Hyperkaliämie: Definition und Einteilung
Eine Hyperkaliämie bezeichnet eine pathologisch erhöhte Konzentration von Kalium im Blut. Die genauen Grenzwerte sind nicht einheitlich definiert, jedoch spricht man in der Regel von einer Hyperkaliämie bei einem Serum-Kaliumwert von ≥ 5,0–5,2 mmol/l. Die Störung wird basierend auf dem Kaliumspiegel in drei Schweregrade eingeteilt:
- Leichte Hyperkaliämie: 5,0–5,9 mmol/l
- Mittelschwere Hyperkaliämie: 6,0–6,4 mmol/l
- Schwere Hyperkaliämie: ≥ 6,5 mmol/l
Milde Formen verlaufen oft asymptomatisch, während schwere Hyperkaliämien zu lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen bis hin zum Herzstillstand führen können.
Ursachen (Ätiologie)
Die häufigsten Ursachen für eine Hyperkaliämie lassen sich in drei Hauptmechanismen unterteilen:
- Verminderte renale Ausscheidung: Dies ist die häufigste Ursache, insbesondere bei akuter oder chronischer Niereninsuffizienz. Auch Medikamente, die das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) blockieren (z.B. ACE-Hemmer, Sartane, Aldosteronantagonisten), sowie ein Mangel an Aldosteron oder Insulin können die Kaliumausscheidung reduzieren.
- Freisetzung von Kalium aus den Zellen (Kaliumshift): Bei massivem Zellzerfall, wie bei einer Rhabdomyolyse, Hämolyse, Verbrennungen oder einem Tumorlyse-Syndrom, wird intrazelluläres Kalium in den Extrazellulärraum freigesetzt. Eine metabolische Azidose fördert diesen Prozess ebenfalls.
- Gesteigerte Kalium-Zufuhr: Eine übermäßige orale oder parenterale Zufuhr von Kalium, insbesondere bei gleichzeitig bestehender Niereninsuffizienz, kann zu einer Hyperkaliämie führen.
Diagnostik der Hyperkaliämie
Die Diagnostik umfasst neben der Bestimmung des Serum-Kaliums eine umfassende Laboranalyse (Blutgasanalyse, Nierenwerte, Elektrolyte) und vor allem die Ableitung eines Elektrokardiogramms (EKG).
Typische EKG-Veränderungen
Das EKG ist entscheidend zur Beurteilung der kardialen Auswirkungen. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass EKG-Veränderungen auch bei schweren Hyperkaliämien fehlen können. Typische Befunde sind:
- Zeltförmige, hohe und spitze T-Wellen
- Abflachung oder Verlust der P-Welle
- Verlängerung des PR-Intervalls (AV-Block I°)
- Verbreiterung des QRS-Komplexes
Therapie der schweren Hyperkaliämie
Eine schwere Hyperkaliämie (≥ 6,5 mmol/l) oder eine symptomatische Hyperkaliämie mit EKG-Veränderungen ist ein medizinischer Notfall, der eine sofortige stationäre Behandlung erfordert.
Notfalltherapeutische Maßnahmen
Die Notfalltherapie verfolgt drei Hauptziele, die oft simultan eingeleitet werden:
- Kardiale Membranstabilisierung: Die wichtigste Sofortmaßnahme bei EKG-Veränderungen ist die intravenöse Gabe von Calciumgluconat (z.B. 30 ml 10 %ige Lösung i.v.). Dies antagonisiert die kardiotoxischen Effekte des Kaliums am Herzen, senkt jedoch nicht den Serum-Kaliumspiegel.
- Verschiebung von Kalium nach intrazellulär: Um den Kaliumspiegel im Blut schnell zu senken, wird eine Insulin-Glukose-Infusion (z.B. 10 IE Insulin mit 25 g Glukose) verabreicht. Zusätzlich können Beta-2-Sympathomimetika wie Salbutamol (inhalativ) eingesetzt werden, um Kalium in die Zellen zu verschieben.
- Elimination von Kalium aus dem Körper: Schleifendiuretika (z.B. Furosemid) fördern die renale Kaliumausscheidung, sofern die Nierenfunktion erhalten ist. Bei terminaler Niereninsuffizienz oder therapierefraktärer Hyperkaliämie ist eine Notfall-Hämodialyse die effektivste Methode zur Kaliumelimination.
Differentialdiagnose: Pseudohyperkaliämie
Was ist eine Pseudohyperkaliämie?
Eine Pseudohyperkaliämie bezeichnet einen laborchemisch falsch hohen Kaliumwert, der nicht der tatsächlichen Konzentration im Blut des Patienten entspricht. Der gemessene Wert liegt dabei typischerweise > 0,4 mmol/l über dem tatsächlichen Plasmaspiegel.
Ursachen und Vorgehen
Die Ursache ist eine in-vitro-Hämolyse, also ein Zerfall von Blutzellen nach der Blutentnahme. Häufige Fehlerquellen sind:
- Zu lange venöse Stauung bei der Blutentnahme
- Zu starkes Vakuum bei der Aspiration
- Mechanische Belastung oder unsachgemäße Lagerung der Blutprobe
Besteht der Verdacht auf eine Pseudohyperkaliämie, insbesondere bei einem asymptomatischen Patienten ohne EKG-Veränderungen, ist eine umgehende Wiederholung der Blutuntersuchung unter korrekten Abnahmebedingungen zwingend erforderlich, um unnötige und potenziell schädliche Therapien zu vermeiden.