Alopezie: Terminologie und Definition
In der Dermatologie werden die Begriffe Effluvium und Alopezie unterschieden. Das Effluvium bezeichnet den Vorgang des pathologischen, also krankhaft gesteigerten Haarausfalls. Von einem pathologischen Effluvium spricht man bei einem Verlust von mehr als 100 Haaren pro Tag. Die Alopezie hingegen beschreibt das sichtbare Resultat dieses Haarausfalls: die entstandene Kahlheit oder das Vorhandensein kahler Stellen an Orten mit Terminalbehaarung.
Ätiologie: Ursachen von Haarausfall
Die Ursachen für Alopezie sind vielfältig und können physiologischer oder pathologischer Natur sein. Zum physiologischen Haarausfall zählen die altersbedingte Haarverminderung und der postpartale Haarausfall (ca. 2–4 Monate nach einer Geburt).
Pathologische Ursachen
Pathologischer Haarausfall kann durch eine Vielzahl von Faktoren ausgelöst werden:
- Hauterkrankungen: Häufige Auslöser sind Tinea capitis, Alopecia areata, Psoriasis, chronisch diskoider Lupus erythematodes (CDLE) oder tiefe bakterielle Infektionen wie Furunkel.
- Hormonelle Störungen: Die androgenetische Alopezie ist die häufigste Form. Auch das An- oder Absetzen hormoneller Kontrazeptiva kann ein Effluvium auslösen.
- Innere Erkrankungen: Systemische Erkrankungen wie Schilddrüsenfunktionsstörungen (Hypo- und Hyperthyreose), Kollagenosen, Tumorerkrankungen, Lues oder Zustände mit hohem Fieber.
- Mangelerscheinungen: Insbesondere Eisenmangel und Zinkmangel sind relevante Ursachen.
- Medikamente: Eine bekannte Nebenwirkung von Zytostatika, Immunsuppressiva, Antikoagulanzien, Betablockern und Retinoiden.
- Physikalische Einwirkungen: Chronischer Zug durch straffe Frisuren, Druckstellen bei Bettlägerigkeit oder eine Strahlentherapie können zu lokalem Haarverlust führen.
- Psychogene Faktoren: Starker Stress, Depressionen oder Trichotillomanie (zwanghaftes Haareausreißen).
Einteilung und Diagnostik
Morphologische Einteilung
Alopezien werden nach ihrem Erscheinungsbild klassifiziert. Eine zentrale Unterscheidung ist die zwischen vernarbender und nicht-vernarbender Alopezie. Bei der vernarbenden Form werden die Haarfollikel irreversibel zerstört, während bei der nicht-vernarbenden Form ein Nachwachsen der Haare prinzipiell möglich ist. Weitere Einteilungen erfolgen in herdförmige und diffuse Alopezien.
Diagnostisches Vorgehen
Die Abklärung einer Alopezie erfordert eine systematische Vorgehensweise:
- Anamnese: Eine sehr ausführliche Anamnese zu Medikamenten, Erkrankungen, Ernährung und Lebensumständen ist entscheidend. Das Zählen der ausgefallenen Haare durch den Patienten kann erste Hinweise liefern.
- Körperliche Untersuchung: Inspektion der Kopfhaut zur Beurteilung des Verteilungsmusters und zur Unterscheidung zwischen vernarbenden und nicht-vernarbenden Formen.
- Weiterführende Diagnostik: Je nach Verdacht können spezifische Untersuchungen notwendig sein. Dazu gehören ein Nativpräparat (v.a. bei Kindern mit V.a. Tinea capitis), Laboruntersuchungen (z.B. Eisen, Schilddrüsenwerte), ein Trichogramm (mikroskopische Haarwurzelanalyse) oder eine Kopfhautbiopsie zur histologischen Sicherung der Diagnose.
Differenzialdiagnose
Die wichtigste Differenzialdiagnose zum pathologischen Haarausfall ist das physiologische Effluvium, bei dem der tägliche Haarverlust unter der Grenze von 100 Haaren liegt.