Definition
Eine Hypokaliämie ist definiert als ein pathologisch niedriger Kaliumspiegel im Blutserum. Der Referenzwert für das Serum-Kalium liegt typischerweise unter 3,5–3,6 mmol/l.
Ätiologie
Die Ursachen einer Hypokaliämie lassen sich in drei Hauptkategorien einteilen: Kaliumverlust, Verteilungsstörungen und Pseudohypokaliämie.
Verlustbedingte Hypokaliämie
- Intestinaler Verlust: Häufig verursacht durch Diarrhö, Erbrechen, den chronischen Missbrauch von Laxanzien (Laxanzienabusus) oder Fisteln.
- Renaler Verlust: Kann durch verschiedene Faktoren ausgelöst werden, darunter:
- Medikamente: Insbesondere kaliuretische Diuretika (z.B. Furosemid) und Glucocorticoide.
- Endokrine Störungen: Primärer oder sekundärer Hyperaldosteronismus (z.B. Conn-Syndrom, Cushing-Syndrom) und Pseudohyperaldosteronismus.
- Nierenerkrankungen: Chronisch interstitielle Nephritiden und andere tubuläre Funktionsstörungen.
Verteilungshypokaliämie
Bei dieser Form, auch Redistributionshypokaliämie genannt, kommt es zu einer Verlagerung von Kalium aus dem Extrazellulärraum nach intrazellulär. Auslöser können Insulin (insbesondere bei der Therapie eines Coma diabeticum), β2-Rezeptoragonisten, ein erhöhter Sympathikotonus oder eine schwere Alkalose (z.B. durch chronisches Erbrechen) sein.
Pseudohypokaliämie
Hierbei handelt es sich um einen Messartefakt, der durch eine unsachgemäße Handhabung der Blutprobe entstehen kann.
Symptomatik
Die Symptome einer Hypokaliämie betreffen vor allem das neuromuskuläre und das kardiovaskuläre System.
Neuromuskuläre Symptome
- Muskelschwäche (Adynamie) und Muskelkrämpfe
- Abschwächung der Muskeleigenreflexe
- Obstipation, die bis zu einem paralytischen Ileus fortschreiten kann
Kardiovaskuläre Symptome
- Herzrhythmusstörungen wie ventrikuläre Arrhythmien und AV-Blockierungen (Grad II oder III).
- Eine verminderte Digitalisverträglichkeit, die das Risiko für toxische Effekte und Arrhythmien erhöht.
- Charakteristische EKG-Veränderungen.
Diagnostik
Die Diagnose stützt sich auf Anamnese, körperliche Untersuchung, Laborwerte und das EKG.
Labordiagnostik
Die Bestimmung der Serumelektrolyte bestätigt die Hypokaliämie. Zur Ursachenklärung wird die Kaliumausscheidung im Urin gemessen:
- Kalium im Urin > 25 mmol/l: Deutet auf einen renalen (durch die Nieren bedingten) Kaliumverlust hin.
- Kalium im Urin < 25 mmol/l: Spricht für eine extrarenale Ursache (z.B. intestinaler Verlust).
EKG
Das EKG ist entscheidend zur Beurteilung der kardialen Auswirkungen. Typische Veränderungen sind:
- Abflachung der T-Welle (Merksatz: "Kein Kalium, keine T-Welle")
- Senkung der ST-Strecke
- Auftreten einer U-Welle
- Bei schwerer Hypokaliämie kann es zu einer Verschmelzung von T- und U-Welle kommen.
Therapie
Die Behandlung zielt darauf ab, die Ursache zu beheben und den Kaliummangel auszugleichen.
Kausale Therapie
Dies beinhaltet die Behandlung der Grunderkrankung oder die Umstellung von kaliuretischen auf kaliumsparende Diuretika wie Spironolacton oder Amilorid.
Symptomatische Therapie: Kaliumsubstitution
Der Kaliumausgleich erfolgt je nach Schweregrad:
- Oral: Bei leichten Formen durch kaliumreiche Ernährung (Bananen, Tomaten) oder die Gabe von Kaliumsalzen.
- Intravenös (i.v.): Bei schwerer Hypokaliämie (< 2,5 mmol/l) mit EKG-Veränderungen besteht die Gefahr lebensbedrohlicher Arrhythmien. Die i.v.-Gabe muss daher unter kontinuierlicher EKG-Überwachung erfolgen. Um Venenreizungen zu vermeiden, sollte die Infusion über einen zentralvenösen Katheter (ZVK) mit max. 20 mmol/l oder stark verdünnt peripher-venös (max. 40 mmol/l) verabreicht werden.
Glukoselösungen sind kontraindiziert, da die induzierte Insulinausschüttung die Hypokaliämie kurzfristig verschlechtern kann.
Prävention
Bei Patienten mit erhöhtem Risiko, insbesondere unter Diuretika-Therapie, sind regelmäßige Kontrollen des Serumkaliums zur Vorbeugung essenziell.
Komplikationen
Die gefährlichste Komplikation ist die Entstehung von ventrikulären Tachyarrhythmien bis hin zum Kammerflimmern. Das Risiko ist besonders hoch bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit (KHK), linksventrikulärer Hypertrophie oder bei gleichzeitiger Einnahme von Digitalis oder Klasse-I-Antiarrhythmika.