Definition und Terminologie des Kolorektalen Karzinoms
Das kolorektale Karzinom (KRK), oft auch als Darmkrebs bezeichnet, ist ein malignes, epitheliales Karzinom, das von der Schleimhaut des Kolons oder des Rektums ausgeht. Die genaue Lokalisation ist für die Therapie entscheidend. Man unterscheidet:
- Kolonkarzinom: Tumoren, die mehr als 16 cm von der Anokutanlinie entfernt liegen.
- Rektumkarzinom: Tumoren, deren unterer Rand sich in einem Abstand von 16 cm oder weniger von der Anokutanlinie befindet.
Gängige Abkürzungen sind KRK oder CRC (Colorectal Cancer). Ein metastasiertes kolorektales Karzinom wird als mCRC bezeichnet.
Epidemiologie und Risikofaktoren
Das kolorektale Karzinom ist eine der häufigsten Krebserkrankungen in Deutschland. Es ist der zweithäufigste Tumor bei Frauen (nach dem Mammakarzinom) und der dritthäufigste bei Männern (nach Prostata- und Bronchialkarzinom). Die Inzidenz steigt mit dem Alter, das mediane Erkrankungsalter liegt bei Männern bei 73 und bei Frauen bei 75 Jahren.
Risikofaktoren
Die Ätiologie ist multifaktoriell. Zu den wichtigsten Risikofaktoren zählen:
- Lebensstil: Hoher Alkoholkonsum, Tabakrauchen, eine ballaststoffarme, fett- und fleischreiche Ernährung (insbesondere rotes Fleisch) sowie Übergewicht.
- Genetische Prädisposition: Etwa 5 % der Fälle sind erblich bedingt. Dazu gehören Syndrome wie die familiäre adenomatöse Polyposis (FAP), eine obligate Präkanzerose, und das hereditäre nicht-polypöse Kolonkarzinom-Syndrom (HNPCC/Lynch-Syndrom). Eine positive Familienanamnese verdoppelt das Erkrankungsrisiko.
- Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen: Insbesondere eine langjährige Pancolitis ulcerosa erhöht das Risiko signifikant.
Symptomatik
Kolorektale Karzinome bleiben oft lange asymptomatisch. Die Symptome hängen stark von der Lokalisation des Tumors ab.
- Rechtsseitenkarzinom (Zäkum, Colon ascendens): Aufgrund des weiten Darmlumens und des flüssigen Stuhls treten Obstruktionssymptome spät auf. Leitsymptom sind chronische Sickerblutungen, die zu einer Eisenmangelanämie mit Blässe und Leistungsminderung führen.
- Linksseitenkarzinom (Colon descendens, Sigma): Das engere Lumen und der festere Stuhl führen früher zu Obstruktionszeichen. Typisch ist eine plötzliche Änderung der Stuhlgewohnheiten, wie wechselnde Obstipation und Diarrhö, paradoxe Diarrhöen oder "Bleistiftstühle". Sichtbares Blut im Stuhl (Hämatochezie) ist ebenfalls ein häufiges Symptom.
- Rektumkarzinom: Hier stehen hellrote Blutauflagerungen auf dem Stuhl, ein Gefühl der unvollständigen Entleerung (Tenesmen) und Schleimabgänge im Vordergrund.
Allgemeinsymptome wie B-Symptomatik (Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust) und Leistungsminderung sind oft Spätsymptome.
Diagnostik und Staging
Diagnosesicherung
Bei Verdacht auf ein kolorektales Karzinom ist die vollständige Koloskopie (Darmspiegelung) mit Entnahme von Biopsien zur histopathologischen Sicherung der Goldstandard. Auch bei nachgewiesenem Rektumkarzinom muss eine komplette Koloskopie erfolgen, um synchrone Karzinome auszuschließen. Initiale Untersuchungen umfassen die digital-rektale Untersuchung (DRU) und den immunologischen Stuhltest (iFOBT) auf okkultes Blut.
Staging
Nach der Diagnosesicherung erfolgt das Staging zur Bestimmung der Tumorausbreitung und zur Therapieplanung. Die Standarduntersuchungen umfassen:
- Abdomensonographie: Zum Ausschluss von Lebermetastasen.
- CT oder Röntgen-Thorax: Zum Ausschluss von Lungenmetastasen.
- Tumormarker (CEA, CA 19-9): Nicht zum Screening geeignet, aber wichtig für die Verlaufskontrolle und Nachsorge.
Beim Rektumkarzinom sind zur Beurteilung der lokalen Infiltrationstiefe (T-Stadium) und des Abstands zur mesorektalen Faszie zusätzliche Untersuchungen erforderlich:
- MRT des Beckens
- Rektale Endosonographie
- Starre Rektoskopie zur exakten Abstandsmessung vom After
Therapie
Die Therapie des kolorektalen Karzinoms ist stadienabhängig und erfolgt interdisziplinär. Das primäre Ziel ist die vollständige chirurgische Entfernung des Tumors im Gesunden (R0-Resektion).
Therapie nach UICC-Stadium
- Stadium I: Die alleinige operative Resektion ist in der Regel kurativ.
- Stadium II: Operative Resektion. Bei Risikofaktoren wird eine adjuvante Chemotherapie diskutiert.
- Stadium III (Lymphknotenbefall): Die Therapie besteht aus der operativen Resektion und einer anschließenden adjuvanten Chemotherapie (z.B. nach dem FOLFOX-Schema).
- Rektumkarzinom (Stadium II und III): Hier wird standardmäßig eine neoadjuvante Radiochemotherapie vor der Operation durchgeführt, um das Lokalrezidivrisiko zu senken und die Chance auf einen Schließmuskelerhalt zu erhöhen.
- Stadium IV (Fernmetastasen): Bei resektablen Metastasen (z.B. in Leber oder Lunge) wird ein kurativer Ansatz mit Resektion von Primärtumor und Metastasen verfolgt. Andernfalls erfolgt eine palliative systemische Therapie.
Operative Verfahren
Die Operationstechnik richtet sich nach der Tumorlokalisation. Bei Kolonkarzinomen ist die komplette mesokolische Exzision (CME) mit Entfernung des zugehörigen Lymphabflussgebiets Standard. Bei Rektumkarzinomen ist die totale mesorektale Exzision (TME) das Verfahren der Wahl, um die Lokalrezidivrate zu minimieren.
Nachsorge und Prognose
Nachsorge
Nach einer kurativen Behandlung ist eine strukturierte Nachsorge über mindestens fünf Jahre essenziell, um Rezidive oder Fernmetastasen frühzeitig zu erkennen. Sie umfasst regelmäßige klinische Untersuchungen, die Bestimmung des Tumormarkers CEA, Koloskopien sowie bildgebende Verfahren (Abdomensonographie, CT).
Prognose
Der wichtigste Prognosefaktor ist das Tumorstadium (UICC-Stadium) zum Zeitpunkt der Diagnose. Weitere wichtige Faktoren sind der Resektionsstatus (R0 vs. R1/R2), das Grading und molekulargenetische Marker (z.B. Mikrosatelliteninstabilität, BRAF-/RAS-Mutationen). Die 5-Jahres-Überlebensraten sind stark stadienabhängig:
- Stadium I: > 90 %
- Stadium II: ca. 80-90 %
- Stadium III: ca. 55-65 %
- Stadium IV: ca. 5-15 %