Definition und Ätiologie der Colitis ulcerosa
Die Colitis ulcerosa (CU) ist eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung (CED), die ausschließlich den Dickdarm betrifft. Die Entzündung beginnt typischerweise im Rektum und breitet sich kontinuierlich nach proximal (in Richtung des Dünndarms) aus. Die genaue Ursache (Ätiologie) ist ungeklärt, jedoch werden eine Störung der Immunreaktion und genetische Faktoren als Hauptursachen vermutet. Die Erkrankung tritt gehäuft zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr auf und zeigt eine familiäre Disposition.
Pathophysiologie und Stadien
Die Entzündungsreaktion bei der Colitis ulcerosa ist auf die Schleimhaut (Mukosa) und die darunterliegende Schicht (Submukosa) des Kolons beschränkt. Ein entscheidendes Merkmal ist der Beginn im Rektum mit einer kontinuierlichen Ausbreitung.
Lokalisation und Ausbreitungsmuster
- Proktitis: Die Entzündung ist auf das Rektum begrenzt.
- Linksseitenkolitis: Die Entzündung reicht bis zur linken Kolonflexur.
- Pankolitis: Der gesamte Dickdarm ist entzündet.
In seltenen Fällen kann es bei einer Pankolitis zu einer Entzündung des terminalen Ileums kommen, was als "Backwash-Ileitis" bezeichnet wird.
Histologische und makroskopische Befunde
Die Erkrankung verläuft schubweise und lässt sich in verschiedene Stadien einteilen:
- Florides Stadium (akuter Schub): Makroskopisch zeigt sich eine hyperämische, leicht verletzliche Schleimhaut, die bei Berührung blutet (Kontaktblutungen). Histologisch finden sich entzündliche Infiltrationen, eine Reduktion der Becherzellen und charakteristische Kryptenabszesse (Ansammlungen von Granulozyten in den Darmkrypten).
- Chronisch-fortgeschrittenes Stadium: Hier kommt es zu Ulzerationen, einer Atrophie der Schleimhaut und der Bildung von Pseudopolypen (Inseln erhaltener Schleimhaut). Histologisch zeigt sich ein Verlust von Krypten und Becherzellen. Langfristig können Epitheldysplasien entstehen, die als Vorläufer für ein kolorektales Karzinom (CRC) gelten.
Symptomatik und Klinik
Das klinische Bild der Colitis ulcerosa ist durch charakteristische intestinale und mögliche extraintestinale Symptome geprägt.
Leitsymptome
Das entscheidende Leitsymptom der Colitis ulcerosa sind blutig-schleimige Durchfälle (Diarrhö). Die Stuhlfrequenz kann im schweren Schub extrem hoch sein (bis zu 20-mal pro Tag) und tritt häufig auch nachts auf. Begleitend leiden viele Patienten unter schmerzhaftem Stuhldrang (Tenesmen).
Allgemein- und Begleitsymptome
Häufige Allgemeinsymptome sind Müdigkeit, Appetitlosigkeit (Inappetenz) und Gewichtsverlust. Zudem können extraintestinale Manifestationen auftreten, die jedoch seltener sind als bei Morbus Crohn. Dazu gehören:
- Arthritiden: Entzündungen der Gelenke (ca. 15 % der Fälle).
- Hautveränderungen: Erythema nodosum oder Pyoderma gangraenosum.
- Augenbeteiligung: Iritis, Uveitis oder Episkleritis.
- Primär sklerosierende Cholangitis (PSC): Eine chronische Entzündung der Gallenwege, die das Risiko für Karzinome erhöht.
Diagnostik
Die Diagnose wird durch eine Kombination aus Anamnese, klinischer Untersuchung, Laborwerten und bildgebenden Verfahren gestellt.
Diagnosesicherung
Der Goldstandard zur Sicherung der Diagnose ist die Koloileoskopie (komplette Darmspiegelung) mit Entnahme von Stufenbiopsien aus allen Kolonabschnitten und dem terminalen Ileum. Typische endoskopische Befunde sind eine unscharf begrenzte, hyperämische und leicht blutende Schleimhaut, Ulzera und Pseudopolypen.
Weitere diagnostische Verfahren
- Labordiagnostik: Im akuten Schub sind die Entzündungsparameter (CRP, BSG) erhöht. Stuhluntersuchungen auf Calprotectin und Lactoferrin helfen bei der Abgrenzung zum Reizdarmsyndrom und dienen als Verlaufsparameter.
- Sonografie (Ultraschall): Zeigt eine homogene Wandverdickung des Kolons (> 4 mm).
- Differenzialdiagnostik: Die wichtigste Differenzialdiagnose ist der Morbus Crohn. Weitere abzugrenzende Erkrankungen sind infektiöse Kolitiden, das Reizdarmsyndrom und die Divertikulitis.
Therapie
Die Therapie zielt darauf ab, in der akuten Phase eine Remission zu induzieren und diese langfristig zu erhalten. Das Vorgehen ist stufenweise und richtet sich nach der Schwere und Ausdehnung der Erkrankung.
Medikamentöse Therapie
Die medikamentöse Behandlung bildet die Grundlage der Therapie:
- 5-Aminosalicylsäure (5-ASA, Mesalazin): Das Standardmedikament zur Remissionsinduktion bei leichten bis mäßigen Schüben und zur Remissionserhaltung. Es kann lokal (als Zäpfchen oder Klysma) und/oder systemisch (oral) verabreicht werden.
- Glukokortikoide: Werden bei mittelschweren bis schweren Schüben eingesetzt, um die Entzündung schnell zu unterdrücken. Sie sind nicht für die Dauertherapie geeignet.
- Immunsuppressiva: Medikamente wie Azathioprin werden zur Remissionserhaltung bei steroidabhängigen oder -refraktären Verläufen eingesetzt.
- Biologicals: Moderne Antikörpertherapien (z.B. TNF-α-Blocker wie Infliximab) kommen bei schweren, therapierefraktären Verläufen zum Einsatz.
Operative Therapie
Eine Operation wird bei schweren Komplikationen oder Therapieversagen notwendig. Die Standardoperation ist die Proktokolektomie, bei der der gesamte Dickdarm und das Rektum entfernt werden, gefolgt von der Anlage einer ileoanalen Pouchanastomose (IPAA). Dies kann die Erkrankung heilen, da das betroffene Organ vollständig entfernt wird. Notfallindikationen sind unkontrollierbare Blutungen, eine Perforation oder ein toxisches Megakolon.
Komplikationen
Die Colitis ulcerosa kann zu schwerwiegenden Komplikationen führen.
- Toxisches Megakolon: Eine lebensbedrohliche, massive Erweiterung des Dickdarms mit Gefahr der Perforation und Sepsis.
- Massive Darmblutungen: Können einen chirurgischen Notfall darstellen.
- Kolorektales Karzinom: Das Risiko für Darmkrebs ist nach langjährigem Verlauf, insbesondere bei einer Pankolitis, deutlich erhöht. Regelmäßige Vorsorgekoloskopien sind daher essenziell.