Ätiologie der Borreliose
Die Lyme-Borreliose wird durch Bakterien der Gattung Borrelien verursacht, die durch den Stich von Zecken (in Europa v.a. Ixodes ricinus) übertragen werden. Das Übertragungsrisiko steigt mit der Saugdauer der Zecke. In Europa sind hauptsächlich drei humanpathogene Spezies relevant, die mit unterschiedlichen klinischen Bildern assoziiert sind:
- Borrelia burgdorferi sensu stricto: Führt vorwiegend zu Gelenkbeschwerden (Lyme-Arthritis).
- Borrelia afzelii: Ist hauptsächlich für die Acrodermatitis chronica atrophicans verantwortlich.
- Borrelia garinii: Verursacht primär neurologische Symptome (Neuroborreliose).
Symptomatik und Stadien der Lyme-Borreliose
Die klinische Symptomatik der Borreliose ist sehr variabel und verläuft klassischerweise in drei Stadien, wobei die Erkrankung in jedem Stadium erstmalig manifest werden kann. Die Inkubationszeit beträgt meist 7 bis 10 Tage.
Stadium 1: Lokale Frühmanifestation
Das Leitsymptom des ersten Stadiums ist das Erythema migrans, die sogenannte "Wanderröte". Es handelt sich um eine ringförmige, sich zentrifugal ausbreitende Hautrötung, die Tage bis Wochen nach dem Zeckenstich auftritt. Wichtig ist, dass dieses Erythem in 10-50% der Fälle fehlen kann, was die Diagnose erschwert. Begleitend können unspezifische Allgemeinsymptome wie Fieber, Abgeschlagenheit, Myalgien und Arthralgien ("springende" Gelenkschmerzen) auftreten.
Stadium 2: Disseminiertes Stadium
Wochen bis Monate nach der Infektion kann es zur hämatogenen Streuung der Erreger kommen. Die häufigste Manifestation ist die frühe Neuroborreliose, oft als Meningoradikuloneuritis (Garin-Bujadoux-Bannwarth-Syndrom) bezeichnet. Typisch sind:
- Starke, brennende, radikuläre Schmerzen, die sich nachts verschlimmern und schlecht auf Analgetika ansprechen.
- Asymmetrische Paresen, vor allem im Bereich der Beine.
- Hirnnervenbeteiligung, insbesondere eine ein- oder beidseitige periphere Fazialisparese.
Seltener kommt es zu einer Lyme-Karditis mit Herzrhythmusstörungen wie AV-Blockierungen oder einer Myoperikarditis.
Stadium 3: Spätstadium
Monate bis Jahre nach der Infektion können chronische Manifestationen auftreten. Dazu zählen:
- Acrodermatitis chronica atrophicans (ACA, Morbus Herxheimer): Eine chronische Hauterkrankung, die mit livide-roten, ödematösen Schwellungen (ödematös-infiltratives Stadium) beginnt und in eine Atrophie der Haut mit pergamentartigem Aussehen übergeht (atrophes Stadium).
- Lyme-Arthritis: Chronische oder rezidivierende Entzündungen, meist eines oder weniger großer Gelenke (häufig das Kniegelenk).
- Späte Neuroborreliose: Eine seltene, aber schwere progressive Enzephalomyelitis mit Paresen, Blasenstörungen und Gangataxie.
Diagnostik der Borreliose
Die Diagnose stützt sich auf die Anamnese (Zeckenstich), die klinische Symptomatik und laborchemische Befunde.
Stadium 1
Im Frühstadium ist die Diagnose primär klinisch. Das Erythema migrans ist eine Blickdiagnose und erfordert bei typischer Ausprägung keine weitere serologische Bestätigung vor Therapiebeginn. Eine Antikörperdiagnostik ist in diesem Stadium oft noch negativ; der IgM-Antikörpernachweis ist nur in etwa 40% der Fälle erfolgreich.
Stadium 2 und 3
Bei Verdacht auf eine disseminierte oder späte Borreliose ist eine serologische Stufendiagnostik indiziert. Es wird ein ELISA-Suchtest durchgeführt, der bei positivem Ergebnis durch einen spezifischeren Western-Blot bestätigt werden muss. Bei neurologischen Symptomen ist eine Liquordiagnostik unerlässlich. Typische Befunde sind eine lymphozytäre Pleozytose, eine Eiweißerhöhung und der Nachweis intrathekal produzierter Borrelien-Antikörper.
Therapie der Lyme-Borreliose
Die Therapie erfolgt stadienabhängig mittels Antibiotika.
Stadium 1 (z.B. Erythema migrans)
Die Therapie der Wahl ist Doxycyclin 2x 100 mg p.o. über 14 Tage. Bei Kindern unter 8 Jahren sowie bei Schwangeren und Stillenden werden alternativ Amoxicillin oder Cefuroxim eingesetzt.
Stadium 2 und 3 (mit Organbeteiligung)
Bei einer Neuroborreliose, Karditis oder Arthritis ist eine intravenöse Antibiotikatherapie erforderlich. Das Mittel der ersten Wahl ist Ceftriaxon i.v. für 2 bis 3 Wochen. Alternativen sind Cefotaxim oder Penicillin G.
Eine durchgemachte Infektion hinterlässt keine schützende Immunität, eine Reinfektion ist also möglich.
Komplikationen
Eine bekannte Komplikation zu Beginn der antibiotischen Therapie ist die Jarisch-Herxheimer-Reaktion. Sie entsteht durch den massenhaften Zerfall von Borrelien und die Freisetzung von Endotoxinen. Symptome sind Fieber, Schüttelfrost und eine Verschlechterung des Allgemeinzustands. Die Behandlung besteht in der Fortsetzung der antibiotischen Therapie und einer symptomatischen Behandlung mit Antiphlogistika.