Definition der arteriellen Hypertonie
Die arterielle Hypertonie (aHT), umgangssprachlich auch Bluthochdruck genannt, ist definiert als eine dauerhafte Erhöhung des systolischen Blutdrucks auf ≥ 140 mmHg und/oder des diastolischen Blutdrucks auf > 90 mmHg. Laut WHO-Kriterien muss für die Diagnosestellung entweder der Grenzwert bei mindestens drei aufeinanderfolgenden Messungen überschritten sein oder eine 24-Stunden-Blutdruckmessung erhöhte Werte zeigen.
Einteilung nach Ätiologie
Die arterielle Hypertonie wird basierend auf ihrer Ursache in zwei Hauptformen unterteilt:
Primäre (essenzielle) Hypertonie
Die primäre oder essenzielle Hypertonie ist die häufigste Form und macht etwa 90 % aller Fälle aus. Es handelt sich um eine Ausschlussdiagnose, da keine einzelne, klare Ursache identifiziert werden kann. Stattdessen wird sie als multifaktorielle Erkrankung betrachtet, die durch eine Kombination verschiedener Risikofaktoren entsteht. Dazu gehören:
- Genetische Prädisposition
- Erhöhter Salzkonsum und Fehlernährung
- Übergewicht (Adipositas) und Insulinresistenz
- Körperliche Inaktivität
- Psychischer Stress
- Nikotin- und hoher Alkoholkonsum
Sekundäre Hypertonie
Die sekundäre Hypertonie tritt in etwa 10–15 % der Fälle auf und ist die Folge einer anderen Grunderkrankung. Im Gegensatz zur primären Form ist sie potenziell kausal behandelbar. Häufige Ursachen sind:
- Renale Hypertonie: Oft bedingt durch eine Nierenarterienstenose.
- Endokrine Hypertonie: Verursacht durch Erkrankungen wie das Conn-Syndrom (Hyperaldosteronismus), Cushing-Syndrom, Phäochromozytom oder Schilddrüsenerkrankungen.
- Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom (OSAS)
- Medikamenten-induziert: z.B. durch orale Kontrazeptiva, NSAR oder Glukokortikoide.
- Kardiovaskuläre Ursachen: Wie Aortenisthmusstenose oder Aortenklappeninsuffizienz.
Schweregrade nach ESH/ESC (2018)
Die Klassifikation des Blutdrucks erfolgt nach den Leitlinien der European Society of Hypertension/European Society of Cardiology. Der Schweregrad richtet sich nach dem jeweils höheren Wert (systolisch oder diastolisch).
- Hochnormal: 130–139 mmHg systolisch und/oder 85–89 mmHg diastolisch
- Hypertonie Grad 1: 140–159 mmHg systolisch und/oder 90–99 mmHg diastolisch
- Hypertonie Grad 2: 160–179 mmHg systolisch und/oder 100–109 mmHg diastolisch
- Hypertonie Grad 3: ≥ 180 mmHg systolisch und/oder ≥ 110 mmHg diastolisch
- Isolierte systolische Hypertonie: ≥ 140 mmHg systolisch und < 90 mmHg diastolisch
Symptomatik
Die arterielle Hypertonie verläuft oft über lange Zeit asymptomatisch und wird daher häufig zufällig bei Routineuntersuchungen entdeckt. Bei mäßig bis stark erhöhten Werten können unspezifische Symptome auftreten, wie:
- Morgendliche, okzipitale Kopfschmerzen
- Schwindel und Sehstörungen (z.B. Flimmern)
- Rezidivierendes Nasenbluten (Epistaxis)
- Belastungsdyspnoe und Palpitationen
- Tinnitus (oft pulsatil)
- Unruhe und Schlafstörungen
Diagnostik
Die Diagnostik zielt darauf ab, den Schweregrad zu bestimmen, zwischen primärer und sekundärer Hypertonie zu unterscheiden und hypertoniebedingte Organschäden zu erfassen.
Diagnostische Kriterien
Die Diagnose wird durch wiederholte Messungen bestätigt:
- Praxismessung: Der Grenzwert liegt bei ≥ 140/90 mmHg, gemessen bei mindestens drei Messungen an zwei verschiedenen Tagen.
- Praxisunabhängige Messung:
- Patientenselbstmessung (HBPM): Ein Mittelwert von ≥ 135/85 mmHg über mehrere Tage gilt als diagnostisch.
