Definition und Terminologie des Nierenzellkarzinoms
Das Nierenzellkarzinom (NZK), auch als Hypernephrom oder Grawitz-Tumor bekannt, ist ein maligner Tumor der Niere. Es handelt sich genauer um ein Adenokarzinom, das von den Tubuluszellen des Nierenepithels (Nephron) ausgeht. Charakteristisch für diesen Tumor ist die häufige Produktion von Hormonen, die zu paraneoplastischen Syndromen führen kann. Das Nierenzellkarzinom tritt fast immer einseitig auf.
Epidemiologie und Ätiologie
Der Altersgipfel für die Erkrankung liegt zwischen dem 55. und 70. Lebensjahr, während erbliche Formen bereits zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr auftreten können.
Risikofaktoren
Zu den wichtigsten Risikofaktoren für die Entstehung eines Nierenzellkarzinoms zählen:
- Rauchen
- Adipositas
- Chronische Exposition gegenüber toxischen Substanzen wie Trichlorethylen (als Berufskrankheit anerkannt) und Cadmium
- Langjährige Einnahme von Analgetika (außer ASS)
- Genetische Disposition, z.B. das Von-Hippel-Lindau-Syndrom
- Chronische oder terminale Niereninsuffizienz mit Dialysepflicht
- Arterielle Hypertonie und deren medikamentöse Behandlung
Einteilung und Histopathologie
Das Nierenzellkarzinom wird in verschiedene histopathologische Typen unterteilt, die sich in Häufigkeit und Prognose unterscheiden:
- Klarzelliges Nierenzellkarzinom: Dies ist mit über 80 % der Fälle der häufigste Typ. Es ist meist in der Nierenrinde lokalisiert und zeichnet sich durch große Zellen mit hellem, klarem Zytoplasma aus.
- Papilläres Nierenzellkarzinom: Macht etwa 15 % der Fälle aus und wird in Typ I und Typ II unterteilt.
- Chromophobes Nierenzellkarzinom: Etwa 5 % der Fälle, ausgehend vom distalen Tubulus.
- Ductus-Bellini-Karzinom (Sammelgangkarzinom): Ein seltener (ca. 1 %), aber sehr aggressiver Tumor, der von den Sammelrohren ausgeht.
Symptomatik
Im Frühstadium verläuft das Nierenzellkarzinom meist asymptomatisch und wird oft als Zufallsbefund entdeckt. Symptome treten in der Regel erst in fortgeschrittenen Stadien auf.
Spätsymptome
Die klassische Symptomtrias, die jedoch nur bei einem kleinen Teil der Patienten vollständig auftritt, umfasst:
- Schmerzlose Makrohämaturie (sichtbares Blut im Urin)
- Tastbarer abdomineller Tumor
- Kolikartige Flankenschmerzen (oft durch Blutgerinnsel im Nierenbecken verursacht)
Weitere unspezifische Symptome können Fieber, Gewichtsverlust und Müdigkeit sein. Metastasen können zu spezifischen Symptomen wie atraumatischen Knochenfrakturen führen.
Diagnostik und Staging
Klinische Untersuchung und Labor
Der Verdacht ergibt sich oft aus der Symptomatik. Bei der körperlichen Untersuchung kann eine abdominelle Raumforderung tastbar sein. Ein typisches, wenn auch seltenes Zeichen bei Männern ist eine neu aufgetretene Varikozele des linken Hodens, die durch eine Kompression der linken Vena renalis durch den Tumor entsteht. Die Labordiagnostik ist unspezifisch, kann aber eine Anämie, Polyglobulie, Leukozytose oder erhöhte Entzündungsparameter zeigen. Ein spezifischer Tumormarker existiert nicht.
Bildgebung zur Diagnosesicherung und Staging
Die Sonografie der Nieren ist oft das erste bildgebende Verfahren, bei dem der Tumor als solider, inhomogener und hypervaskularisierter Befund auffällt. Zur definitiven Diagnosesicherung, zur Beurteilung der lokalen Ausdehnung und zur Metastasensuche ist eine triphasische Kontrastmittel-Computertomographie (CT) des gesamten Abdomens der Goldstandard. Für das Staging von Fernmetastasen werden zusätzlich ein CT des Thorax (Lungenmetastasen) und ggf. ein MRT des Schädels (Hirnmetastasen) oder ein Ganzkörper-CT durchgeführt.
Metastasierung
Die Metastasierung erfolgt früh und überwiegend hämatogen (über die Blutbahn) über die Vena renalis. Die häufigsten Zielorgane sind Lunge, Leber, Knochen und das Gehirn. Eine lymphogene Metastasierung in die paraaortalen und parakavalen Lymphknoten ist seltener.
Therapie des Nierenzellkarzinoms
Grundprinzipien
Das Nierenzellkarzinom spricht schlecht auf klassische Chemotherapie und Strahlentherapie an. Daher ist die operative Entfernung des Tumors die Therapie der Wahl mit kurativer Absicht.
Therapie bei nicht-metastasiertem Tumor
Je nach Tumorgröße und -lage wird eine partielle oder radikale Nephrektomie durchgeführt. Die partielle (nierenerhaltende) Nephrektomie ist der Standard bei kleineren Tumoren (Stadium T1) oder bei Patienten mit nur einer funktionierenden Niere. Die radikale Nephrektomie umfasst die Entfernung der gesamten Niere samt umliegendem Fettgewebe.
Therapie bei metastasiertem Tumor
Bei Vorliegen einzelner (solitärer) Metastasen kann deren operative Entfernung sinnvoll sein. Bei multiplen Metastasen kommen systemische Therapien zum Einsatz, die auf das individuelle Risikoprofil abgestimmt sind. Hierzu gehören zielgerichtete Therapien wie Tyrosinkinasehemmer (z.B. Sunitinib), VEGF-Antikörper (z.B. Bevacizumab) oder mTOR-Inhibitoren (z.B. Temsirolimus).
Komplikationen: Paraneoplastische Syndrome
Durch die unkontrollierte Hormonproduktion des Tumors können verschiedene paraneoplastische Syndrome auftreten, die die Diagnostik und Therapie beeinflussen:
- Hyperkalzämie: Durch Produktion von Parathormon-related Protein (PTHrP).
- Polyglobulie: Durch übermäßige Produktion von Erythropoetin.
- Arterielle Hypertonie: Durch erhöhte Renin-Produktion.
- Cushing-Syndrom: Durch ektopische ACTH-Produktion.
- Stauffer-Syndrom: Eine nicht-metastatische hepatische Funktionsstörung.