Definition des Cushing-Syndroms
Das Cushing-Syndrom, auch als Hyperkortisolismus bezeichnet, beschreibt die klinischen Folgen eines chronisch erhöhten Kortisolspiegels im Körper. Es handelt sich um eine Erkrankung, die durch eine langanhaltende Exposition gegenüber hohen Konzentrationen des Stresshormons Kortisol verursacht wird.
Ätiologie: Ursachen des Hyperkortisolismus
Die Ursachen des Cushing-Syndroms werden in exogene und endogene Formen unterteilt, wobei die exogene Ursache die mit Abstand häufigste ist.
Exogene (iatrogene) Ursachen
Die häufigste Ursache ist eine iatrogene, also durch ärztliche Behandlung verursachte, Langzeittherapie mit Glukokortikoiden (z.B. Prednisolon) oder seltener mit ACTH. Ein entscheidender Faktor ist hierbei die sogenannte Cushing-Schwelle, die Dosis, ab der ein hohes Risiko für die Entwicklung eines exogenen Cushing-Syndroms besteht. Diese liegt bei etwa 7,5 mg Prednisolonäquivalent pro Tag, ist jedoch individuell sehr unterschiedlich.
Endogene Ursachen
Endogene Ursachen sind selten und meist auf autonome Tumoren zurückzuführen. Man unterscheidet:
- ACTH-abhängiges Cushing-Syndrom: Hierbei ist der ACTH-Spiegel erhöht. Die häufigste Form ist der Morbus Cushing, verursacht durch ein ACTH-produzierendes Mikroadenom des Hypophysenvorderlappens. Seltener ist das ektope Cushing-Syndrom, bei dem ein Tumor außerhalb der Hypophyse (z.B. ein kleinzelliges Bronchialkarzinom) paraneoplastisch ACTH produziert.
- ACTH-unabhängiges Cushing-Syndrom: Hierbei ist der ACTH-Spiegel niedrig bzw. supprimiert. Die Ursache liegt direkt in der Nebenniere (adrenales Cushing-Syndrom), meist durch ein kortisolproduzierendes Adenom oder Karzinom.
Symptomatik und klinisches Bild
Die Symptome des Cushing-Syndroms sind vielfältig und spiegeln die Effekte des Kortisolüberschusses auf verschiedene Organsysteme wider.
Leitsymptome
Die klinische Diagnose stützt sich auf charakteristische Leitsymptome, die bei Patienten oft kombiniert auftreten:
- Stammfettsucht: Fetteinlagerung am Körperstamm bei gleichzeitig schmalen Extremitäten.
- "Vollmondgesicht": Rundes, aufgedunsenes Gesicht.
- Arterielle Hypertonie: Erhöhter Blutdruck.
- Muskelschwäche und -atrophie: Besonders an den Extremitäten durch vermehrten Eiweißabbau.
Weitere charakteristische Symptome
- Hautveränderungen: Hautatrophie ("Pergamenthaut"), Striae rubrae/distensae (rötlich-violette Dehnungsstreifen), schlechte Wundheilung und erhöhte Neigung zu Hämatomen.
- Metabolische Störungen: Glukokortikoidinduzierter Diabetes mellitus, Hyperlipidämie und Hypokaliämie.
- Knochenstoffwechsel: Osteoporose mit erhöhtem Frakturrisiko.
- Psychische Veränderungen: Depression, Dysphorie, Libidoverlust und Impotenz.
- Bei hohem ACTH-Spiegel: Zusätzlich können durch eine gesteigerte Androgenproduktion Symptome wie Akne, Hirsutismus und Zyklusstörungen bei Frauen auftreten. Eine Hyperpigmentierung der Haut ist typisch für die ektope ACTH-Produktion.
Diagnostik
Die Diagnostik zielt darauf ab, den Hyperkortisolismus zu bestätigen und anschließend seine Ursache zu lokalisieren.
Labordiagnostik zur Bestätigung
Der erste Schritt ist der Nachweis des erhöhten Kortisolspiegels. Folgende Tests sind etabliert:
- Niedrigdosierter Dexamethason-Hemmtest (Kurztest): Dies ist der wichtigste Screening-Test. Nach abendlicher Gabe von 1 mg Dexamethason wird am nächsten Morgen das Plasmakortisol gemessen. Bei gesunden Personen wird die körpereigene Kortisolproduktion unterdrückt. Ein fehlender Abfall des Kortisolspiegels bestätigt den Verdacht auf ein Cushing-Syndrom.
- Bestimmung des freien Kortisols im 24-Stunden-Urin: Ein deutlich erhöhter Wert ist ein starker Hinweis.
- Kortisol-Tagesprofil (Speichel oder Plasma): Typischerweise ist die zirkadiane Rhythmik mit dem nächtlichen Abfall des Kortisols aufgehoben.
Differenzialdiagnostik zur Ursachenklärung
Nach der Bestätigung des Hyperkortisolismus wird die Ursache ermittelt:
- Basale ACTH-Bestimmung: Ein erniedrigter/supprimierter ACTH-Wert spricht für ein adrenales (ACTH-unabhängiges) Cushing-Syndrom. Ein normaler oder erhöhter Wert deutet auf eine ACTH-abhängige Form hin.
- Hochdosierter Dexamethason-Hemmtest und CRH-Test: Diese Tests helfen bei der Unterscheidung zwischen einem zentralen (Morbus Cushing) und einem ektopen ACTH-Syndrom.
Lokalisationsdiagnostik
Je nach Laborbefund wird eine bildgebende Diagnostik zur Lokalisation des Tumors durchgeführt: cMRT der Hypophyse, CT/MRT der Nebennieren oder ein CT des Thorax bei Verdacht auf ektope Produktion.
Therapie des Cushing-Syndroms
Die Therapie richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache.
- Iatrogenes Cushing-Syndrom: Die wichtigste Maßnahme ist die Reduktion der Glukokortikoid-Dosis. Diese Dosisreduktion muss immer langsam und schrittweise erfolgen, um eine lebensgefährliche Nebenniereninsuffizienz (Addison-Krise) zu vermeiden.
- Morbus Cushing (Hypophysenadenom): Therapie der Wahl ist die transnasal-transsphenoidale operative Entfernung des Adenoms.
- Adrenales Cushing-Syndrom (Nebennierentumor): Es erfolgt die einseitige operative Entfernung der betroffenen Nebenniere (Adrenalektomie).
- Ektope/Paraneoplastische Form: Die Behandlung zielt auf den primären, ACTH-produzierenden Tumor (z.B. mittels Chemotherapie).
- Inoperable Tumoren: Bei inoperablen Tumoren kann eine medikamentöse Blockade der Kortisolsynthese (z.B. mit Ketoconazol) versucht werden.