Acetylsalicylsäure (ASS): Definition und Terminologie
Acetylsalicylsäure, abgekürzt ASS, ist der Wirkstoff, der unter anderem im bekannten Medikament Aspirin enthalten ist. Pharmakologisch wird ASS als ein Cyclooxygenase-Hemmer (COX-Hemmer) klassifiziert.
Wirkung von Acetylsalicylsäure
Wirkmechanismus
ASS hemmt die Cyclooxygenase-Enzyme (COX) irreversibel. Die Wirkung ist stark dosisabhängig:
- In niedriger Dosierung (75–100 mg/Tag) hemmt ASS vor allem die COX-1 in den Thrombozyten. Dies führt zu einer verminderten Synthese von Thromboxan A2, was eine irreversible Hemmung der Thrombozytenaggregation zur Folge hat.
- In höheren Dosierungen wird zusätzlich und zunehmend die COX-2 im Gefäßendothel gehemmt.
Dosisabhängige Effekte
Thrombozytenaggregationshemmung (75–100 mg/Tag)
Die "Niedrig-Dosis-Therapie" zur Hemmung der Blutplättchenaggregation ist eine der wichtigsten Anwendungen von ASS. Das Dosierungsschema sieht typischerweise eine initiale Ladedosis von 300 mg vor, gefolgt von einer täglichen Erhaltungsdosis von 75–100 mg. Höhere Dosen zeigen für diese Indikation keine verbesserte Wirksamkeit. Die Wirkung auf die primäre Hämostase führt zu einer Verlängerung der Blutungszeit. Bei etwa 10–20 % der Patienten tritt eine genetisch bedingte ASS-Resistenz auf, bei der diese Therapie wirkungslos bleibt.
Wichtige Indikationen sind:
- Akute und chronische Formen der Koronaren Herzkrankheit (KHK), inkl. Angina pectoris und Myokardinfarkt
- Akute zerebrovaskuläre Erkrankungen wie TIA und ischämischer Schlaganfall
- Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK)
- Sekundärprophylaxe nach Myokard- oder Hirninfarkt
- Nachbehandlung nach PTCA mit Stent-Implantation oder Bypass-Operationen, oft in Kombination mit Clopidogrel
Analgetische, antipyretische und antiphlogistische Wirkung
- Ab 500–1000 mg/Tag: ASS wirkt schmerzlindernd (analgetisch), fiebersenkend (antipyretisch) und entzündungshemmend (antiphlogistisch).
- Ab 3000 mg/Tag: Die entzündungshemmende Wirkung tritt stärker in den Vordergrund, ist aber aufgrund der geringen therapeutischen Breite und des Nebenwirkungsprofils bei hohen Dosen heute obsolet.
Topische Anwendung
Äußerlich angewendet wirkt ASS keratolytisch (hornlösend) und wird zur Behandlung von Warzen oder Hühneraugen (Klavus) eingesetzt.
Relative Kontraindikationen (KI)
Die Gabe von ASS erfordert eine sorgfältige Abwägung bei folgenden Zuständen:
- Erhöhte Blutungsneigung: Vorsicht bei gleichzeitiger Therapie mit anderen Antikoagulanzien.
- Gastrointestinale Ulzera oder Gastritis: Zur Reduktion des Blutungsrisikos sollte ASS mit einem Protonenpumpeninhibitor (PPI) kombiniert werden.
- Überempfindlichkeit gegen ASS und Analgetika-Asthma.
- Drittes Trimenon der Schwangerschaft.
- Fieberhafte virale Infekte bei Kindern und Jugendlichen: Aufgrund des Risikos für das potenziell tödliche Reye-Syndrom ist die Gabe von ASS hier kontraindiziert.
- Gicht und Verdacht auf Aortendissektion.
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW)
Zu den häufigsten und wichtigsten Nebenwirkungen von ASS gehören:
- Auslösung von Asthmaanfällen bei Patienten mit Analgetika-Asthma.
- Entwicklung von gastroduodenalen Ulzera mit Blutungsrisiko.
Wechselwirkungen (WW)
ASS kann mit zahlreichen anderen Medikamenten interagieren:
- Abschwächung der Kardioprotektion: Die gleichzeitige Einnahme von bestimmten NSAR (z.B. Ibuprofen, Naproxen) oder Metamizol kann die thrombozytenaggregationshemmende Wirkung von niedrig dosiertem ASS aufheben.
- Erhöhtes Blutungsrisiko: Die Kombination mit anderen Antikoagulanzien (z.B. Cumarine), Glucocorticoiden oder Alkohol erhöht das Risiko für Blutungen, insbesondere im Magen-Darm-Trakt.
- Wirkungsabschwächung: ASS kann die Wirkung von Antihypertensiva, Diuretika und Urikosurika (z.B. Probenecid) reduzieren.
- Erhöhte Toxizität: Die Elimination von Methotrexat und Lithium kann verzögert werden, was deren Toxizität erhöht.
Antidot bei Überdosierung
Bei einer schweren Intoxikation mit mehr als 10 g ASS erfolgt die Behandlung unter anderem mit der Gabe von Natriumhydrogencarbonat zur Alkalisierung des Urins und ggf. invasiven Maßnahmen zur Elimination.