Definition und Einteilung der Hyperthyreose
Die Hyperthyreose, auch Schilddrüsenüberfunktion genannt, ist ein pathologischer Zustand, bei dem die Schilddrüse vermehrt Schilddrüsenhormone (T3 und T4) produziert. Dies führt zu einem krankhaft gesteigerten Stoffwechsel im gesamten Organismus.
Einteilung nach dem Ort der Störung
- Primäre Hyperthyreose: Die Ursache liegt direkt in der Schilddrüse. Charakteristisch ist ein erniedrigter TSH-Wert (< 0,3 mU/L), da die Hypophyse versucht, die übermäßige Hormonproduktion zu drosseln.
- Sekundäre Hyperthyreose: Die Störung liegt außerhalb der Schilddrüse, meist in der Hypophyse. Hier ist der TSH-Wert typischerweise erhöht, was die Schilddrüse zu einer Überproduktion anregt.
Einteilung nach dem Grad der Manifestation
- Manifeste Hyperthyreose: Die freien Schilddrüsenhormone fT3 und fT4 sind im Blut erhöht. Die Patienten zeigen in der Regel deutliche Symptome.
- Subklinische (latente) Hyperthyreose: Nur der TSH-Wert ist erniedrigt, während fT3 und fT4 noch im Normbereich liegen. Symptome können fehlen oder nur sehr mild ausgeprägt sein.
Ursachen (Ätiologie) der Schilddrüsenüberfunktion
Ursachen der primären Hyperthyreose
Die häufigsten Ursachen für eine Störung direkt in der Schilddrüse sind:
- Autoimmunerkrankungen: Die häufigste Ursache ist der Morbus Basedow, bei dem Antikörper (TRAK) die Schilddrüse zur Hormonproduktion stimulieren.
- Funktionelle Autonomie: Schilddrüsenzellen produzieren unkontrolliert Hormone, unabhängig von der TSH-Stimulation. Dies tritt oft bei älteren Menschen auf und kann unifokal (autonomes Adenom), multifokal oder disseminiert sein.
- Entzündungen (Thyreoiditis): Eine passagere (vorübergehende) Hyperthyreose kann in der Anfangsphase einer Hashimoto-Thyreoiditis oder bei einer subakuten Thyreoiditis de Quervain auftreten.
- Medikamentös/Toxisch: Auslöser können eine übermäßige Jodzufuhr (z.B. durch jodhaltiges Kontrastmittel) oder Medikamente wie Amiodaron sein.
Ursachen der sekundären Hyperthyreose
Deutlich seltener liegt die Ursache außerhalb der Schilddrüse:
- TSH-produzierendes Hypophysenadenom (TSHom): Ein gutartiger Tumor der Hirnanhangsdrüse produziert unkontrolliert TSH.
- Schwangerschaftsassoziiert: Das Hormon hCG kann eine milde stimulierende Wirkung auf die Schilddrüse haben.
Symptomatik
Während die subklinische Hyperthyreose oft asymptomatisch verläuft, zeigt die manifeste Form ein breites Spektrum an Symptomen, die auf den gesteigerten Stoffwechsel zurückzuführen sind:
- Allgemein- und psychische Symptome: Innere Unruhe, Nervosität, Reizbarkeit, Schlafstörungen, Leistungsminderung und ein feinschlägiger Tremor.
- Kardiovaskuläre Symptome: Herzrasen (Tachykardie), Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern und Bluthochdruck.
- Stoffwechsel und Verdauung: Gewichtsverlust trotz gesteigertem Appetit, Wärmeintoleranz, vermehrtes Schwitzen (Hyperhidrose) und häufige, weiche Stuhlgänge bis hin zu Durchfall (Diarrhö).
- Haut und Haare: Warme, feuchte Haut, Haarausfall und brüchige Nägel.
- Spezifisch für Morbus Basedow: Exophthalmus (Hervortreten der Augäpfel), endokrine Orbitopathie.
Diagnostik
Labordiagnostik
Die Labordiagnostik ist entscheidend für die Diagnose und Differenzierung der Hyperthyreose. Die empfohlene Stufendiagnostik beginnt immer mit der Bestimmung eines Parameters:
- TSH (basal): Der sensitivste und wichtigste initiale Test. Ein erniedrigter Wert deutet auf eine primäre Hyperthyreose hin, ein erhöhter Wert auf eine sekundäre Form.
- fT3 und fT4: Werden bei pathologischem TSH-Wert bestimmt, um zwischen einer manifesten (Werte erhöht) und einer subklinischen (Werte normal) Hyperthyreose zu unterscheiden.
- Schilddrüsen-Autoantikörper: TSH-Rezeptor-Antikörper (TRAK) sind beweisend für einen Morbus Basedow. TPO-Antikörper können ebenfalls erhöht sein.
Bildgebende Verfahren
- Schilddrüsen-Sonografie: Dient zur Beurteilung von Größe, Struktur und Echogenität der Schilddrüse sowie zum Nachweis von Knoten.
- Schilddrüsen-Szintigrafie: Visualisiert die Stoffwechselaktivität des Schilddrüsengewebes. Sie ist essenziell zur Differenzierung von "heißen Knoten" (autonomes, hormonproduzierendes Gewebe) und "kalten Knoten" (stoffwechselinaktives, potenziell malignes Gewebe).
Therapie
Das Hauptziel der Therapie ist das Erreichen einer normalen, euthyreoten Stoffwechsellage.
Konservative (medikamentöse) Therapie
Die Erstbehandlung erfolgt in der Regel medikamentös mit Thyreostatika, welche die Hormonproduktion in der Schilddrüse hemmen (z.B. Thiamazol, Carbimazol). Zur schnellen Kontrolle von Symptomen wie Herzrasen werden oft zusätzlich Betablocker (z.B. Propranolol) eingesetzt.
Wichtiger Hinweis: Unter thyreostatischer Therapie besteht das Risiko einer Agranulozytose, einer lebensbedrohlichen Reduktion der weißen Blutkörperchen. Regelmäßige Blutbildkontrollen, insbesondere in den ersten Behandlungswochen, sind daher zwingend erforderlich.
Definitive Therapieverfahren
Wenn eine medikamentöse Therapie nicht zur dauerhaften Heilung führt oder nicht gewünscht ist, kommen definitive Verfahren zum Einsatz:
- Radiojodtherapie: Radioaktives Jod wird von den überaktiven Schilddrüsenzellen aufgenommen und zerstört diese gezielt von innen. Dies ist die Therapie der Wahl bei funktioneller Autonomie.
- Operative Therapie (Thyreoidektomie): Die teilweise oder vollständige Entfernung der Schilddrüse ist indiziert bei großer Struma mit Kompressionssymptomen, Malignomverdacht oder bei Unverträglichkeit anderer Therapien.
Komplikationen
Akute Komplikationen
- Thyreotoxische Krise: Eine lebensbedrohliche Exazerbation der Hyperthyreose mit Fieber, Tachykardie, Bewusstseinsstörungen bis zum Koma. Sie ist ein absoluter Notfall und erfordert eine sofortige intensivmedizinische Behandlung.
- Agranulozytose: Eine seltene, aber schwere Nebenwirkung der thyreostatischen Therapie.
Chronische Komplikationen
Auch eine unbehandelte subklinische Hyperthyreose birgt langfristige Risiken, insbesondere für ältere Patienten. Dazu zählen ein erhöhtes Risiko für Vorhofflimmern, Osteoporose (vor allem bei postmenopausalen Frauen) und eine erhöhte kardiovaskuläre Mortalität.