Definition und Epidemiologie der Eisenmangelanämie
Die Eisenmangelanämie, auch sideropenische Anämie genannt, ist eine Form der Blutarmut (Anämie), die durch einen Mangel an Eisen im Körper verursacht wird. Dies führt zu einer gestörten Hämoglobinsynthese und resultiert in einem charakteristischen hypochromen, mikrozytären Blutbild, bei dem die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) kleiner als normal und blasser sind. Sie ist mit etwa 80 % aller Fälle die häufigste Anämieform weltweit. Besonders betroffen sind Frauen im gebärfähigen Alter, aber auch Patienten mit chronischen Erkrankungen wie Herzinsuffizienz oder Nierenerkrankungen weisen eine erhöhte Prävalenz auf.
Ätiologie: Ursachen des Eisenmangels
Die Ursachen für eine Eisenmangelanämie lassen sich in drei Hauptkategorien einteilen:
- Verminderte Eisenzufuhr: Ein Mangel kann durch eine unzureichende Aufnahme über die Nahrung entstehen (z.B. bei Vegetariern) oder bei einem relativ erhöhten Bedarf, wie er bei Säuglingen, Kindern, Sportlern sowie in der Schwangerschaft und Stillzeit auftritt.
- Verminderte Eisenresorption: Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts wie Zöliakie, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa oder eine atrophische Gastritis können die Aufnahme von Eisen aus der Nahrung stören. Auch Zustände nach Magenresektionen können zu einer Malabsorption führen.
- Erhöhte Eisenverluste: Die häufigste Ursache sind chronische Blutverluste. Dazu zählen insbesondere genitale Blutungen bei Frauen (z.B. Hypermenorrhö) und gastrointestinale Blutungen, die auf Ulzera, Karzinome oder andere Läsionen hinweisen können. Auch wiederholte Blutspenden oder häufige Blutabnahmen können zu einem relevanten Eisenverlust führen.
Symptomatik
Die Symptome sind oft unspezifisch und entwickeln sich schleichend. Allgemeine Anämiesymptome umfassen Blässe, Leistungsminderung, Müdigkeit, Schwindel, Kopfschmerzen und Belastungsdyspnoe. Spezifisch für den Eisenmangel sind epitheliale Veränderungen:
- Haut und Nägel: Brüchige Nägel mit Rillenbildung, Hohlnägel (Koilonychie), trockene Haut und diffuser Haarausfall.
- Schleimhäute: Mundwinkelrhagaden, Zungenbrennen und eine atrophische Glossitis ("Lackzunge"). In ausgeprägten Fällen kann das Plummer-Vinson-Syndrom mit schmerzhafter Dysphagie auftreten.
Diagnostik der Eisenmangelanämie
Die Diagnostik stützt sich auf Anamnese, körperliche Untersuchung und vor allem auf die Labordiagnostik zur Bestätigung des Eisenmangels und zur Ursachensuche.
Labordiagnostik
Die typische Laborkonstellation bei einer manifesten Eisenmangelanämie zeigt charakteristische Veränderungen im Blutbild und im Eisenstoffwechsel:
- Blutbild: Hämoglobin (Hb) und Hämatokrit (Hkt) sind erniedrigt. Die Erythrozytenindizes MCV (mittleres korpuskuläres Volumen) und MCH (mittleres korpuskuläres Hämoglobin) sind ebenfalls erniedrigt, was das mikrozytäre, hypochrome Bild bestätigt.
- Eisenstatus:
- Serum-Ferritin: Ein erniedrigter Ferritinwert ist der wichtigste Parameter. Er gilt als Beweis für einen Eisenmangel, da Ferritin das Speichereisen des Körpers widerspiegelt. Bei gleichzeitig vorliegenden Entzündungen kann der Wert jedoch falsch-normal oder sogar erhöht sein.
- Transferrinsättigung (TSAT): Sie ist ebenfalls erniedrigt (typischerweise < 20 %) und gilt als zuverlässiger Indikator, da sie weniger von Entzündungen beeinflusst wird als Ferritin.
- Serumeisen: Der Wert für freies Eisen im Serum unterliegt starken Tagesschwankungen und ist allein nicht aussagekräftig.
- Transferrin: Als Reaktion auf den Mangel produziert die Leber vermehrt das Transportprotein Transferrin, weshalb dessen Konzentration im Serum erhöht ist.
- Blutausstrich: Mikroskopisch zeigen sich kleine, blasse Erythrozyten (Mikrozytose, Hypochromie), eine unterschiedliche Größe (Anisozytose) und Form (Poikilozytose) der Erythrozyten sowie typische Ringformen (Anulozyten).
Ursachensuche
Bei unklarer Genese, insbesondere bei Männern und postmenopausalen Frauen, ist eine weiterführende Diagnostik zum Ausschluss einer Blutungsquelle zwingend erforderlich. Dies umfasst in der Regel eine Gastroskopie und eine Koloskopie, um ein gastrointestinales Karzinom auszuschließen.
Therapie
Die Behandlung zielt primär auf die Beseitigung der Ursache des Eisenmangels ab. Parallel dazu erfolgt die Substitution von Eisen, um die Eisenspeicher wieder aufzufüllen.
Orale Eisentherapie
Die Standardtherapie ist die orale Gabe von zweiwertigem Eisen (Fe2+) in einer Dosis von 100–200 mg pro Tag. Die Einnahme sollte nüchtern erfolgen, um die Resorption zu maximieren. Eine häufige Herausforderung sind die Nebenwirkungen:
- Gastrointestinale Beschwerden: Sehr häufig treten Übelkeit, Bauchschmerzen oder Verstopfung auf. Bei starker Unverträglichkeit kann das Präparat zum Essen eingenommen werden, was jedoch die Aufnahme reduziert.
- Stuhlfärbung: Eine harmlose, aber wichtige Information für Patienten ist die dunkle bis schwarze Färbung des Stuhls.
Parenterale Eisentherapie
Eine intravenöse Eisengabe ist indiziert bei Unverträglichkeit oder Ineffektivität der oralen Therapie, bei schweren Resorptionsstörungen (z.B. bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen) oder wenn ein schneller Ausgleich erforderlich ist, wie bei schwerer Anämie oder bei Patienten mit chronischer Nieren- oder Herzinsuffizienz.
Therapiedauer und Kontrolle
Nach Beginn der Therapie sollte die Retikulozytenzahl nach etwa einer Woche ansteigen, der Hb-Wert folgt danach. Die Eisentherapie sollte nach Normalisierung des Hämoglobinwertes für weitere 3 bis 6 Monate fortgesetzt werden, um die Eisenspeicher vollständig aufzufüllen. Der Therapieerfolg wird durch Kontrollen von Blutbild und Ferritin überwacht.