumbromid (z.B. Spiriva): Diese werden inhalativ verabreicht und bewirken eine Bronchodilatation. Sie sind Standardtherapeutika bei COPD und Asthma bronchiale.
Wirkmechanismus
Durch die kompetitive Blockade der muskarinergen Rezeptoren kommt es zu einer Aufhebung der parasympathischen Wirkung an den Zielorganen. Die wichtigsten Effekte sind:
- Herz: Beschleunigung der Herzfrequenz (Tachykardie) durch positive dromotrope und chronotrope Wirkung.
- Glatte Muskulatur: Erschlaffung der glatten Muskulatur in Bronchien (Bronchodilatation), Magen-Darm-Trakt (Spasmolyse) und Harntrakt.
- Drüsen: Hemmung der Sekretion von Speichel-, Schweiß-, Tränen- und Bronchialdrüsen.
- Auge: Erweiterung der Pupille (Mydriasis) und Lähmung der Akkommodation (Zykloplegie).
- Haut: Verminderte Schweißsekretion, was zu trockener, geröteter Haut und einem Anstieg der Körpertemperatur führen kann.
Wichtige Kontraindikationen (KI)
Die Anwendung von Anticholinergika ist bei bestimmten Vorerkrankungen absolut oder relativ kontraindiziert, da sie zu gefährlichen Komplikationen führen können.
- Engwinkelglaukom: Gefahr der Auslösung eines akuten Glaukomanfalls durch Mydriasis.
- Prostatahyperplasie mit Restharnbildung: Gefahr eines akuten Harnverhalts durch Relaxation des M. detrusor vesicae.
- Paralytischer Ileus und mechanische Stenosen im Magen-Darm-Trakt.
- Myasthenia gravis.
- Tachykarde Herzrhythmusstörungen.
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW)
Die Nebenwirkungen entsprechen den pharmakologischen Effekten und werden als anticholinerges Syndrom zusammengefasst:
- Mundtrockenheit
- Akkommodationsstörungen (verschwommenes Sehen), Mydriasis, Lichtempfindlichkeit
- Tachykardie
- Obstipation und Darmatonie
- Miktionsbeschwerden bis zum Harnverhalt
- Anticholinerges Delir: Besonders bei älteren und/oder dementen Patienten besteht die Gefahr von zentralnervösen Störungen wie Verwirrtheit, Halluzinationen und Agitation.