Terminologie und Definition der Angina tonsillaris
Die Angina tonsillaris, auch als akute Tonsillitis oder umgangssprachlich Mandelentzündung bekannt, ist eine durch eine Infektion verursachte Entzündung der Gaumenmandeln (Tonsillen).
Ätiologie: Ursachen der Mandelentzündung
Die Ursache einer Angina tonsillaris ist überwiegend viral, häufig durch Adenoviren. Seltener liegt eine bakterielle Infektion vor, wobei hier die größte klinische Relevanz bei den β-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A (GABHS), insbesondere Streptococcus pyogenes, liegt. Auch Staphylokokken können ursächlich sein.
Klinische Einteilung
Makroskopisch wird die Angina tonsillaris in verschiedene Formen unterteilt:
- Angina catarrhalis: Gekennzeichnet durch Rötung und Schwellung der Tonsillen.
- Angina follicularis: Erkennbar an gelblich-weißen Stippchen, die durch eitriges Sekret in den Krypten der Mandeln entstehen.
- Angina lacunaris: Hier zeigen sich konfluierende, grau-weiße Beläge auf den Tonsillen, die durch Ansammlungen von Eiter in oberflächlichen Erosionen entstehen.
Symptome
Die Leitsymptome betreffen die Gaumenmandeln, die schmerzhaft, geschwollen und gerötet sind. Eitrige Beläge deuten stark auf eine bakterielle Ursache hin. Dies führt zu starken Halsschmerzen und Schmerzen beim Schlucken (Odynophagie). Begleitend treten oft Allgemeinsymptome wie Fieber, Abgeschlagenheit und Kopfschmerzen auf. Weitere typische Befunde sind:
- Schmerzhaft geschwollene Halslymphknoten (zervikale Lymphadenitis)
- Mundgeruch (Foetor ex ore)
- Gelegentlich ausstrahlende Ohrenschmerzen (Otalgie)
Diagnostik
Die Diagnostik beginnt mit der körperlichen Untersuchung, bei der der Rachen inspiziert und der Hals palpiert wird. Ein zentrales Ziel ist die Unterscheidung zwischen einer viralen und einer bakteriellen Genese, um eine gezielte Therapie einzuleiten.
Unterscheidung viraler und bakterieller Ursache
Zur klinischen Einschätzung der Wahrscheinlichkeit einer GABHS-Infektion wird der Centor-Score (bzw. der modifizierte McIsaac-Score für Kinder) herangezogen. Bewertet werden folgende Kriterien mit je einem Punkt:
- Fieber (> 38 °C)
- Fehlen von Husten
- Geschwollene, druckschmerzhafte vordere Halslymphknoten
- Tonsillenschwellung oder -exsudat
- Alter (modifiziert nach McIsaac)
Ein hoher Score (≥ 3) erhöht die Wahrscheinlichkeit für eine bakterielle Ursache und rechtfertigt eine weiterführende Diagnostik.
Keimnachweis
Bei Verdacht auf eine bakterielle Infektion wird ein Rachenabstrich durchgeführt. Der Streptokokken-A-Schnelltest ist hochspezifisch, aber wenig sensitiv. Ein negatives Ergebnis im Schnelltest schließt eine GABHS-Infektion daher nicht sicher aus. Goldstandard bleibt die Bakterienkultur.
Differentialdiagnosen
Wichtige Differentialdiagnosen, die von einer typischen Angina tonsillaris abgegrenzt werden müssen, sind:
- Scharlach: Eine durch Streptokokken-Exotoxine ausgelöste Systemerkrankung mit typischem Exanthem und einer "Himbeerzunge".
- Diphtherie: Ein Notfall, gekennzeichnet durch fest haftende, grau-weißliche Pseudomembranen, die beim Ablöseversuch bluten, und einen süßlich-fauligen Mundgeruch.
- Infektiöse Mononukleose (Pfeiffer-Drüsenfieber): Eine virale Erkrankung (EBV) mit oft massiv geschwollenen Tonsillen und generalisierter Lymphknotenschwellung.
- Plaut-Vincent-Angina: Meist einseitige, ulzerierende Tonsillitis mit schmierigen Belägen und starkem Foetor.
- Tonsillenkarzinom: Insbesondere bei einseitigen, ulzerierenden Befunden bei älteren Patienten (Rauchern) in Betracht zu ziehen.
Therapie
Konservative Therapie
Die Behandlung erfolgt primär symptomatisch mit Schmerzmitteln (Analgetika) und fiebersenkenden Mitteln (Antipyretika). Eine kausale antibiotische Therapie ist nur bei nachgewiesener oder hochgradig wahrscheinlicher bakterieller Infektion indiziert. Mittel der ersten Wahl ist Penicillin V, das über eine ausreichend lange Dauer (z. B. 7 Tage) eingenommen werden muss, um Folgeerkrankungen wie das rheumatische Fieber zu verhindern. Bei einer Penicillinallergie kommen Makrolide oder Clindamycin zum Einsatz.
Operative Therapie
Eine operative Entfernung der Mandeln (Tonsillektomie) oder Teilentfernung (Tonsillotomie) wird bei rezidivierenden, antibiotikapflichtigen Episoden (z. B. ≥ 6 pro Jahr), einem Peritonsillarabszess oder dem Verdacht auf ein Karzinom streng indiziert. Eine gefürchtete Komplikation ist die Nachblutung, die typischerweise zwischen dem 5. und 8. postoperativen Tag auftritt und ein Notfall ist.
Prognose
Bei adäquater konservativer Therapie heilt eine akute Angina tonsillaris in der Regel folgenlos aus.