Definition und Epidemiologie des Bronchialkarzinoms
Das Bronchialkarzinom, auch Lungenkarzinom oder Lungenkrebs genannt, ist ein maligner Tumor, der meist vom Epithel der Bronchien ausgeht. Es stellt weltweit eine der häufigsten Krebserkrankungen und eine der häufigsten krebsbedingten Todesursachen dar. Männer sind häufiger betroffen als Frauen (Verhältnis ca. 3:1), der Altersgipfel der Erkrankung liegt zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr.
Ätiologie und Risikofaktoren
Die mit Abstand wichtigste Ursache für die Entstehung eines Lungenkarzinoms ist das Rauchen.
- Hauptrisikofaktor ist das aktive und passive Rauchen. Das Risiko korreliert mit der Anzahl der gerauchten "Packungsjahre" (Pack Years).
- Berufliche Exposition gegenüber Karzinogenen wie Asbest, Radon, Arsen, Chrom, Nickel und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) stellt einen weiteren signifikanten Risikofaktor dar. Ein Lungenkarzinom kann unter diesen Umständen als Berufskrankheit anerkannt werden.
- Weitere Faktoren umfassen eine familiäre Disposition und vorangegangene Lungenerkrankungen wie Tuberkulose.
Einteilung des Bronchialkarzinoms
Die Einteilung des Bronchialkarzinoms erfolgt primär nach histologischen Kriterien, was entscheidend für die Therapie und Prognose ist. Man unterscheidet hauptsächlich das kleinzellige (SCLC) vom nicht-kleinzelligen (NSCLC) Bronchialkarzinom.
Kleinzelliges Bronchialkarzinom (SCLC)
Das SCLC macht etwa 15 % der Lungenkarzinome aus und ist durch folgende Merkmale charakterisiert:
- Es handelt sich um einen hochmalignen, neuroendokrinen Tumor mit sehr schneller Proliferation und früher Metastasierung.
- Typischerweise ist der Tumor zentral bzw. hilär lokalisiert.
- Aufgrund seiner neuroendokrinen Eigenschaften neigt das SCLC zur Produktion von Hormonen, was zu charakteristischen paraneoplastischen Syndromen führen kann, wie dem SIADH (Schwartz-Bartter-Syndrom), dem Cushing-Syndrom oder dem Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom.
Nicht-kleinzelliges Bronchialkarzinom (NSCLC)
Das NSCLC ist mit ca. 85 % die häufigste Form des Lungenkrebses und umfasst eine heterogene Gruppe von Tumoren:
- Adenokarzinom: Dies ist der häufigste Subtyp, der typischerweise peripher in der Lunge lokalisiert ist. Bei Adenokarzinomen sind oft spezifische Treibermutationen (z.B. EGFR, ALK, ROS1) nachweisbar, die für eine zielgerichtete Therapie relevant sind.
- Plattenepithelkarzinom: Dieser Subtyp ist meist zentral lokalisiert und neigt zu zentralen Nekrosen mit Kavernenbildung (Einschmelzung).
- Großzelliges Karzinom: Eine seltenere Form, die per Ausschlussdiagnose gestellt wird.
Sonderform: Pancoast-Tumor
Ein Pancoast-Tumor ist ein Karzinom der Lungenspitze (apikales Lungenkarzinom), das durch Infiltration benachbarter Strukturen das sogenannte Pancoast-Syndrom auslösen kann. Typische Symptome sind starke Schulterschmerzen, neurologische Ausfälle im Arm (Infiltration des Plexus brachialis) und das Horner-Syndrom (Miosis, Ptosis, Enophthalmus) durch Infiltration des Ganglion stellatum.
Staging und Metastasierung
Die Stadieneinteilung erfolgt nach der international gültigen TNM-Klassifikation (Tumor, Nodus, Metastasen) und ist der wichtigste Faktor für die Therapieplanung und die Prognose. Die Metastasierung erfolgt lymphogen in regionale Lymphknoten und hämatogen vor allem in folgende Organe:
- Nebennieren
- Leber
- Knochen (insbesondere Wirbelsäule)
- Gehirn
Symptome und Klinik
Lungenkrebs bleibt oft lange asymptomatisch. Die ersten Symptome sind meist unspezifisch.
- Typische Initialsymptome sind chronischer Husten, Gewichtsverlust, Dyspnoe (Atemnot) und Hämoptysen (Bluthusten).
