Definitionen in der Epileptologie
Für das Verständnis der Epilepsie ist eine klare Abgrenzung der Begriffe entscheidend. Die Terminologie basiert auf den Richtlinien der International League Against Epilepsy (ILAE).
Epilepsie vs. epileptischer Anfall
- Eine Epilepsie ist eine chronische Erkrankung des Gehirns, die durch eine dauerhafte Prädisposition (Neigung) zur Entwicklung epileptischer Anfälle gekennzeichnet ist. Die Diagnose erfordert in der Regel das Auftreten von mindestens zwei unprovozierten Anfällen im Abstand von mehr als 24 Stunden oder eines Anfalls mit einem hohen Wiederholungsrisiko.
- Ein epileptischer Anfall (umgangssprachlich Krampfanfall) ist ein vorübergehendes Ereignis, das durch eine anfallsartige, exzessive und synchrone elektrische Aktivität von Neuronen im Gehirn verursacht wird. Ein einzelner Anfall bedeutet nicht zwangsläufig, dass eine Epilepsie vorliegt.
Epilepsiesyndrom
Ein Epilepsiesyndrom beschreibt eine charakteristische Konstellation von Befunden, die Anfallsart, EEG-Muster, Alter bei Beginn und Verlauf umfassen. Die Klassifikation in Syndrome hilft bei der Prognose und Therapieentscheidung.
Einteilung epileptischer Anfälle
Epileptische Anfälle werden primär nach ihrem Ursprungsort im Gehirn klassifiziert. Die grundlegende Unterscheidung erfolgt zwischen fokalen und generalisierten Anfällen.
Fokale (partielle) Anfälle
Fokale Anfälle gehen von einem umschriebenen Areal des Gehirns aus. Die Symptomatik ist entsprechend der betroffenen Hirnregion fokal. Man unterscheidet:
- Einfach-fokale Anfälle: Das Bewusstsein bleibt vollständig erhalten. Die Symptome können motorisch (z.B. klonische Zuckungen eines Arms), sensorisch oder visuell sein.
- Komplex-fokale Anfälle: Diese Anfälle sind mit einer Bewusstseinsstörung verbunden.
Ein fokaler Anfall kann sich sekundär zu einem generalisierten Anfall entwickeln (fokal zu bilateral tonisch-klonischer Anfall).
Generalisierte Anfälle
Bei generalisierten Anfällen ist von Beginn an das gesamte Gehirn von den neuronalen Entladungen betroffen. Die wichtigsten Formen sind der Grand-Mal- und der Petit-Mal-Anfall.
Grand-Mal-Anfall (Generalisierter tonisch-klonischer Anfall)
Der Grand-Mal-Anfall ist die dramatischste Anfallsform und verläuft typischerweise in Phasen:
- Iktale Phase: Charakteristisch sind ein plötzlicher Bewusstseinsverlust, eine tonische Versteifung gefolgt von klonischen (rhythmischen) Zuckungen am gesamten Körper, weite und lichtstarre Pupillen sowie vegetative Symptome. Häufig kommt es zu einem lateralen Zungenbiss, Einnässen (Urinabgang) und gelegentlich auch Stuhlabgang.
- Postiktale Phase: Nach dem Anfall folgt eine Phase der Erschöpfung mit Schläfrigkeit und Desorientierung, der sogenannte Terminalschlaf.
Petit-Mal-Anfall (Absence)
Diese Anfallsform tritt vor allem im Kindesalter auf und ist durch andere Symptome gekennzeichnet:
- Hauptmerkmal ist eine kurze Bewusstseinsstörung (Absence) von etwa 5 bis 30 Sekunden. Betroffene unterbrechen ihre Tätigkeit abrupt, wirken abwesend und nehmen die Tätigkeit danach nahtlos wieder auf.
- Es treten in der Regel keine motorischen Symptome auf.
- Im EEG zeigen sich typische 3/s-Spike-Wave-Komplexe.
- Therapie der ersten Wahl ist Ethosuximid.
Status epilepticus: Ein neurologischer Notfall
Der Status epilepticus ist die schwerwiegendste Komplikation der Epilepsie und erfordert sofortiges medizinisches Handeln.
Definition und Klinik
Ein Status epilepticus liegt vor, wenn ein epileptischer Anfall länger als 5 Minuten andauert oder wenn zwei oder mehr Anfälle aufeinanderfolgen, ohne dass der Patient dazwischen das Bewusstsein vollständig wiedererlangt. Dies stellt einen lebensbedrohlichen Zustand dar, der zu bleibenden Hirnschäden führen kann.
Therapie des Status epilepticus (Stufenschema)
Die Behandlung erfolgt nach einem klaren Stufenschema, um den Anfall so schnell wie möglich zu durchbrechen:
- Stufe 1 (Prähospital/sofort): Gabe eines Benzodiazepins. Mittel der Wahl bei vorhandenem i.v.-Zugang ist Lorazepam. Ohne i.v.-Zugang wird Midazolam intramuskulär, bukkal oder nasal verabreicht.
- Stufe 2 (Benzodiazepin-refraktär): Wenn der Anfall nach der Gabe von Benzodiazepinen nicht sistiert, erfolgt die Gabe eines Antikonvulsivums wie Levetiracetam, Valproat oder Phenytoin.
- Stufe 3 (Refraktärer Status): Bei weiterhin bestehenden Anfällen ist eine Intubationsnarkose auf einer Intensivstation mit Medikamenten wie Propofol oder Midazolam notwendig.