⭕⚠️ • akute Pankreatitis, ödematöse Pankreatitis, biliäre Pankreatitis
Ätiologie der akuten Pankreatitis
Die häufigsten Ursachen für eine akute Entzündung der Bauchspeicheldrüse sind Gallenwegserkrankungen und chronischer Alkoholkonsum. Weitere, seltenere Auslöser umfassen Traumata, Medikamente oder iatrogene Ursachen wie eine ERCP.
- Biliäre Pankreatitis: Verursacht durch eine Gallenwegserkrankung, meist eine Cholelithiasis, bei der ein Gallenstein im Bereich der Papilla vateri eingeklemmt wird. Dies ist eine der häufigsten Formen.
- Alkoholabusus: Chronischer, übermäßiger Alkoholkonsum ist die zweite Hauptursache.
- Seltenere Ursachen: Hierzu zählen unter anderem iatrogene Faktoren (z.B. nach einer ERCP, durch Medikamente wie Thiazide oder Steroide), Stoffwechselstörungen (Hypertriglyzeridämie), Infektionen (z.B. Mumps, HIV), Autoimmunerkrankungen oder anatomische Varianten wie das Pancreas divisum. Bei einem Teil der Fälle bleibt die Ursache idiopathisch.
Pathogenese und Stadien
Die Pathogenese der akuten Pankreatitis basiert auf einer pathologischen, vorzeitigen Aktivierung von Verdauungsenzymen innerhalb des Pankreas, was zu einer Selbstverdauung (Autodigestion) des Organs führt. Dieser Prozess löst eine primär sterile Entzündungsreaktion aus, die mit Ödembildung, Gefäßschädigungen und im schlimmsten Fall Nekrosen einhergeht.
Schweregrade
Die Erkrankung wird in verschiedene Stadien eingeteilt, die den Schweregrad widerspiegeln:
- Stadium I (Akute interstitiell-ödematöse Pankreatitis): Die mildeste Form, oft mit einem leichten Verlauf und der Möglichkeit einer vollständigen Heilung (Restitutio ad integrum).
- Stadium II (Akute partiell nekrotisierende Pankreatitis): Eine schwerere Form mit teilweisen Gewebsnekrosen.
- Stadium III (Akute total nekrotisierende Pankreatitis): Die schwerste Form mit ausgedehnten Nekrosen und einer hohen Letalität.
Symptomatik
Das Leitsymptom der akuten Pankreatitis ist ein plötzlich einsetzender, extrem starker und gürtelförmiger Schmerz im Oberbauch, der oft in den Rücken ausstrahlt. Weitere typische Symptome sind:
- Übelkeit und Erbrechen
- Ein elastisch gespanntes Abdomen, bekannt als "Gummibauch", bedingt durch Meteorismus und eine leichte Abwehrspannung.
- Fieber
- Gelegentlich ein Ikterus (Gelbsucht), insbesondere bei einer biliären Ursache.
- Bei schweren Verläufen können Hautzeichen wie das Cullen-Zeichen (bläuliche Flecken um den Nabel) oder das Grey-Turner-Zeichen (bläuliche Flecken an den Flanken) auftreten, die auf Einblutungen in Nekrosezonen hindeuten und mit einer schlechten Prognose assoziiert sind.
Diagnostik
Die Diagnose einer akuten Pankreatitis wird in der Regel gestellt, wenn mindestens zwei der folgenden drei Kriterien erfüllt sind:
- Typische klinische Symptomatik (gürtelförmiger Oberbauchschmerz).
- Erhöhung der Serum-Lipase auf mindestens das Dreifache des oberen Normwertes.
- Charakteristische Befunde in der bildgebenden Diagnostik (Sonografie, CT oder MRT).
Bildgebung
- Abdomensonografie: Ist die primäre bildgebende Untersuchung. Sie dient dem Nachweis von Gallensteinen als möglicher Ursache (biliäre Pankreatitis) und kann typische Veränderungen wie ein vergrößertes, echoarmes Pankreas oder peripankreatische Flüssigkeitsansammlungen zeigen.
- Computertomografie (CT) mit Kontrastmittel: Ist der Goldstandard zur Beurteilung des Schweregrads, insbesondere zum Nachweis von Nekrosen. Sie wird typischerweise bei V.a. einen schweren Verlauf oder bei klinischer Verschlechterung nach etwa 72 Stunden durchgeführt, da sich Nekrosen erst dann sicher abgrenzen lassen.
Therapie
Die Behandlung der akuten Pankreatitis, insbesondere bei schweren Verläufen, erfordert eine intensivmedizinische Betreuung.
Konservative Maßnahmen
- Intensivmedizinische Überwachung: Kontinuierliches Monitoring der Vitalparameter, des Flüssigkeitshaushalts und wichtiger Laborwerte (CRP, Nierenwerte, Kalzium).
- Aggressive Volumensubstitution: Eine frühzeitige und ausreichende intravenöse Flüssigkeitsgabe ist entscheidend, um einem Schock und einer Nierenschädigung vorzubeugen.
- Adäquate Schmerztherapie: Die starken Schmerzen erfordern eine wirksame Analgesie, oft mit Opioiden.
- Ernährung: Eine routinemäßige Nahrungskarenz wird nicht mehr empfohlen. Stattdessen wird eine frühe enterale Ernährung, ggf. über eine Sonde, angestrebt.
Interventionelle und spezifische Therapie
- ERCP bei biliärer Pankreatitis: Bei Nachweis einer biliären Ursache (z.B. eingeklemmter Gallenstein) ist eine notfallmäßige endoskopisch-retrograde Cholangiopankreatikografie (ERCP) mit Papillotomie und Steinentfernung innerhalb von 24-72 Stunden indiziert.
- Antibiotika: Eine systemische Antibiose ist nicht standardmäßig indiziert. Sie wird nur bei einer nachgewiesenen oder hochgradig vermuteten bakteriellen Infektion, wie z.B. bei infizierten Nekrosen oder einer Sepsis, eingesetzt.
Komplikationen
Die akute Pankreatitis kann zu schwerwiegenden lokalen und systemischen Komplikationen führen.
- Lokale Komplikationen: Bildung von Pseudozysten, Abszessen, Infektion von Nekrosen oder der Übergang in eine chronische Pankreatitis.
- Systemische Komplikationen: Die gefürchtetsten Komplikationen sind systemische Entzündungsreaktionen (SIRS), die zu einem Schock, einer Verbrauchskoagulopathie (DIC) und einem Multiorganversagen (insbesondere akutes Nierenversagen und Lungenversagen/ARDS) führen können.