Definition: Gicht und Hyperurikämie
Gicht, auch als Arthritis urica bekannt, ist eine Stoffwechselerkrankung, die durch eine symptomatische Hyperurikämie gekennzeichnet ist. Eine Hyperurikämie allein, also ein erhöhter Harnsäurespiegel im Blut, ist noch keine Gicht. Die Gicht manifestiert sich erst, wenn die erhöhte Harnsäurekonzentration Symptome wie Gelenkentzündungen verursacht, die durch die Ausfällung von Uratkristallen im Gewebe entstehen.
- Hyperurikämie: Ein Harnsäurespiegel von über 7 mg/dl bei Männern und über 6 mg/dl bei Frauen.
- Gicht: Das Auftreten von klinischen Symptomen infolge der Hyperurikämie, insbesondere durch die Ablagerung von Uratkristallen in Gelenken und Geweben.
Ätiologie und Ursachen der Gichtarthropathie
Die Ursachen der Gicht werden in primäre und sekundäre Formen unterteilt.
Primäre Hyperurikämie/Gicht
Dies ist die häufigste Form und ist meist genetisch bedingt. In der Regel liegt eine verminderte Harnsäureausscheidung über die Nieren vor. Bestimmte Risikofaktoren können die Manifestation begünstigen:
- Purinreiche Ernährung (z.B. Fleisch, Innereien)
- Übermäßiger Alkoholkonsum
- Übergewicht (Adipositas)
Sekundäre Hyperurikämie/Gicht
Diese Form entsteht als Folge anderer Erkrankungen oder durch Medikamente, die den Harnsäurestoffwechsel beeinflussen. Beispiele hierfür sind das Tumorlysesyndrom nach einer Chemotherapie oder die Einnahme von Diuretika.
Symptomatik: Akuter Gichtanfall und chronische Gicht
Die klinische Symptomatik der Gicht verläuft in Stadien, vom akuten Anfall bis zur chronischen Form mit Gichtarthropathie.
Akuter Gichtanfall
Der akute Gichtanfall ist die schmerzhafte Erstmanifestation der Erkrankung. Typische Merkmale sind:
- Ein plötzlicher, massiver Schmerzbeginn, der charakteristischerweise nachts auftritt.
- Eine ausgeprägte Schwellung, Rötung und Überwärmung des betroffenen Gelenks.
Je nach betroffenem Gelenk werden spezifische Bezeichnungen verwendet:
- Podagra: Befall des Großzehengrundgelenks (häufigste Lokalisation).
- Chiragra: Befall eines Hand- oder Fingergelenks, typischerweise des Daumengrundgelenks.
- Gonagra: Befall des Kniegelenks.
Chronische Gicht
Bei unzureichender Behandlung kann die Gicht in ein chronisches Stadium übergehen, das durch folgende Merkmale gekennzeichnet ist:
- Gichttophi: Schmerzlose, harte Ablagerungen von Uratkristallen (Natriumurat) in Weichteilen, Knorpeln oder Knochen, oft an Ohrmuscheln, Händen und Füßen. Sie können zu Gelenkdestruktionen führen (chronische Gichtarthropathie).
- Uratnephropathie: Nierenschädigung durch Uratablagerungen im Nierengewebe, die zu einer chronischen Niereninsuffizienz führen kann.
- Uratnephrolithiasis: Bildung von Harnsäuresteinen in den Nieren.
Diagnostik
Die Diagnose eines akuten Gichtanfalls ist oft eine klinische Blickdiagnose. Zur Sicherung und zur Differenzialdiagnose werden weitere Untersuchungen durchgeführt.
Laboruntersuchungen
- Serum-Harnsäure: Achtung, bei etwa einem Drittel der Patienten ist der Harnsäurespiegel während eines akuten Gichtanfalls normal oder sogar erniedrigt. Ein normaler Wert schließt einen Anfall nicht aus.
- Entzündungsparameter: CRP und Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) sind typischerweise erhöht. Die Leukozytenzahl im Blut ist meist normal.
Weitere Diagnostik
- Gelenkpunktion: Der Goldstandard zur Diagnosesicherung ist der Nachweis von Harnsäurekristallen in der Synovialflüssigkeit. Dies ist jedoch nicht immer routinemäßig erforderlich, aber wichtig zur Abgrenzung einer septischen Arthritis.
- Bildgebung: Röntgenaufnahmen können bei chronischer Gicht Gelenkveränderungen und Tophi zeigen. Die Arthrosonografie kann das typische Doppelkonturzeichen nachweisen.
Therapie der Gicht
Die Behandlung unterscheidet sich grundlegend zwischen dem akuten Gichtanfall und der langfristigen Dauertherapie der chronischen Gicht.
Allgemeinmaßnahmen
Eine Anpassung des Lebensstils ist die Basis jeder Gichttherapie. Dazu gehören eine purinarme Diät, der Verzicht auf Alkohol, eine Gewichtsnormalisierung und eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr.
Therapie des akuten Gichtanfalls
Ziel ist die schnelle Linderung von Schmerz und Entzündung.
- Sofortmaßnahmen: Das betroffene Gelenk muss konsequent ruhiggestellt und gekühlt werden.
- Medikamentöse Therapie: Mittel der ersten Wahl sind hochdosierte nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) wie Naproxen oder Diclofenac, alternativ orale Glukokortikoide wie Prednisolon. Colchicin ist aufgrund seiner geringen therapeutischen Breite und Nebenwirkungen (Diarrhö) ein Reservemittel.
- Wichtige Kontraindikation: Die Gabe von Allopurinol ist im akuten Anfall kontraindiziert, da es durch die Mobilisierung von Harnsäuredepots den Anfall verschlimmern und verlängern kann.
Dauertherapie der chronischen Gicht
Eine harnsäuresenkende Dauertherapie ist indiziert bei wiederkehrenden Gichtanfällen (≥ 2 pro Jahr), bei Nachweis von Gichttophi oder einer Uratnephropathie.
- Medikamentöse Therapie: Mittel der ersten Wahl ist das Urikostatikum Allopurinol. Es hemmt die Bildung von Harnsäure.
- Therapiebeginn: Die Einstellung auf Allopurinol darf erst ein bis zwei Wochen nach vollständigem Abklingen eines akuten Gichtanfalls erfolgen, um Rezidive zu vermeiden. Zu Beginn kann eine Anfallsprophylaxe mit niedrig dosiertem NSAR sinnvoll sein.