Miktion: Physiologie der Blasenentleerung
Die Miktion, auch als Wasserlassen oder Blasenentleerung bezeichnet, ist der Vorgang der Entleerung der Harnblase. Dieser wird durch Dehnungsrezeptoren in der Blasenwand initiiert, die bei Füllung Signale an das Miktionszentrum in Rückenmark (S2-S3) und Pons senden, was zu Harndrang führt. Die Entleerung erfolgt durch die Kontraktion des M. detrusor vesicae und die Erschlaffung des inneren Schließmuskels (M. sphincter vesicae internus). Die willkürliche Kontrolle geschieht über die Entspannung des äußeren Schließmuskels (M. sphincter vesicae externus).
Symptome und Formen von Miktionsstörungen
Miktionsstörungen umfassen eine Vielzahl von Symptomen, die bei der Blasenentleerung auftreten. Die korrekte Einordnung ist entscheidend für Diagnose und Therapie.
Algurie und Dysurie
Die Algurie bezeichnet krampfartige, starke Schmerzen während des Wasserlassens und ist ein typisches Symptom für Entzündungen wie Zystitis, Urethritis oder Prostatitis. Die Dysurie ist ein breiterer Begriff, der eine Kombination aus Missempfindungen, brennenden Schmerzen und erschwertem Wasserlassen mit schwachem Harnstrahl oder verzögerter Entleerung beschreibt. Ursachen sind neben Harnwegsinfekten auch mechanische Hindernisse wie eine benigne Prostatahyperplasie (BPH), Harnröhrenstrikturen oder Tumoren.
Anurie und Oligurie
Diese Begriffe beschreiben eine stark reduzierte oder fehlende Urinproduktion und sind Leitsymptome einer Niereninsuffizienz.
- Anurie: Definiert als ein Urinvolumen von weniger als 100 ml pro 24 Stunden, begleitet von einer sonografisch leeren Harnblase.
- Oligurie: Definiert als ein Urinvolumen von weniger als 500 ml pro 24 Stunden. Eine Sonderform ist die funktionelle Oligurie bei Dehydratation, die durch Flüssigkeitszufuhr behoben werden kann.
Die Diagnostik umfasst die Anamnese (Grunderkrankungen, nephrotoxische Medikamente), eine körperliche Untersuchung zur Beurteilung des Volumenstatus, Labordiagnostik (Kreatinin, Harnstoff, Elektrolyte) und eine Nierensonografie. Komplikationen einer Anurie oder Oligurie sind Überwässerung mit Ödembildung, Urämie, Hyperkaliämie und eine metabolische Azidose.
Pollakisurie und Nykturie
Die Pollakisurie bezeichnet eine deutlich erhöhte Frequenz von Blasenentleerungen bei oft nur kleinen Urinmengen. Eine spezifische Form ist die Nykturie, das vermehrte nächtliche Wasserlassen, welches jedoch bei hoher Flüssigkeitszufuhr auch physiologisch sein kann.
Harnstau (Harnstauung)
Ein Harnstau ist die Stauung von Urin in den ableitenden Harnwegen aufgrund einer Obstruktion (z.B. durch Urolithiasis, BPS, Tumoren) oder Kompression von außen. Die Diagnostik erfolgt primär mittels Sonografie der Nieren, wobei der Schweregrad in vier Grade eingeteilt wird, basierend auf der Erweiterung von Nierenbecken und -kelchen sowie der Verschmälerung des Nierenparenchyms. Unbehandelt kann ein Harnstau zu einer Hydronephrose (Stauungsniere) und einer postrenalen Niereninsuffizienz führen.
Harnverhalt (Ischurie)
Der Harnverhalt, auch Harnretention genannt, ist die Unfähigkeit, die gefüllte Harnblase spontan zu entleeren. Der akute Harnverhalt ist ein urologischer Notfall, der mit starken Schmerzen im Unterbauch und massivem Harndrang einhergeht. Ursachen sind vielfältig und reichen von mechanischen Hindernissen (BPH, Strikturen) über neurogene Störungen (Diabetes, MS) bis hin zu Medikamentennebenwirkungen (Anticholinergika, Opioide).
Diagnostik und Therapie des Harnverhalts
Diagnostisch zeigt sich sonografisch eine prall gefüllte Harnblase. Die Differenzialdiagnose zur Anurie ist entscheidend, da bei der Anurie die Blase leer ist. Die Therapie des akuten Harnverhalts erfordert eine sofortige Ableitung des Urins, meist durch einen transurethralen Blasenkatheter. Bei kreislaufinstabilen Patienten muss die Entlastung fraktioniert und unter Überwachung erfolgen, um einen plötzlichen Blutdruckabfall zu vermeiden.
Weitere relevante Symptome
- Restharn: Nach der Miktion verbleibt eine relevante Menge Urin in der Blase. Dies erhöht das Risiko für Harnwegsinfektionen. Ursachen sind oft Blasenauslassobstruktionen wie die BPH.
- Schwacher Harnstrahl: Eine geringe Flussrate des Urins, oft begleitet von einem unterbrochenen Harnstrahl (Stakkatomiktion) oder Nachträufeln nach der Miktion.
- Abnormer Harngeruch: Kann auf Stoffwechselerkrankungen (azetonartig bei Ketoazidose), Infektionen (ammoniakalisch) oder Tumoren (faulig) hinweisen.