Definitionen: Diarrhö, Pseudodiarrhö und Steatorrhö
Diarrhö, umgangssprachlich als Durchfall bezeichnet, ist ein Symptom und keine eigenständige Krankheit. Die medizinische Definition ist präzise und basiert auf quantitativen Kriterien.
- Diarrhö (Durchfall): Definiert als Stuhlgang, der zu häufig (mehr als dreimal pro Tag), in zu großer Menge (über 250 g pro Tag) und mit zu flüssiger Konsistenz (über 75 % Wasseranteil) auftritt.
- Pseudodiarrhö: Hierbei handelt es sich um eine erhöhte Stuhlfrequenz bei normaler Stuhlkonsistenz und -menge.
- Steatorrhö (Fettstuhl): Dies beschreibt eine erhöhte Fettausscheidung mit dem Stuhl (über 7 g pro Tag). Häufige Ursachen sind eine exokrine Pankreasinsuffizienz (z.B. bei chronischer Pankreatitis) oder eine glutensensitive Enteropathie (Zöliakie).
Einteilung der Diarrhö
Die Klassifikation von Durchfallerkrankungen erfolgt nach der Dauer und dem zugrundeliegenden Pathomechanismus.
Einteilung nach Dauer
- Akute Diarrhö: Dauer bis zu 3 Wochen.
- Chronische Diarrhö: Dauer von mehr als 3 Wochen.
Einteilung nach Pathogenese
Je nach Ursache lassen sich verschiedene Formen der Diarrhö unterscheiden:
- Paradoxe Diarrhö: Diese Form ist klinisch besonders relevant. Sie beschreibt häufige, flüssige Stuhlgänge bei normaler oder sogar verminderter Stuhlmenge. Dies ist ein wichtiger Hinweis auf eine Obstruktion im Kolon oder Rektum, z.B. durch Kolontumoren, eine Koprostase (Kotstauung) bei älteren, bettlägerigen Patienten oder andere stenosierende Prozesse. Durch bakterielle Gärungsprozesse und vermehrte Schleimsekretion vor der Engstelle verflüssigt sich der Stuhl und kann die Stenose passieren.
- Osmotische Diarrhö: Verursacht durch osmotisch aktive, hypertone Substanzen im Darmlumen, die Wasser anziehen. Typische Auslöser sind Laktose- oder Fruktoseintoleranz, der Verzehr von Zuckeraustauschstoffen wie Sorbit oder eine chronische Pankreasinsuffizienz.
- Sekretorische Diarrhö: Entsteht durch eine vermehrte Sekretion von Elektrolyten und Flüssigkeit in das Darmlumen. Dies führt zu sehr wässrigen Durchfällen. Ursachen sind u.a. bakterielle Enterotoxine (z.B. von ETEC), Laxanzienabusus oder neuroendokrine Tumoren.
- Entzündlich-exsudative Diarrhö: Folge von Schleimhautschäden (Mukosaschäden). Bei Infektionen mit invasiven Erregern (z.B. Campylobacter, EHEC, Shigellen) spricht man von einer "invasiven Diarrhö", die oft mit blutigem oder schleimigem Stuhl und kolikartigen Schmerzen einhergeht. Auch chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, insbesondere die Colitis ulcerosa, verursachen diese Form.
- Hypermotile Diarrhö: Ausgelöst durch eine gesteigerte Darmmotilität. Häufige Ursachen sind das Reizdarmsyndrom, eine Hyperthyreose oder psychischer Stress.
Ätiologie (Ursachen)
Die Ursachen für Durchfall sind vielfältig und unterscheiden sich je nachdem, ob es sich um eine akute oder chronische Form handelt.
Ursachen der akuten Diarrhö
- Infektionen: Häufigste Ursache, meist viral oder bakteriell.
- Toxische Ursachen: Lebensmittel- oder Pilzvergiftungen.
- Medikamente: Zahlreiche Arzneimittel können als Nebenwirkung Durchfall auslösen.
- Psychische Ursachen: Angstzustände und Stress.
Ursachen der chronischen Diarrhö
- Medikamente: Langzeiteinnahme von z.B. Antibiotika (kann zu pseudomembranöser Kolitis führen), Laxanzien, Zytostatika oder PPI.
- Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED): Morbus Crohn und Colitis ulcerosa.
- Malassimilationssyndrome: Störungen der Verdauung (Maldigestion, z.B. bei chronischer Pankreatitis) oder der Nährstoffaufnahme (Malabsorption, z.B. bei Zöliakie).
- Funktionelle Störungen: Insbesondere das Reizdarmsyndrom.
- Neoplasien: z.B. das kolorektale Karzinom.
- Endokrine Erkrankungen: z.B. Hyperthyreose oder hormonproduzierende Tumoren (Karzinoid, Gastrinom).
- Nahrungsmittelunverträglichkeiten: z.B. Laktoseintoleranz.
Diagnostik
Die diagnostische Abklärung beginnt mit einer sorgfältigen Anamnese und körperlichen Untersuchung.
Anamnese
Wichtige Fragen betreffen:
- Stuhlanamnese: Frequenz, Konsistenz (flüssig, breiig), Farbe und Beimengungen (Blut, Schleim, Eiter, Fettglanz).
- Begleitsymptome: Fieber, Erbrechen, Bauchschmerzen, Gewichtsverlust.
- Medikamentenanamnese: Insbesondere Antibiotika, Laxanzien, Zytostatika.
- Weitere Faktoren: Auslandsreisen, Erkrankungen im Umfeld, Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme.
Körperliche Untersuchung (KU)
Die Untersuchung fokussiert sich auf:
- Beurteilung des Allgemein- und Hydratationszustands: Achten auf Zeichen der Exsikkose (Austrocknung) wie stehende Hautfalten oder trockene Schleimhäute.
- Untersuchung des Abdomens: Palpation auf Druckschmerzhaftigkeit oder Resistenzen, Auskultation der Darmgeräusche.
- Digitale rektale Untersuchung: Zur Inspektion des Stuhls und zum Ausschluss von Tumoren im Rektum.
Je nach Befund können weitere Untersuchungen wie eine Erregerdiagnostik aus einer Stuhlprobe oder ein Toxinnachweis (z.B. für Clostridien) erforderlich sein.
Therapie
Die Behandlung richtet sich nach der zugrundeliegenden Ursache. Bei der häufigsten Form, der akuten Diarrhö, stehen symptomatische Maßnahmen im Vordergrund.
- Akute Diarrhö: Ist meist selbstlimitierend. Die wichtigste Maßnahme ist die adäquate Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution, um eine Dehydratation zu verhindern. Symptomatisch kann bei Bedarf Loperamid zur Hemmung der Darmmotilität eingesetzt werden.
- Chronische Diarrhö: Erfordert eine gezielte Therapie der Grunderkrankung nach abgeschlossener Diagnostik.