Endokarditis: Einteilung und Formen
Die Endokarditis ist eine Entzündung der Herzinnenhaut (Endokard), die primär die Herzklappen betrifft. Man unterscheidet grundsätzlich zwischen infektiösen und nicht-infektiösen Formen.
Infektiöse Endokarditis
Die infektiöse Endokarditis ist die häufigste Form und wird meist durch eine hämatogene Verschleppung von Bakterien verursacht. Zu den wichtigsten Risikofaktoren zählen intravenöser Drogenabusus, vorbestehende (rheumatische) Klappenschäden, Herzklappenprothesen sowie kürzlich durchgeführte operative oder zahnärztliche Eingriffe.
- Häufigste Erreger: Staphylokokken (ca. 35%, insbesondere Staphylococcus aureus) und Streptokokken (ca. 30%) sind die dominierenden Erreger. Enterokokken spielen ebenfalls eine wichtige Rolle.
- Akute bakterielle Endokarditis: Hierbei handelt es sich um ein septisches Krankheitsbild mit einem dramatischen und schnellen Verlauf. Sie führt oft zu einer raschen Zerstörung der Herzklappen (Endocarditis ulcerosa).
- Subakute bakterielle Endokarditis (Endocarditis lenta): Diese Form hat einen schleichenden, oft schubhaften Verlauf und wird durch Erreger mit geringerer Virulenz (z.B. Streptococcus viridans) verursacht. Sie tritt typischerweise an bereits vorgeschädigten Herzklappen auf.
Nicht-infektiöse (abakterielle) Endokarditis
Diese Formen sind seltener und haben meist eine autoimmune Ursache.
- Löffler-Endokarditis: Tritt im Rahmen eines hypereosinophilen Syndroms auf. Die Erkrankung durchläuft mehrere Stadien von einer eosinophilen Myokarditis über eine Thrombenbildung bis hin zu einer ausgeprägten endomyokardialen Fibrose, die in einer restriktiven Kardiomyopathie mündet.
- Endokarditis Libman-Sacks: Eine kardiale Manifestation des systemischen Lupus erythematodes (SLE), bei der sich Immunkomplexe und Fibrinthromben an den Herzklappen ablagern.
Symptomatik und klinische Zeichen
Die klinische Präsentation kann vielfältig sein. Zu den Leitsymptomen der akuten bakteriellen Endokarditis gehören:
- Unklares, oft hohes Fieber mit Schüttelfrost
- Allgemeine Symptome wie Leistungsminderung, Nachtschweiß und Gewichtsverlust
- Ein neu aufgetretenes oder im Charakter verändertes Herzgeräusch, meist als Zeichen einer neuen Klappeninsuffizienz
- Zeichen einer Herzinsuffizienz (z.B. Dyspnoe)
- Splenomegalie
Zusätzlich können periphere Manifestationen auftreten, die durch immunologische Prozesse oder Mikroembolien entstehen:
- Osler-Knötchen: Schmerzhafte, rötliche Knötchen an Finger- und Zehenkuppen (immunologisch bedingt).
- Janeway-Läsionen: Schmerzlose, hämorrhagische Läsionen an Handflächen und Fußsohlen (septische Mikroembolien).
- Splinter-Hämorrhagien: Kleine Einblutungen unter den Fingernägeln.
- Roth-Flecken: Retinale Blutungen, die bei der Ophthalmoskopie sichtbar sind.
Diagnostik der infektiösen Endokarditis
Bei Verdacht auf eine Endokarditis sind eine schnelle und gezielte Diagnostik entscheidend. Die Diagnose stützt sich auf klinische, mikrobiologische und bildgebende Befunde, die in den modifizierten DUKE-Kriterien zusammengefasst sind.
Zentrale diagnostische Säulen
- Blutkulturen: Die sofortige Abnahme von mindestens drei Paar Blutkulturen (jeweils aerob und anaerob) ist der wichtigste erste Schritt und muss zwingend vor Beginn der Antibiotikatherapie erfolgen.
