Definition der Blutung (Hämorrhagie)
Eine Blutung, medizinisch als Hämorrhagie bezeichnet, ist der Austritt von Blut aus einem Blutgefäß. Dies kann durch Verletzungen, Erkrankungen oder Störungen der Blutgerinnung verursacht werden.
Einteilung von Blutungen
Blutungen werden nach verschiedenen Kriterien klassifiziert, um ihre Ursache, Lokalisation und Schweregrad präzise zu beschreiben.
Nach Ätiopathogenese (Ursache)
- Rhexisblutung (Zerreißungsblutung): Entsteht durch eine Gefäßruptur, beispielsweise bei Traumata (Wunden, Polytrauma), Arrosion durch Tumoren oder Entzündungen, Gefäßwanderkrankungen wie Arteriosklerose oder bei starker arterieller Hypertonie.
- Diapedeseblutung (Durchbruchblutung): Hierbei treten Blutbestandteile durch eine äußerlich intakte Gefäßwand aus, oft verursacht durch starken Blutstau.
- Blutungen bei Gerinnungsstörungen: Dazu zählen Blutungen aufgrund einer Thrombozytopenie oder Thrombozytopathie (thrombozytäre hämorrhagische Diathese), einer Koagulopathie (plasmatische hämorrhagische Diathese) oder bei Gefäßerkrankungen (vaskuläre hämorrhagische Diathese).
Innere vs. äußere Blutung
- Äußere Blutung: Das Blut tritt an die Körperoberfläche aus, wie es bei Hautwunden der Fall ist.
- Innere Blutung: Das Blut fließt in umliegendes Gewebe oder in Körperhöhlen, zum Beispiel bei gastrointestinalen Blutungen.
Nach Herkunft des Blutes
- Arterielle Blutung: Blut aus einer Arterie.
- Venöse Blutung: Blut aus einer Vene.
- Parenchymblutung: Eine diffuse Blutung aus allen eröffneten Blutgefäßen eines Organs, typischerweise bei ausgedehnten Wunden oder Parenchymverletzungen.
Nach Lokalisation
Blutungen können an praktisch jeder Stelle des Körpers auftreten. Wichtige Beispiele sind:
- Hautblutungen: Petechien, Ekchymosen, Hämatome, Purpura.
- Intrakranielle Blutungen: Epiduralhämatom (EDH), Subduralhämatom (SDH), Subarachnoidalblutung (SAB) und intrazerebrale Blutungen.
- Blutungen in seröse Hohlräume: Hämatothorax (Brustkorb), Hämoperikard (Herzbeutel), Hämoperitoneum (Bauchhöhle).
- Weitere: Gastrointestinale Blutungen, Epistaxis (Nasenbluten), Lungenblutungen und vaginale Blutungen.
Symptomatik
Die Symptome einer Blutung hängen stark von ihrer Art, Lokalisation und dem Blutverlust ab.
Äußere Blutungen
- Arterielle Blutung: Typischerweise hellrotes, pulssynchron spritzendes Blut.
- Venöse Blutung: Charakteristisch ist dunkelrotes, kontinuierlich fließendes Blut.
Kardiovaskuläre Symptome (Hypovolämie)
Ein signifikanter Blutverlust führt zu einer Hypovolämie (Volumenmangel) mit typischen Kreislaufreaktionen:
- Blässe durch Kreislaufzentralisation.
- Tachykardie (erhöhte Herzfrequenz) als Kompensationsmechanismus.
- Blutdruckabfall (Hypotonie) bei zunehmendem Volumenverlust.
- Hypoxie, die zu Desorientiertheit führen kann.
- Chronische Blutungen können zu einer Eisenmangelanämie führen.
- Im schlimmsten Fall entwickelt sich ein lebensbedrohlicher hämorrhagischer Schock.
Weitere spezifische Symptome
- Intrakranielle Blutungen: Führen zu einer Erhöhung des intrakraniellen Drucks mit neurologischen Ausfällen.
- Hämoperikard: Kann zu einem Pumpversagen des Herzens führen (Perikardtamponade).
- Hämatothorax: Verursacht Dyspnoe (Atemnot).
Diagnostik
Die Diagnostik zielt darauf ab, die Blutungsquelle zu identifizieren und das Ausmaß des Blutverlustes zu bestimmen.
- Klinische Untersuchung (KU): Äußere Blutungen sind oft eine Blickdiagnose. Bei Verdacht auf eine rektale Blutung ist eine digital-rektale Untersuchung (DRU) indiziert. Vitalparameter (Blutdruck, Puls) sind entscheidend.
- Labordiagnostik: Bestimmung von Hämoglobin (Hb), Hämatokrit (Hkt), Blutbild und Gerinnungsstatus. Eine Blutgasanalyse (BGA) kann bei schweren Blutungen notwendig sein.
- Bildgebende Verfahren: Je nach Verdacht kommen Sonografie, Röntgen (z.B. Röntgen-Thorax), CT oder MRT zum Einsatz, um innere Blutungen zu lokalisieren.
- Monitoring: EKG-Überwachung ist bei kreislaufinstabilen Patienten Standard.
Therapie
Die Therapie verfolgt zwei Hauptziele: die Blutung zu stoppen und den Kreislauf des Patienten zu stabilisieren.
Lokale Blutstillung (Hämostase)
Die primäre Maßnahme ist die Kontrolle der Blutungsquelle. Dies kann umfassen:
- Anlegen eines Druckverbands.
- Chirurgische Maßnahmen wie Ligatur von Gefäßen, Hämatomausräumung oder Tamponade.
- Anlage eines Tourniquets bei schweren Extremitätenblutungen.
Klinische Stabilisierung
Parallel zur lokalen Blutstillung müssen die systemischen Folgen des Blutverlustes behandelt werden:
- Sauerstoffgabe zur Sicherstellung der Oxygenierung.
- Volumenersatz durch kristalloide Infusionslösungen und bei Bedarf Bluttransfusionen (Erythrozytenkonzentrate).
- Gabe von Katecholaminen (z.B. Noradrenalin) zur Kreislaufstabilisierung.
- Systemische Hämostatika zur Optimierung der Gerinnung (z.B. Tranexamsäure, Gerinnungsfaktoren).
Weitere Therapieoptionen
Ein zentraler Aspekt bei der Behandlung massiver Blutungen ist die Prävention oder Therapie der sogenannten "tödlichen Trias":
- Therapie von Hypothermie, Azidose und Hypokalzämie, da diese Zustände die Blutgerinnung massiv hemmen.
- Gabe von spezifischen Gerinnungsprodukten wie gefrorenem Frischplasma (FFP), Thrombozytenkonzentraten (TK) oder Prothrombinkomplex-Konzentrat (PPSB).
Die kausale Therapie, also die Behandlung der zugrundeliegenden Ursache der Blutung, ist für den langfristigen Erfolg entscheidend.
Komplikationen
Die schwerwiegendste und akut lebensbedrohliche Komplikation einer starken Blutung ist der hämorrhagische Schock, ein Zustand des Kreislaufversagens aufgrund von massivem Blutvolumenverlust.