Definition der Elektroenzephalografie
Die Elektroenzephalografie (EEG) ist eine nicht-invasive Methode zur kontinuierlichen Messung der elektrischen Aktivität des Gehirns. Dies geschieht durch die Aufzeichnung von Spannungsschwankungen, die an der Kopfoberfläche abgeleitet werden.
Indikationen für ein EEG
Das EEG ist ein zentrales diagnostisches Werkzeug in der Neurologie mit einem breiten Indikationsspektrum:
- Epileptische Erkrankungen: Das EEG dient der Erkennung epilepsietypischer Potentiale (z.B. Spike-Wave-Komplexe) und hilft bei der Klassifikation von Anfallstypen (fokal vs. generalisiert), der Syndrom- und Statusdiagnostik. Es wird auch zur Überwachung der Therapie mit Antiepileptika und in der präoperativen Diagnostik bei therapieresistenter Epilepsie eingesetzt.
- Bewusstseinsstörungen: Typische Befunde umfassen das Alpha-Koma-Muster, Theta-Delta-Verlangsamungen, triphasische Wellen oder ein Burst-Suppression-Muster.
- Verlaufskontrolle bei Koma und Hirntoddiagnostik: Zur Feststellung des Hirntods ist eine Ableitungsdauer von mindestens 30 Minuten erforderlich, die ein nullliniennahes EEG (<2µV) zeigen muss. Bei primär supratentoriellen Schädigungen sind zwei EEGs im Abstand von 24 Stunden nötig, bei sekundärer Hirnschädigung genügt eine Ableitung. Zusätzlich müssen Reaktivitätsprüfungen durchgeführt und reversible Ursachen ausgeschlossen werden.
- Schlafstörungen: Das EEG klassifiziert die verschiedenen Schlafstadien (N1, N2, N3, REM-Schlaf) und identifiziert spezifische Phänomene wie K-Komplexe und Schlafspindeln sowie pathologische Muster.
- Weitere Indikationen: Hirntumoren, Entzündungen (z.B. Enzephalitis), neurodegenerative Erkrankungen, zerebrale Insulte, metabolische Enzephalopathien, vaskuläre Erkrankungen, Entwicklungsstörungen bei Kindern sowie therapieresistente Kopfschmerzen.
Verfahren und technische Aspekte
Vorteile des EEG
- Schmerzlos und nicht-invasiv
- Beliebig wiederholbar ohne Belastung für den Patienten
- Keine Strahlenbelastung
- Zeigt die funktionelle Aktivität des Gehirns, nicht nur die Struktur
Technische Grundlagen
- Sehr hohe zeitliche Auflösung im Millisekunden-Bereich.
- Abgeleitet werden die postsynaptischen Potentiale der Pyramidenzellen im Kortex.
- Für ein messbares Signal ist die synchrone Aktivität von mindestens 1 cm² Kortexoberfläche erforderlich.
Durchführung der Untersuchung
Elektrodenplatzierung nach dem 10-20-System
Die Platzierung der Elektroden folgt dem internationalen 10-20-System, einem standardisierten Schema, das eine reproduzierbare Ableitung gewährleistet. Dabei werden 21 Elektroden anhand anatomischer Landmarken (Nasion und Inion) auf der Kopfhaut positioniert. Die Abstände zwischen den Elektroden betragen jeweils 10 % oder 20 % der gemessenen Distanzen. Elektroden auf der linken Hemisphäre erhalten ungerade Ziffern, jene auf der rechten gerade Ziffern.
Provokationsmethoden
Um pathologische Potentiale, insbesondere bei Epilepsie, zu provozieren, werden standardisierte Methoden eingesetzt:
- Hyperventilation: Forciertes Atmen für 3-5 Minuten.
- Fotostimulation: Lichtblitze mit verschiedenen Frequenzen.
- Schlafentzug: Der Patient bleibt mindestens 24 Stunden vor der Ableitung wach.
EEG-Wellen und ihre Bedeutung
Alpha-Wellen (8-13 Hz)
Treten typischerweise bei entspannter Wachheit mit geschlossenen Augen auf und werden durch Augenöffnen unterdrückt (Berger-Effekt).
Beta-Wellen (14-30 Hz)
Charakteristisch für aktive Konzentration, geistige Anspannung und den REM-Schlaf.
Theta-Wellen (4-8 Hz)
Physiologisch im Zustand der Schläfrigkeit sowie bei Säuglingen und Kleinkindern. Sie dominieren die Schlafstadien N1 und N2.
Delta-Wellen (0,5-4 Hz)
Die langsamsten Wellen, die physiologisch im Tiefschlaf (N3) und im Säuglingsalter auftreten. Im Wachzustand sind sie ein Hinweis auf eine zerebrale Dysfunktion.
Gamma-Wellen (30-100 Hz)
Assoziiert mit starker geistiger Anstrengung, Lernprozessen und erhöhter Aufmerksamkeit.
Interpretation und Befundung
Pathologische Muster
- Epileptische Aktivität: Hierzu zählen Spike-Wave-Komplexe, Polyspikes, Sharp-slow-wave-Komplexe und der elektrische Status epilepticus im Schlaf (ESES).
- Andere Pathologien: Allgemeine Verlangsamung der Grundaktivität, Herdbefunde, asymmetrische Aktivität, triphasische Wellen, Burst-Suppression-Muster und periodische lateralisierte epileptiforme Entladungen (PLEDs).
Artefakte
Die korrekte Interpretation erfordert die Unterscheidung von zerebralen Signalen und Störsignalen (Artefakten):
- Biologische Artefakte: Muskelaktivität (EMG), Herzschlag (EKG), Augenbewegungen (Lidschlag), Schwitzen und Zungenbewegungen.
- Technische Artefakte: Schlechter Elektrodensitz, defekte Kabel oder elektromagnetische Störungen aus der Umgebung.