- Echokardiografie: Die transthorakale Echokardiografie (TTE) ist die initiale Untersuchung. Bei unklarem Befund oder hohem Verdacht ist die transösophageale Echokardiografie (TEE) aufgrund ihrer höheren Sensitivität überlegen. Sie dient dem Nachweis von Vegetationen, Abszessen oder Klappendestruktionen.
DUKE-Kriterien
Die Diagnose einer infektiösen Endokarditis gilt als gesichert, wenn 2 Hauptkriterien, oder 1 Hauptkriterium und 3 Nebenkriterien erfüllt sind.
- Hauptkriterien:
- Positive Blutkulturen: Nachweis typischer Endokarditis-Erreger in mindestens zwei getrennt abgenommenen Blutkulturen.
- Positiver bildgebender Befund: Nachweis von Vegetationen, Abszessen, einer neuen Klappenprothesendehiszenz oder einer neuen Klappeninsuffizienz in der Echokardiografie.
- Nebenkriterien:
- Prädisposition: Vorhandensein einer prädisponierenden Herzerkrankung oder i.v.-Drogenabusus.
- Fieber: Körpertemperatur ≥ 38 °C.
- Vaskuläre Phänomene: Arterielle Embolien, septische Lungeninfarkte, Janeway-Läsionen, intrakranielle Blutungen.
- Immunologische Phänomene: Glomerulonephritis, Osler-Knötchen, Roth-Flecken, positiver Rheumafaktor.
- Mikrobiologischer Nachweis: Positive Blutkultur, die kein Hauptkriterium erfüllt, oder serologischer Nachweis einer relevanten Infektion.
Therapie
Die Therapie der Endokarditis ist komplex und erfordert eine interdisziplinäre Zusammenarbeit. Sie basiert auf einer hochdosierten, lang andauernden Antibiotikatherapie und in vielen Fällen einem operativen Eingriff.
Medikamentöse Therapie
Unmittelbar nach der Abnahme der Blutkulturen wird eine kalkulierte intravenöse Antibiotikatherapie begonnen. Die Auswahl der Substanzen richtet sich danach, ob eine native Herzklappe oder eine Klappenprothese betroffen ist und ob die Infektion ambulant oder nosokomial erworben wurde. Nach Erhalt des Antibiogramms wird die Therapie gezielt angepasst. Die Behandlungsdauer beträgt in der Regel 4 bis 6 Wochen.
Operativer Herzklappenersatz
Ein chirurgischer Eingriff ist häufig notwendig. Die wichtigsten Indikationen für einen operativen Klappenersatz sind:
- Herzinsuffizienz: Schwere, durch die Klappendestruktion verursachte Herzinsuffizienz.
- Unkontrollierte Infektion: Anhaltendes Fieber und Bakteriämie trotz adäquater Antibiose, perianuläre Abszesse oder Fisteln.
- Embolieprophylaxe: Große, mobile Vegetationen (>10 mm), insbesondere nach einem bereits stattgefundenen embolischen Ereignis.
- Aggressive Erreger: Infektionen durch Pilze oder multiresistente Bakterien.
Wichtige Komplikationen
Die Endokarditis ist mit einer hohen Morbidität und Letalität verbunden. Die schwerwiegendsten Komplikationen sind:
- Septische Embolien: Ablösung von infiziertem Material der Vegetationen kann zu Infarkten in verschiedenen Organen führen, insbesondere im Gehirn (ischämischer Schlaganfall), in der Milz, den Nieren oder den Koronararterien.
- Akute Herzinsuffizienz: Resultiert aus der Zerstörung von Herzklappen oder dem Abriss von Sehnenfäden.
- Nierenbeteiligung: Häufig tritt eine Immunkomplex-vermittelte Glomerulonephritis mit Hämaturie und Proteinurie auf.
- Lokale Ausbreitung der Infektion: Kann zu Myokarditis, Perikarditis oder der Bildung von Klappenringabszessen führen.