Angeborene Herzfehler (AHF): Ätiologie und Ursachen
Angeborene Herzfehler, auch als Herzvitien oder kardiale Fehlbildungen bezeichnet, sind in den meisten Fällen (ca. 85 %) multifaktoriell bedingt. Bei etwa 10 % der Fälle liegt eine primär genetische Ursache vor, oft im Rahmen von Chromosomenanomalien.
- Trisomie 21 (Down-Syndrom): Häufig assoziiert mit Vorhofseptumdefekt (ASD), Ventrikelseptumdefekt (VSD) oder einem atrioventrikulären Septumdefekt (AVSD).
- Trisomie 18 (Edwards-Syndrom) & Trisomie 13 (Pätau-Syndrom): Oft verbunden mit VSD und persistierendem Ductus arteriosus (PDA).
- Turner-Syndrom (X0): Charakteristisch ist die Assoziation mit einer Aortenisthmusstenose (ISTA).
- Mikrodeletionssyndrome: Das DiGeorge-Syndrom (22q11) ist häufig mit einem VSD und die Williams-Beuren-SySyndrom (7q11.23) mit Aorten- oder Pulmonalstenosen verknüpft.
Pränatale Einflüsse wie mütterliche Erkrankungen oder Medikamenteneinnahme während der Schwangerschaft sind für ca. 5 % der Herzfehler verantwortlich. Die vulnerable Phase für die Herzentwicklung liegt zwischen der 3. und 8. Schwangerschaftswoche.
Einteilung angeborener Herzfehler nach Zyanose
Eine klinisch relevante Einteilung der Herzvitien erfolgt nach dem Vorhandensein einer Zyanose. Man unterscheidet zwischen zyanotischen und azyanotischen Herzfehlern.
Zyanotische Herzfehler
Diese Herzfehler sind durch einen Rechts-Links-Shunt gekennzeichnet, der zu einer Vermischung von sauerstoffarmem und sauerstoffreichem Blut führt und eine sichtbare Zyanose verursacht.
- Mit Lungenminderperfusion:
- Fallot-Tetralogie (TOF): Die klassische Tetralogie besteht aus einem Ventrikelseptumdefekt, einer Pulmonalstenose, einer rechtsventrikulären Hypertrophie und einer "reitenden" Aorta. Auskultatorisch findet sich ein lautes, raues Systolikum mit Punctum maximum im 3. ICR links parasternal.
- Pulmonalatresie (PA)
- Mit Lungenüberperfusion:
- Transposition der großen Arterien (TGA)
- Totale Lungenvenenfehlmündung (TAPVR)
Bei vielen zyanotischen Vitien wie der TGA oder Pulmonalatresie kommt es zu einer kritischen klinischen Verschlechterung nach dem physiologischen Verschluss des Ductus arteriosus Botalli.
Azyanotische Herzfehler
Bei diesen Fehlern liegt initial kein Rechts-Links-Shunt vor, weshalb keine Zyanose auftritt. Sie werden in Stenosevitien und Shuntvitien unterteilt.
- Stenosevitien (Obstruktionen):
- Aortenisthmusstenose (ISTA): Leitsymptom ist eine Blutdruckdifferenz zwischen der oberen und unteren Körperhälfte (Hypertonie an den Armen, Hypotonie an den Beinen). Dies kann zu Kopfschmerzen und Nasenbluten führen. Häufig ist die ISTA mit einer bikuspiden Aortenklappe assoziiert.
- Kongenitale Aortenstenose (AS): Typisch ist ein spindelförmiges Systolikum im 2. ICR rechts parasternal mit Fortleitung in die Karotiden.
- Pulmonalstenose (PS)
- Shuntvitien (mit Links-Rechts-Shunt):
- Vorhofseptumdefekt (ASD): Das pathognomonische Auskultationsmerkmal ist die fixierte, atemunabhängige Spaltung des 2. Herztons.
- Ventrikelseptumdefekt (VSD): Charakteristisch ist ein lautes, bandförmiges (holosystolisches) Geräusch mit Punctum maximum im 3./4. ICR links parasternal.
- Persistierender Ductus arteriosus (PDA): Hier findet sich ein kontinuierliches, systolisch-diastolisches „Maschinengeräusch“ und ein Pulsus celer et altus. Es kann eine Zyanose nur der unteren Körperhälfte auftreten.
Screening und Symptomatik
Pulsoxymetrisches Screening bei Neugeborenen
Dieses Screening ist eine gesetzlich empfohlene Untersuchung zur Früherkennung kritischer angeborener Herzfehler. Die Messung der Sauerstoffsättigung erfolgt simultan an der rechten Hand (präduktal) und einem Fuß (postduktal). Der optimale Zeitpunkt ist 24 bis 48 Stunden nach der Geburt, um kritische, duktusabhängige Vitien vor dem Verschluss des Ductus arteriosus zu erkennen.
Leitsymptome
Die klinische Manifestation ist je nach Art und Schweregrad des Herzfehlers sehr variabel. Die drei Leitsymptome sind:
- Herzgeräusch: Oft das erste Anzeichen bei einer Routineuntersuchung.
- Zyanose: Bläuliche Verfärbung von Haut und Schleimhäuten.
- Herzinsuffizienz (Low-Cardiac-Output-Syndrom): Symptome wie Tachykardie, Blässe, Trinkschwäche, Gedeihstörung und bei Rechtsherzinsuffizienz eine Hepatomegalie.
Therapeutische Grundprinzipien
Die Therapie richtet sich nach dem spezifischen Herzfehler und der hämodynamischen Auswirkung.
Offenhalten des Ductus arteriosus
Bei Herzfehlern mit einer duktusabhängigen System- oder Lungenperfusion (z.B. kritische Aortenstenose, Pulmonalatresie, TGA) ist das Offenhalten des Ductus arteriosus bis zur operativen Korrektur lebensrettend. Dies wird durch die kontinuierliche intravenöse Gabe von Prostaglandin E1 erreicht.
Sauerstoffgabe: Eine wichtige Kontraindikation
Vorsicht ist bei der Gabe von hochkonzentriertem Sauerstoff geboten. Bei bestimmten Vitien, wie dem hypoplastischen Linksherzsyndrom, kann eine hohe Sauerstoffsättigung den Lungenwiderstand senken und den Systemkreislauf kompromittieren, was zu einem kardiogenen Schock führen kann. Daher wird die Sättigung bei diesen Patienten oft auf niedrigere Zielwerte titriert.
Operative Verfahren
Zur palliativen oder korrigierenden Behandlung werden verschiedene Operationen eingesetzt. Ein häufiges palliatives Verfahren bei Vitien mit verminderter Lungendurchblutung (z.B. Fallot-Tetralogie) ist die Anlage eines aortopulmonalen Shunts (z.B. Blalock-Taussig-Shunt), um den Blutfluss zur Lunge zu sichern.