- Bei fortschreitendem Wachstum können Symptome durch Kompression oder Infiltration benachbarter Strukturen auftreten, wie Heiserkeit (N. laryngeus recurrens-Parese), Zwerchfellhochstand (N. phrenicus-Parese) oder eine obere Einflussstauung (Kompression der V. cava superior).
- Paraneoplastische Syndrome sind systemische Symptome, die nicht direkt durch den Tumor oder seine Metastasen verursacht werden. Sie treten besonders häufig beim SCLC auf.
Diagnostik des Lungenkarzinoms
Bei Verdacht auf ein Bronchialkarzinom ist eine rasche und umfassende Diagnostik entscheidend.
- Anamnese und körperliche Untersuchung: Erfassung von Risikofaktoren und klinischen Zeichen.
- Bildgebung: Ein Röntgen-Thorax in zwei Ebenen ist der erste Schritt. Ein unklarer Lungenrundherd gilt bis zum Beweis des Gegenteils als malignomverdächtig. Zur genauen Beurteilung und zum Staging ist eine Computertomographie (CT) von Thorax und Oberbauch mit Kontrastmittel unerlässlich. Ein Schädel-MRT dient dem Ausschluss von Hirnmetastasen.
- Histologische Sicherung: Die Methode der Wahl zur Gewinnung einer Gewebeprobe ist die Bronchoskopie mit Biopsie, insbesondere bei zentralen Tumoren. Bei peripheren Herden wird oft eine CT-gesteuerte transthorakale Nadelaspiration (TTNA) durchgeführt.
- Staging und Therapieplanung: Ein PET-CT kann zur Suche nach Fernmetastasen eingesetzt werden. Beim NSCLC ist die molekularpathologische Untersuchung des Tumorgewebes auf Treibermutationen (z.B. EGFR, ALK) und die Bestimmung des PD-L1-Status für die moderne Therapieplanung zwingend erforderlich.
Therapie des Bronchialkarzinoms
Die Therapie richtet sich streng nach der Histologie (SCLC vs. NSCLC) und dem Tumorstadium.
Therapie des SCLC
Das SCLC spricht gut auf Chemo- und Strahlentherapie an, neigt aber zu schnellen Rezidiven. Da es meist bei Diagnose bereits metastasiert ist, ist eine Operation selten möglich.
- Limited Disease (auf einen Hemithorax begrenzt): Ziel ist die Heilung mittels einer kombinierten Radiochemotherapie.
- Extensive Disease (metastasiert): Hier erfolgt eine palliative Chemotherapie zur Lebensverlängerung und Symptomkontrolle.
- Eine prophylaktische Schädelbestrahlung kann das Risiko von Hirnmetastasen senken.
Therapie des NSCLC
- Frühe Stadien (I-II und ausgewählte IIIA): Das Ziel ist die Heilung. Die Therapie der Wahl ist die operative Entfernung des Tumors (meist Lobektomie) mit systematischer Lymphknotenentfernung. Je nach Stadium schließt sich eine adjuvante (unterstützende) Chemotherapie an.
- Lokal fortgeschrittene Stadien (IIIB/C): Wenn eine Operation nicht möglich ist, wird eine kombinierte Radiochemotherapie mit kurativer Zielsetzung durchgeführt.
- Metastasiertes Stadium (IV): Die Therapie ist palliativ. Neben der klassischen Chemotherapie kommen hier moderne, personalisierte Verfahren zum Einsatz:
- Zielgerichtete Therapie (Targeted Therapy): Bei Nachweis von Treibermutationen (z.B. EGFR, ALK) werden spezifische Inhibitoren in Tablettenform eingesetzt, die sehr wirksam sein können.
- Immuntherapie (Checkpoint-Inhibitoren): Diese Medikamente aktivieren das körpereigene Immunsystem, um die Krebszellen zu bekämpfen.
Prognose
Die Prognose des Bronchialkarzinoms ist insgesamt ernst und stark vom Stadium bei Diagnosestellung sowie von der Histologie abhängig.
- Das SCLC hat eine sehr schlechte Prognose aufgrund seines aggressiven Wachstums.
- Beim NSCLC ist die Prognose in frühen, operablen Stadien deutlich besser. Die 5-Jahres-Überlebensrate kann hier über 70 % betragen.
- Im metastasierten Stadium ist die Prognose ungünstig, konnte aber durch die Einführung von zielgerichteten Therapien und Immuntherapien in den letzten Jahren verbessert werden.