⭕⚠️ •• Anaphylaxie, anaphylaktischer Schock
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Definition
Die Anaphylaxie ist eine akute, systemische und potenziell lebensbedrohliche Reaktion mit Symptomen, die einer allergischen Sofortreaktion entsprechen. Der anaphylaktische Schock (auch anaphylaktoider Schock) stellt die schwerste Form einer Anaphylaxie dar und ist pathophysiologisch eine Form des distributiven Schocks.
Ätiologie
Auslöser und Risikofaktoren
Häufige Auslöser für eine anaphylaktische Reaktion sind Allergene wie Insektengifte, Medikamente (z.B. Penicillin, Analgetika), Fremdeiweiße in Blutprodukten oder Röntgenkontrastmittel. Manchmal lässt sich kein spezifischer Auslöser ermitteln (idiopathische Anaphylaxie). Bestimmte Faktoren können das Risiko erhöhen, darunter körperliche Belastung, Infektionen, psychischer Stress sowie die Einnahme von Medikamenten wie Betablockern oder ACE-Hemmern.
Pathomechanismus
Bei einer anaphylaktischen Reaktion führt die massive Ausschüttung von Mediatoren wie Histamin zu einer Kaskade von Reaktionen im Körper. Die wesentlichen Effekte sind:
- Vasodilatation (Gefäßerweiterung): Führt zu einem relativen Volumenmangel und einem starken Blutdruckabfall.
- Erhöhung der Gefäßpermeabilität: Flüssigkeit tritt aus den Blutgefäßen ins umliegende Gewebe aus, was zu Ödemen führt.
- Bronchospasmus: Eine starke Verengung der Bronchien verursacht akute Atemnot (Dyspnoe).
Schweregrade der Anaphylaxie
Die Anaphylaxie wird klinisch in vier Schweregrade eingeteilt, die den Verlauf der Symptome beschreiben:
- Grad I: Leichte Allgemeinreaktion mit generalisierten Hautreaktionen wie Juckreiz (Pruritus), Rötung (Flush), Quaddeln (Urtikaria) und leichten Allgemeinsymptomen wie Unruhe.
- Grad II: Ausgeprägte Reaktion mit Kreislaufstörungen (z.B. Tachykardie, Hypotonie) und Atemnot (Dyspnoe).
- Grad III: Lebensbedrohliche Reaktion mit ausgeprägtem Schock (anaphylaktischer Schock), schwerer Dyspnoe durch Bronchospasmus und Bewusstseinseintrübung.
- Grad IV: Vitales Organversagen, insbesondere ein Herz-Kreislaufstillstand.
Symptomatik
Die Symptome einer Anaphylaxie sind sehr variabel und können sich rapide entwickeln. Die Reaktion kann in jedem Stadium spontan zum Stillstand kommen oder trotz adäquater Therapie fortschreiten. Typischerweise beginnt sie mit Hauterscheinungen und kann sich auf den Magen-Darm-Trakt (Übelkeit, Krämpfe), die Atemwege (Dyspnoe, Stridor) und das Herz-Kreislauf-System (Schock) ausweiten.
Diagnostik
Die Diagnose wird primär klinisch anhand von Kriterien gestellt, die das plötzliche Auftreten von Symptomen an Haut, Atemwegen oder Kreislauf nach Kontakt mit einem wahrscheinlichen Auslöser berücksichtigen. Nach der Akutversorgung kann die Bestimmung der Serumtryptase (1–3 Stunden nach Symptombeginn) die Diagnose sichern.
Therapie der Anaphylaxie
Die Therapie erfolgt umgehend, symptomorientiert und richtet sich nach dem Schweregrad und dem führenden Leitsymptom.
Akutmaßnahmen
Die folgenden Schritte sind unverzüglich und parallel einzuleiten:
- Allergenzufuhr stoppen: Sofortige Unterbrechung der Exposition (z.B. Infusion stoppen, Insektenstachel entfernen).
- Hilfe anfordern: Notarzt oder innerklinisches Notfallteam alarmieren.
- Symptomgerechte Lagerung: Dies ist eine entscheidende Basismaßnahme.
- Bei Kreislaufproblemen (Schock): Trendelenburg-Lagerung (Schocklagerung, Beine hoch).
- Bei Atemnot (Dyspnoe): Oberkörper hochlagern (sitzende Position).
- Bei Bewusstlosigkeit (mit Spontanatmung): Stabile Seitenlage.
- Wichtig: Plötzliches Aufstehen oder Laufen des Patienten unbedingt vermeiden!
- Sauerstoffgabe: Hochdosierte Sauerstoffgabe (100 % mit hohem Fluss über eine Maske mit Reservoir).
- Medikamentöse Therapie einleiten.
Medikamentöse Therapie
Die medikamentöse Therapie ist gestaffelt und richtet sich nach der klinischen Symptomatik.
Adrenalin (Epinephrin)
Adrenalin ist das wichtigste und lebensrettende Medikament bei einer Anaphylaxie ab Schweregrad II. Es wirkt der Vasodilatation, dem Bronchospasmus und der erhöhten Gefäßpermeabilität entgegen.
- Anwendung: Die bevorzugte und sicherste Applikationsform ist die intramuskuläre (i.m.) Injektion in die Außenseite des Oberschenkels.
- Dosierung (i.m.): 0,15–0,6 mg. Eine Wiederholung ist je nach Klinik alle 5–10 Minuten möglich.
- Intravenöse Gabe (i.v.): Nur bei drohender Dekompensation oder im Rahmen der Reanimation unter strenger Überwachung und entsprechender Verdünnung.
Weitere Medikamente
- Volumensubstitution: Bei Hypotension und Schock ist eine forcierte und großzügige intravenöse Volumengabe mit kristalloiden Lösungen entscheidend.
- Bronchodilatatoren: Bei bronchialer Obstruktion werden zusätzlich inhalative Beta-2-Sympathomimetika (z.B. Salbutamol) verabreicht.
- Antihistaminika und Kortikosteroide: Dimetinden (H1-Antihistaminikum) und Kortikosteroide (z.B. Prednisolon) werden ebenfalls i.v. gegeben. Sie wirken langsamer und dienen vor allem der Behandlung von Hautreaktionen und der Prävention von Spätreaktionen.
- Glukagon: Bei Patienten unter Betablocker-Therapie, die nicht ausreichend auf Adrenalin ansprechen, kann Glukagon i.v. eine wichtige Therapieoption sein.
Therapieeskalation
Bei persistierendem Schock oder fortschreitender respiratorischer Insuffizienz trotz initialer Maßnahmen ist eine Eskalation erforderlich. Dies kann die wiederholte Gabe von Adrenalin (ggf. i.v.), den Einsatz weiterer Katecholamine (z.B. Noradrenalin) oder eine definitive Atemwegssicherung (z.B. Intubation, Koniotomie) umfassen.