Definition und Pathomechanismus von Autoimmunerkrankungen
Eine Autoimmunerkrankung, auch Autoimmunopathie genannt, ist eine Erkrankung, bei der das Immunsystem fälschlicherweise körpereigene Zellen und Gewebe als fremd erkennt, angreift und schädigt. Dieser Prozess wird als Autoreaktivität bezeichnet.
Der zugrundeliegende Pathomechanismus ist eine Fehlregulation des Immunsystems, die zur Bildung von Autoantikörpern und spezifisch sensibilisierten T-Lymphozyten führt. Diese greifen körpereigene Antigene (Autoantigene) an und lösen eine Entzündungsreaktion aus. Pathophysiologisch lassen sich diese Reaktionen oft den Hypersensitivitätsreaktionen zuordnen, insbesondere dem Typ II (bei organspezifischen) und dem Typ III (bei systemischen Erkrankungen).
Ätiologie und Epidemiologie
Die Entstehung von Autoimmunerkrankungen ist multifaktoriell. Sie basiert auf einer genetischen Disposition, die oft mit bestimmten HLA-Typen assoziiert ist, in Kombination mit exogenen Auslösern wie Infektionen, Medikamenten oder Umweltbelastungen.
Etwa 5 % der Allgemeinbevölkerung sind betroffen, wobei Frauen signifikant häufiger erkranken als Männer. Ausnahmen wie Morbus Bechterew treten hingegen häufiger bei Männern auf.
Einteilung von Autoimmunerkrankungen
Autoimmunerkrankungen werden grundsätzlich in zwei Hauptgruppen unterteilt: organspezifische und systemische Formen.
Organspezifische Autoimmunerkrankungen
Bei dieser Form ist der Autoimmunprozess auf ein einzelnes Organ oder ein spezifisches Organsystem beschränkt. Typische Beispiele sind:
- Endokrines System: Hashimoto-Thyreoiditis, Diabetes mellitus Typ 1, Morbus Basedow
- Gastrointestinaltrakt: Zöliakie (glutensensitive Enteropathie), Morbus Crohn, Colitis ulcerosa
- Neuromuskuläres System: Multiple Sklerose, Myasthenia gravis
- Haut: Psoriasis, Vitiligo, bullöses Pemphigoid
Systemische Autoimmunerkrankungen
Hierbei sind verschiedene Organe und Gewebe im gesamten Körper von der autoimmunen Entzündungsreaktion betroffen. Wichtige Gruppen und Beispiele umfassen:
- Kollagenosen (Bindegewebserkrankungen): Systemischer Lupus erythematodes (SLE), Sjögren-Syndrom, systemische Sklerose
- Arthritische Erkrankungen: Rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis, ankylosierende Spondylitis (M. Bechterew)
- Primäre Vaskulitiden: Riesenzellarteriitis, Granulomatose mit Polyangiitis (GPA)
Symptomatik und Diagnostik
Die Symptomatik ist sehr vielfältig und hängt von den betroffenen Organen ab. Der Verlauf ist oft chronisch und schubhaft. Häufig treten unspezifische Allgemeinsymptome wie Abgeschlagenheit und Gewichtsverlust auf.
Die Diagnostik stützt sich auf Anamnese und klinische Untersuchung. Die entscheidende Labordiagnostik umfasst den Nachweis von spezifischen Autoantikörpern im Serum. Weitere typische Befunde sind:
- Erhöhte Entzündungsparameter (CRP, BSG)
- Erniedrigte Komplementfaktoren (C3, C4), insbesondere bei immunkomplex-vermittelten Erkrankungen
- Zur Diagnosesicherung kann eine Biopsie mit histologischer Untersuchung notwendig sein, um Ablagerungen von Immunglobulinen oder Immunkomplexen nachzuweisen.
Therapeutische Ansätze
Die Therapie richtet sich nach der spezifischen Erkrankung und dem betroffenen Organsystem.
Bei organspezifischen Erkrankungen steht oft eine Substitutionstherapie im Vordergrund (z. B. Schilddrüsenhormone bei Hashimoto-Thyreoiditis) oder die Blockade von Organfunktionen (z. B. Thyreostatika bei Morbus Basedow).
Bei systemischen Erkrankungen ist das primäre Ziel, die fehlgeleitete Immunreaktion zu unterdrücken und die Entzündung zu kontrollieren. Die medikamentöse Therapie basiert auf drei Säulen:
- Immunsuppressiva: Wirkstoffe wie Methotrexat (MTX), Azathioprin oder Cyclophosphamid zur langfristigen Unterdrückung des Immunsystems.
- Glucocorticoide: Werden vor allem im akuten Schub zur schnellen und potenten Entzündungshemmung eingesetzt.
- Biologika: Moderne, zielgerichtete Therapien (z. B. monoklonale Antikörper gegen TNF-α oder Interleukine), die spezifisch in die Entzündungskaskade eingreifen.
In schweren Fällen können auch Verfahren wie die Plasmapherese zur Entfernung von pathogenen Autoantikörpern aus dem Blut zum Einsatz kommen.