Definition der Liquordiagnostik
Die Liquordiagnostik umfasst die laborchemische und histologische Untersuchung des Liquor cerebrospinalis (auch Nervenwasser oder Rückenmarksflüssigkeit genannt). Die notwendige Probe wird mittels einer Lumbalpunktion aus dem Subarachnoidalraum entnommen.
Indikationen für eine Liquordiagnostik
Eine Untersuchung des Liquors ist bei verschiedenen neurologischen Symptomen und Krankheitsbildern indiziert, darunter fokal-neurologische Defizite, Bewusstseinsstörungen oder der Verdacht auf Infektionen und Entzündungen des Zentralnervensystems.
Verdacht auf Meningitis
Die Liquordiagnostik ist entscheidend zur Differenzierung zwischen bakterieller und viraler Meningitis.
- Bakterielle Meningitis: Typische Befunde sind ein makroskopisch eitriger, trüber Liquor. Laborchemisch zeigt sich eine starke Pleozytose mit massenhaft neutrophilen Granulozyten, erhöhtem Eiweiß, erhöhtem Laktat und erniedrigter Glukose. Die mikroskopische Untersuchung kann zur direkten Erregerbestimmung beitragen (z.B. Meningokokken, Pneumokokken).
- Virale Meningitis/Enzephalitis: Der Liquor ist in der Regel wasserklar. Die Laktat- und Glukosewerte sind typischerweise normwertig.
Multiple Sklerose (MS)
Bei Verdacht auf Multiple Sklerose ist der Nachweis von oligoklonalen Banden im Liquor, die im Serum nicht vorhanden sind, ein zentraler diagnostischer Marker. Dieser Befund ist bei über 95 % der Patienten positiv. Die Untersuchung dient auch der Verlaufs- und Therapiekontrolle.
Subarachnoidalblutung (SAB)
Bei Verdacht auf eine SAB, die im CT nicht sichtbar ist, kann die Liquordiagnostik entscheidend sein. Ein wichtiger Befund ist die Xanthochromie (Gelbfärbung) des Liquors, die etwa 12 Stunden nach der Blutung auftritt und durch den Abbau von Erythrozyten entsteht. Dies hilft, eine frische Blutung von einer artifiziellen Blutbeimengung durch die Punktion zu unterscheiden.
Guillain-Barré-Syndrom (GBS)
Für das GBS ist die sogenannte zytoalbuminäre Dissoziation pathognomonisch. Dies beschreibt einen deutlich erhöhten Proteingehalt im Liquor bei gleichzeitig normaler Zellzahl.
Liquordruckmessung
Die Messung des Liquordrucks während der Punktion ist wichtig bei Verdacht auf einen Pseudotumor cerebri (idiopathische intrakranielle Hypertension), bei dem typischerweise Druckwerte von über 250 mmH₂O gemessen werden. Der Normalwert liegt bei 70–200 mmH₂O. Ein erhöhter Druck kann auch auf Meningitis oder Blutungen hinweisen.
Intrathekale Medikamentengabe
Die Liquorpunktion dient nicht nur der Diagnostik, sondern auch der direkten Verabreichung von Medikamenten in den Liquorraum (intrathekale Therapie), z.B. bei Chemotherapien, schweren Infektionen oder zur Spastikbehandlung.
Kontraindikationen der Lumbalpunktion
Vor jeder Lumbalpunktion müssen mögliche Kontraindikationen sorgfältig geprüft werden, um schwere Komplikationen zu vermeiden.
Absolute Kontraindikationen
- Erhöhter Hirndruck: Es besteht die Gefahr einer Einklemmung. Eine Bildgebung (CT oder MRT) ist bei entsprechenden klinischen Zeichen zwingend erforderlich.
- Gerinnungsstörungen: Ein erhöhtes Risiko für ein spinales Hämatom besteht bei Thrombozytopenie oder Einnahme von Antikoagulanzien.
- Lokale Infektion an der Punktionsstelle: Es besteht die Gefahr der Keimverschleppung in den Liquorraum.
Relative Kontraindikationen
Zu den relativen Kontraindikationen zählen unter anderem kardiopulmonale Instabilität, schwere Wirbelsäulendeformitäten oder ein unkooperativer Patient.
Routineparameter und Referenzbereiche
Die Basisdiagnostik des Liquors umfasst mehrere Standardparameter.
- Aspekt: Physiologisch ist der Liquor wasserklar und farblos. Trübungen deuten auf eine hohe Zellzahl (Leukozyten), eine rötliche Färbung auf Erythrozyten hin.
- Zellzahl: Bei Erwachsenen liegt der Normalwert bei unter 4–5 Leukozyten/µl. Eine erhöhte Zellzahl wird als Pleozytose bezeichnet.
- Glukose: Der Liquor-Serum-Quotient für Glukose sollte über 0,5 liegen. Ein erniedrigter Wert ist typisch für bakterielle oder tuberkulöse Meningitiden.
- Laktat: Ein erhöhter Laktatwert (normal: 0,9–2,7 mmol/l) ist ein starker Hinweis auf eine bakterielle Meningitis.
- Gesamtprotein: Der Normalwert liegt unter 500 mg/l. Erhöhte Werte deuten auf eine Störung der Blut-Liquor-Schranke, eine Blutung oder eine intrathekale Synthese hin.