- Langzeitblutdruckmessung (ABDM): Ein 24-Stunden-Mittelwert von ≥ 130/80 mmHg bestätigt die Diagnose. Diese Methode ist auch wichtig, um eine "Weißkittelhypertonie" oder eine "maskierte Hypertonie" zu erkennen.
Weitere Untersuchungen
Zur Abklärung von Ursachen und Folgeerkrankungen werden eine ausführliche Anamnese, eine körperliche Untersuchung, Labordiagnostik (Nierenwerte, Elektrolyte, Blutzucker, Blutfette, TSH), ein 12-Kanal-EKG (Ausschluss Linksherzhypertrophie) und eine Funduskopie (Beurteilung der Netzhautgefäße) durchgeführt.
Therapie
Die Therapie der arteriellen Hypertonie ist meist ambulant und verfolgt das Ziel, den Blutdruck zu senken und dadurch Endorganschäden und kardiovaskuläre Ereignisse zu verhindern.
Therapieziele
Das primäre Ziel ist die Senkung des Praxisblutdrucks auf unter 140/90 mmHg. Bei guter Verträglichkeit wird, insbesondere bei jüngeren Patienten (< 65 Jahre), ein Zielbereich von 120–130 mmHg systolisch angestrebt. Bei älteren Patienten (> 65 Jahre) liegt der Zielkorridor bei 130–140 mmHg systolisch. Der diastolische Zielwert liegt generell bei 70–80 mmHg.
Nichtmedikamentöse Therapie
Lebensstiländerungen sind die Basis jeder antihypertensiven Therapie und umfassen:
- Reduktion der Kochsalzzufuhr (< 5 g/Tag)
- Begrenzung des Alkoholkonsums
- Nikotinkarenz
- Regelmäßiges körperliches Training
- Gewichtsreduktion (Ziel-BMI: 20–25 kg/m²)
Medikamentöse Therapie (Stufenschema)
Die medikamentöse Therapie folgt einem Stufenschema, wobei Kombinationstherapien von Beginn an bevorzugt werden, um die Effektivität zu steigern und die Adhärenz zu verbessern (Single-Pill Combination).
- Stufe 1 (Initialtherapie): Eine Zweifachkombination aus einem RAAS-Blocker (ACE-Hemmer oder ARB) plus einem Calciumantagonisten (CCB) oder einem Thiaziddiuretikum.
- Stufe 2: Bei Nichterreichen des Ziels wird eine Dreifachkombination aus ACE-Hemmer/ARB + CCB + Diuretikum eingesetzt.
- Stufe 3 (Resistente Hypertonie): Zur Dreifachkombination wird zusätzlich Spironolacton oder ein anderes Diuretikum, ein Alpha- oder Betablocker hinzugefügt.
Betablocker werden nicht mehr als generelle Erstlinientherapie empfohlen, sondern bei spezifischen Indikationen wie Herzinsuffizienz, KHK, nach Myokardinfarkt oder bei Vorhofflimmern eingesetzt.
Komplikationen
Ein langfristig schlecht eingestellter Bluthochdruck schädigt die Gefäße und führt zu schweren Endorganschäden. Zu den wichtigsten Komplikationen gehören ein erhöhtes Risiko für Schlaganfälle, Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz, Niereninsuffizienz (hypertensive Nephropathie), Aortendissektion und hypertensive Retinopathie.
Hypertensive Krise vs. Hypertensiver Notfall
Es ist entscheidend, zwischen diesen beiden akuten Zuständen zu unterscheiden:
- Hypertensive Krise (Urgency): Eine kritische Blutdruckerhöhung (z.B. > 180/110 mmHg) ohne Anzeichen einer akuten, lebensbedrohlichen Organschädigung. Die Therapie erfolgt meist oral und ambulant.
- Hypertensiver Notfall (Emergency): Eine kritische Blutdruckerhöhung mit klinischen Zeichen einer akuten Organschädigung (z.B. hypertensive Enzephalopathie, akutes Koronarsyndrom, Lungenödem, Aortendissektion, akute Niereninsuffizienz). Dies ist ein lebensbedrohlicher Zustand, der eine sofortige stationäre Aufnahme und eine intravenöse, kontrollierte Blutdrucksenkung erfordert.