Ätiologie, Einteilung und Differenzialdiagnosen von Kopfschmerzen
In der Medizin werden Kopfschmerzen (Cephalgie) nach ihrer Ursache grundsätzlich in zwei Hauptgruppen eingeteilt: primäre und sekundäre Kopfschmerzerkrankungen. Diese Unterscheidung ist entscheidend für die korrekte Diagnose und Therapie.
Primäre Kopfschmerzerkrankungen
Primäre Kopfschmerzen sind eigenständige Erkrankungen, bei denen der Schmerz selbst das Krankheitsbild darstellt und keine andere Ursache zugrunde liegt. Sie machen mit etwa 90 % den Großteil aller Kopfschmerzbeschwerden aus. Zu den häufigsten Formen gehören:
- Spannungskopfschmerz (Kopfschmerz vom Spannungstyp)
- Migräne
- Clusterkopfschmerz
- Zervikogener Kopfschmerz
Sekundäre (symptomatische) Kopfschmerzen
Sekundäre Kopfschmerzen sind ein Symptom einer anderen zugrundeliegenden Erkrankung. Sie sind seltener, können aber auf potenziell gefährliche Zustände hinweisen. Eine besondere und häufige Form ist der Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch.
Sonderform: Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch (MOH)
Der Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch, auch Medication Overuse Headache (MOH), ist die dritthäufigste Kopfschmerzart und tritt häufiger bei Frauen auf. Veraltete Bezeichnungen sind analgetikainduzierter Kopfschmerz oder Analgetikakopfschmerz.
Die Diagnose basiert auf der Definition, dass Kopfschmerzen an mehr als 14 bzw. 15 Tagen pro Monat über mindestens drei Monate auftreten und durch den chronischen Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemedikamenten ausgelöst werden. Die genauen Kriterien für einen Übergebrauch hängen von der Substanz ab:
- Einnahme an > 15 Tagen pro Monat bei einfachen Analgetika wie Paracetamol, NSAR (z.B. Ibuprofen) oder ASS.
- Einnahme an > 10 Tagen pro Monat bei spezifischen Migränemitteln wie Triptanen und Mutterkornalkaloiden sowie bei Opioiden und Kombinationspräparaten.
Typischerweise beschreiben Patienten einen dauerhaften, dumpfen und beidseitigen (holokraniellen) Dauerkopfschmerz von leichter bis mittlerer Intensität. Bei vorbestehender Migräne kann die Einnahme von Triptanen paradoxerweise zu einer Zunahme der Migräneattacken führen.
Die entscheidende therapeutische Maßnahme ist das vollständige Absetzen aller ursächlichen Analgetika in Form einer „Medikamentenpause“ bzw. eines Entzugs. Bei Substanzen wie Opioiden oder Benzodiazepinen muss dies schrittweise durch Ausschleichen erfolgen. Nach dem Absetzen der Medikamente kommt es in der Regel zu einem Rückgang der Symptomatik auf die ursprüngliche Frequenz der Kopfschmerzen.
Weitere Ursachen sekundärer Kopfschmerzen
Neben dem MOH gibt es zahlreiche weitere Ursachen für sekundäre Kopfschmerzen, die eine sorgfältige differenzialdiagnostische Abklärung erfordern. Dazu gehören unter anderem:
- Vaskuläre Störungen (z.B. Subarachnoidalblutung, Aneurysmen)
- Meningitis
- Riesenzellarteriitis
- Akuter Glaukomanfall
- Intrakranielle Tumoren
- Hypertensive Krisen
- Rhinosinusitis (sinugener Kopfschmerz)
- Liquordruckveränderungen (Über- oder Unterdruck)
- Trigeminusneuralgie