Terminologie und Definition der diabetischen Nephropathie
Die diabetische Nephropathie, auch als diabetische Nierenerkrankung, diabetische Glomerulosklerose oder Kimmelstiel-Wilson-Syndrom bezeichnet, ist eine schwerwiegende Folgeerkrankung eines langjährigen Diabetes mellitus. Sie stellt eine Manifestation der diabetischen Mikroangiopathie dar, bei der es zu einer fortschreitenden Schädigung der kleinen Blutgefäße in den Nieren kommt. Betroffen sind hierbei vor allem die renalen Arteriolen und die Kapillaren der Nierenkörperchen (Glomeruli). Mit einer Lebenszeitprävalenz von etwa 30 % bei Diabetikern ist sie eine der häufigsten Ursachen für eine terminale Niereninsuffizienz.
Einteilung und Pathologie
Die Einteilung der diabetischen Nephropathie erfolgt sowohl klinisch als auch histopathologisch, um den Schweregrad und die zugrunde liegenden strukturellen Veränderungen zu beschreiben.
Klinische Einteilung nach NVL
Gemäß der Nationalen Versorgungsleitlinie (NVL) wird die Erkrankung basierend auf der glomerulären Filtrationsrate (GFR) und dem Ausmaß der Albuminausscheidung im Urin (Albuminurie) in Stadien eingeteilt:
- Stadium I: Nierenschädigung bei noch normaler Nierenfunktion (GFR > 90 ml/min). Dieses Stadium wird weiter unterteilt in Ia (Mikroalbuminurie) und Ib (Makroalbuminurie).
- Stadium II: Nierenschädigung mit bereits eingetretener Niereninsuffizienz (GFR < 90 ml/min). Die Unterteilung reicht von einer leichtgradigen (GFR 60–89 ml/min) über eine mäßig- bis hochgradige bis hin zu einer terminalen Niereninsuffizienz (GFR < 15 ml/min).
Histopathologische Formen
Die feingeweblichen Veränderungen lassen sich in zwei Hauptformen unterteilen:
- Diffuse Form: Charakterisiert durch eine diffuse Verdickung der glomerulären Basalmembran und eine Verbreiterung der Mesangiummatrix.
- Noduläre Form: Diese entwickelt sich aus der diffusen Form und ist durch typische noduläre Läsionen im Mesangium (Kimmelstiel-Wilson-Knötchen), Mikroaneurysmen und eine Hyalinose der zuführenden und abführenden Arteriolen gekennzeichnet.
Therapie und Management
Das therapeutische Management zielt darauf ab, die Progression der Nierenschädigung zu verlangsamen und Komplikationen zu vermeiden. Regelmäßiges Screening mittels Albumin-Kreatinin-Quotient und GFR-Bestimmung ist hierfür unerlässlich.
Behandlung der Grunderkrankungen
Die konsequente Therapie der zugrunde liegenden Erkrankungen ist der Eckpfeiler der Behandlung:
- Einstellung des Blutdrucks: Ein Zielblutdruck von < 140/90 mmHg ist essenziell. Bei Vorliegen einer signifikanten Proteinurie (> 1 g/d) wird ein strengerer Zielwert von < 125/75 mmHg angestrebt. Als Medikamente der ersten Wahl gelten ACE-Hemmer oder AT1-Rezeptor-Antagonisten, da sie neben der Blutdrucksenkung eine eigenständige nephroprotektive Wirkung entfalten.
- Blutzuckerkontrolle: Ein HbA1c-Zielwert im Korridor von 6,5–7,5 % ist anzustreben, um das Fortschreiten der Nephropathie zu verlangsamen.
Allgemeine nephroprotektive Maßnahmen
Zusätzlich zur medikamentösen Therapie sind allgemeine Maßnahmen zum Schutz der Nierenfunktion von großer Bedeutung. Dazu gehören Nikotinkarenz, eine salz- und proteinarme Ernährung, das Meiden von potenziell nierenschädigenden Substanzen (z.B. NSAR) und die umgehende Behandlung von Harnwegsinfekten.
Komplikationen und Prognose
Ohne adäquate Therapie kann die diabetische Nephropathie zu einem nephrotischen Syndrom und einer fortschreitenden chronischen Niereninsuffizienz führen, die letztlich eine Nierenersatztherapie (Dialyse) erforderlich macht. Die Prognose ist eng mit der Qualität der Blutzucker- und Blutdruckeinstellung verknüpft. Eine konsequente Therapie mit einem HbA1c-Wert unter 7 % kann das Fortschreiten der Nierenschädigung nachweislich aufhalten und hat somit einen entscheidenden Einfluss auf die Lebenserwartung der Betroffenen.