Einteilung der Hämaturie
Die Hämaturie wird klinisch nach der Menge des Blutes im Urin sowie nach dem Ursprungsort der Blutung klassifiziert. Diese Unterscheidung ist entscheidend für die weitere Diagnostik und Therapie.
Einteilung nach der Blutmenge
Die grundlegende Differenzierung erfolgt danach, ob das Blut im Urin mit bloßem Auge sichtbar ist oder nicht.
Mikrohämaturie
Bei einer Mikrohämaturie ist eine geringe Menge Blut im Urin vorhanden, die mit bloßem Auge nicht erkannt werden kann. Der Nachweis erfolgt ausschließlich labortechnisch. Definitionsgemäß liegt die Erythrozytenzahl über der Norm.
- Definition: Mikroskopisch werden mehr als 2 Erythrozyten pro Gesichtsfeld bei 400-facher Vergrößerung nachgewiesen.
- Epidemiologie: Eine vorübergehende Mikrohämaturie kann bei bis zu 50 % der gesunden Bevölkerung auftreten.
Eine weiterführende diagnostische Abklärung einer Mikrohämaturie ist insbesondere bei Vorliegen folgender Risikofaktoren indiziert:
- Patienten unter 40 Jahren mit Risikofaktoren
- Raucheranamnese
- Chronischer Schmerzmittelabusus
- Berufliche Exposition gegenüber aromatischen Aminen oder Nitrosaminen
- Makrohämaturie in der Vorgeschichte
- Zustand nach Strahlentherapie (Radiatio) des Beckens
Makrohämaturie
Die Makrohämaturie bezeichnet eine sichtbare Rotfärbung des Urins durch Blut. Sie ist immer ein abklärungsbedürftiges Symptom.
- Definition: Das Blut ist mit bloßem Auge sichtbar, was einer Konzentration von ca. 25.000 Erythrozyten pro Mikroliter (µl) oder mehr entspricht.
Einteilung nach dem Ort der Blutungsquelle
Die Lokalisierung der Blutungsquelle ist für die Differentialdiagnose von zentraler Bedeutung. Man unterscheidet glomeruläre von postglomerulären Ursachen.
Präglomeruläre Hämoglobinurie
Hierbei handelt es sich streng genommen nicht um eine Hämaturie (Ausscheidung von Erythrozyten), sondern um eine Hämoglobinurie (Ausscheidung von freiem Hämoglobin). Die Ursache liegt typischerweise in einer systemischen Hämolyse vor der Niere.
Glomeruläre Hämaturie
Die Blutungsquelle liegt in den Nierenkörperchen (Glomeruli). Typische Ursachen sind Glomerulonephritiden oder andere Glomerulopathien.
- Pathomechanismus: Erythrozyten werden durch die geschädigte glomeruläre Basalmembran gepresst. Dieser Prozess führt zu einer charakteristischen Verformung der roten Blutkörperchen (dysmorphe Erythrozyten, Akanthozyten), die im Urinsediment nachweisbar sind.
Postglomeruläre Hämaturie
Die Blutung entsteht nach den Glomeruli, also entweder im Nierenparenchym selbst (renal-postglomerulär) oder in den ableitenden Harnwegen (Ureter, Blase, Urethra).
- Renale postglomeruläre Ursachen: Hierzu zählen Infektionen wie die Pyelonephritis (Nierenbeckenentzündung) oder Nierentuberkulose sowie bestimmte Stoffwechselerkrankungen.
- Ursachen der ableitenden Harnwege: Dies ist eine sehr heterogene Gruppe. Wichtige Ursachen sind:
- Infektionen: Zystitis (Blasenentzündung), Ureteritis, Schistosomiasis.
- Neoplasien: Urothelkarzinom der Blase (Blasenkrebs), Tumoren der Prostata.
- Urolithiasis: Harnsteine in Niere, Harnleiter oder Blase.
- Trauma: Verletzungen der Harnwege.
- Entzündungen: Nicht-infektiöse Zystitiden (z.B. Strahlenzystitis) oder entzündliche Begleitreaktionen bei Appendizitis.