Terminologie und Definition paraneoplastischer Syndrome
Ein paraneoplastisches Syndrom (auch Paraneoplasie) bezeichnet Krankheitserscheinungen, die nicht direkt durch das Tumorwachstum oder Metastasen, sondern durch Substanzen verursacht werden, die von einem Tumor produziert und sezerniert werden. Diese Substanzen, oft Hormone oder Antikörper, lösen an anderer Stelle im Körper Symptome aus.
Einteilung und klinische Beispiele
Paraneoplastische Syndrome werden typischerweise nach dem betroffenen Organsystem eingeteilt. Bestimmte Tumoren sind klassischerweise mit spezifischen Syndromen assoziiert.
Endokrine Paraneoplasien
Diese entstehen durch die ektope, also vom Tumor ausgehende, Produktion von Hormonen oder hormonähnlichen Substanzen.
- Cushing-Syndrom: Verursacht durch ektopes ACTH. Tritt häufig bei kleinzelligen Bronchialkarzinomen, Pankreaskarzinomen und Nierenzellkarzinomen auf.
- Karzinoidsyndrom: Ausgelöst durch Serotonin-Produktion, typischerweise bei Karzinoiden, kleinzelligen Bronchialkarzinomen und Pankreaskarzinomen.
- Hyperkalzämiesyndrom: Entsteht durch die Sekretion von parathormonähnlichem Peptid (PTHrP) oder Parathormon. Assoziiert mit Bronchial-, Mamma-, Nierenzell- und Pankreaskarzinomen sowie dem Multiplen Myelom.
- Schwartz-Bartter-Syndrom (SIADH): Verursacht durch ektope ADH-Produktion, vor allem bei kleinzelligen Bronchialkarzinomen und intrakraniellen Neoplasien.
- Rezidivierende Hypoglykämien: Können durch Insulin (bei Insulinomen) oder insulinähnliche Substanzen (z.B. bei Leberzellkarzinomen, Fibrosarkomen) ausgelöst werden.
- Zollinger-Ellison-Syndrom: Durch Gastrin-produzierende Tumoren, oft Pankreaskarzinome.
Hämatologische und vaskuläre Paraneoplasien
Diese Syndrome betreffen das Blut, die Blutbildung und das Gerinnungssystem.
- Polyglobulie: Verursacht durch eine übermäßige Produktion von Erythropoetin, klassischerweise beim Nierenzellkarzinom.
- Thrombophlebitis migrans (Trousseau-Syndrom): Wiederkehrende Thrombosen durch gerinnungsfördernde Substanzen, häufig bei Pankreas- und Bronchialkarzinomen.
- Hämolytische Anämie: Durch Wärme- oder Kälteagglutinine, assoziiert mit Leukämien und Non-Hodgkin-Lymphomen.
- Aplastische Anämie: Kann durch fehlendes Erythropoetin bei einem Thymom entstehen.
- Verbrauchskoagulopathie (DIC): Generalisierte Aktivierung des Gerinnungssystems, z.B. bei akuten Leukämien.
Neuromuskuläre Paraneoplasien
Hierbei handelt es sich oft um autoimmunologische Reaktionen, die durch vom Tumor exprimierte Antigene ausgelöst werden.
- Myasthenia gravis: Verursacht durch Antikörper gegen Acetylcholinrezeptoren, stark assoziiert mit Thymomen.
- Lambert-Eaton-Myasthenes Syndrom (LEMS): Entsteht durch Antikörper gegen präsynaptische Kalziumkanäle und ist typisch für das kleinzellige Bronchialkarzinom.
- Dermatomyositis und Polymyositis: Entzündliche Muskelerkrankungen, die bei Bronchial-, Mamma- und Nierenzellkarzinomen auftreten können.
- Sensorische Polyneuropathie: Oft durch neuronale Antikörper ausgelöst, z.B. beim Bronchialkarzinom.
Kutane Paraneoplasien
Dies sind charakteristische Hautveränderungen, die im Zusammenhang mit einer malignen Erkrankung auftreten.
- Acanthosis nigricans maligna: Dunkle, samtartige Hautveränderungen, die oft mit Magen- und Uteruskarzinomen assoziiert sind.
- Akrokeratosis paraneoplastica (Bazex-Syndrom): Schuppende, rötlich-violette Läsionen an Fingern, Zehen, Nase und Ohren, typisch für Karzinome des oberen Atem- und Verdauungstrakts.
- Hypertrichosis lanuginosa acquisita: Plötzliches Wachstum von feinem Lanugohaar, beobachtet bei Bronchialkarzinomen und CLL.