Definition und Terminologie der Adipositas
Adipositas, im medizinischen Kontext auch als Fettleibigkeit bezeichnet, ist definiert als eine Vermehrung des Körperfetts, die über das Normalmaß hinausgeht und gesundheitliche Beeinträchtigungen zur Folge hat. Die formale Diagnose wird anhand des Body-Mass-Index (BMI) gestellt.
- Adipositas: Ein Zustand, der bei einem Body-Mass-Index (BMI) von über 30 kg/m² besteht. Das zugehörige Adjektiv ist "adipös".
- Übergewicht: Eine Vorstufe zur Adipositas, die als Präadipositas bezeichnet wird und einen BMI zwischen 25 und 29,9 kg/m² umfasst.
Der Begriff "Fettsucht" ist eine veraltete und oft abwertend empfundene Bezeichnung und sollte in der medizinischen Kommunikation vermieden werden.
Schweregrade der Adipositas
Die Einteilung der Adipositas erfolgt nach den Richtlinien der WHO in verschiedene Schweregrade, basierend auf dem BMI:
- Präadipositas (Übergewicht): BMI 25–29,9 kg/m²
- Adipositas Grad I: BMI 30–34,9 kg/m²
- Adipositas Grad II: BMI 35–39,9 kg/m²
- Adipositas Grad III (Adipositas permagna): BMI ≥ 40 kg/m²
Ätiologie: Ursachen der Adipositas
Man unterscheidet zwischen primären und sekundären Formen der Adipositas.
Primäre Adipositas
Die primäre Adipositas macht etwa 95 % der Fälle aus und ist multifaktoriell bedingt. Hauptursachen sind ein Lebensstil mit positiver Energiebilanz sowie genetische und psychische Faktoren.
- Lebensstil: Über- und Fehlernährung in Kombination mit Bewegungsmangel (körperliche Inaktivität).
- Psychische Faktoren: Stress, Frustration, Einsamkeit und Nikotinkarenz können zur Gewichtszunahme beitragen. Auch posttraumatische Belastungsstörungen, insbesondere nach sexuellem Missbrauch, können eine Rolle spielen.
- Genetische Ursachen: Mutationen, z.B. im Leptin-System (MC4R-Gen), oder Syndrome wie das Prader-Willi-Syndrom.
Sekundäre Adipositas
Die sekundäre Adipositas ist seltener und tritt als Folge anderer Erkrankungen oder medikamentöser Therapien auf.
- Endokrinologische Erkrankungen: Morbus Cushing, Hypothyreose, Insulinom.
- Zentral bedingt: Schädigungen des Hypothalamus durch Tumoren, Operationen oder Bestrahlung.
- Medikamentös bedingt: Trizyklische Antidepressiva, bestimmte Neuroleptika, Lithium, Östrogene oder Betablocker.
Diagnostik
Die Diagnostik umfasst die Anamnese, eine gründliche körperliche Untersuchung und Labordiagnostik zur Erfassung von Begleiterkrankungen und zum Ausschluss sekundärer Ursachen.
Körperliche Untersuchung
- BMI-Bestimmung: Zur Einteilung des Schweregrades.
- Messung des Taillenumfangs: Ein wichtiger Indikator für das viszerale Fett und das kardiometabolische Risiko. Ein deutlich erhöhtes Risiko besteht bei Frauen ab ≥ 88 cm und bei Männern ab ≥ 102 cm.
- Fettverteilungsmuster: Der androide Typ ("Apfelform") mit bauchbetonter Fettverteilung ist prognostisch ungünstiger als der gynoide Typ ("Birnenform").
Labordiagnostik
Das Basislabor dient der Identifizierung von Risikofaktoren und Komplikationen. Dazu gehören Nüchternblutzucker, HbA1c, Blutfette (Cholesterin, Triglyceride), Harnsäure und TSH. Gegebenenfalls wird ein oraler Glukosetoleranztest (oGTT) oder eine spezifische endokrinologische Abklärung (z.B. Dexamethason-Hemmtest) durchgeführt.
Therapie
Die Therapieindikation besteht in der Regel ab Adipositas Grad I. Das Ziel ist eine langfristige Gewichtsreduktion und die Behandlung von Begleiterkrankungen.
Multimodale Basistherapie
Die Grundlage jeder Behandlung ist ein individuelles, multimodales Konzept, das mehrere Säulen umfasst:
- Ernährungsumstellung: Eine hypokalorische, ballaststoffreiche Mischkost.
- Bewegungstherapie: Steigerung der körperlichen Aktivität.
- Verhaltenstherapie: Unterstützung bei der langfristigen Änderung von Lebensgewohnheiten.
Weitere Therapieoptionen
- Pharmakotherapie: Ergänzend kann der Lipase-Hemmer Orlistat eingesetzt werden, um die Fettresorption im Darm zu reduzieren.
- Adipositaschirurgie: Bariatrische Eingriffe wie die Anlage eines Schlauchmagens oder Magenbypasses sind eine Option bei Adipositas Grad III oder bei Grad II mit schweren Begleiterkrankungen, wenn konservative Maßnahmen ausgeschöpft sind.
Komplikationen und Folgeerkrankungen
Adipositas ist mit einer signifikant erhöhten Mortalität und einem gesteigerten Risiko für zahlreiche schwere Erkrankungen verbunden.
Metabolisches Syndrom
Eine der wichtigsten Komplikationen ist das metabolische Syndrom, eine Kombination aus mehreren Risikofaktoren. Die Diagnose wird gestellt, wenn mindestens drei der folgenden fünf Kriterien (nach NCEP-ATP III) erfüllt sind:
- Abdominelle Adipositas: Taillenumfang bei Männern ≥ 94 cm, bei Frauen ≥ 80 cm.
- Erhöhte Triglyzeride: ≥ 150 mg/dL (1,7 mmol/L) oder medikamentöse Behandlung.
- Niedriges HDL-Cholesterin: Bei Männern < 40 mg/dL (1,0 mmol/L), bei Frauen < 50 mg/dL (1,3 mmol/L) oder medikamentöse Behandlung.
- Arterielle Hypertonie: Blutdruck ≥ 130/85 mmHg oder antihypertensive Behandlung.
- Erhöhter Nüchternblutzucker: ≥ 100 mg/dL (5,6 mmol/L) oder bekannter Typ-2-Diabetes.
Weitere assoziierte Erkrankungen
- Kardiovaskuläre Erkrankungen: Arterielle Hypertonie, koronare Herzkrankheit (KHK), Herzinsuffizienz, Thrombosen.
- Endokrine Störungen: Diabetes mellitus Typ 2, Fettstoffwechselstörungen.
- Gastrointestinale Erkrankungen: Nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD), Cholelithiasis (Gallensteine).
- Orthopädische Folgen: Arthrose, insbesondere in Knie- (Gonarthrose) und Hüftgelenken (Coxarthrose).
- Pulmonale Erkrankungen: Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom.
- Onkologische Erkrankungen: Erhöhtes Risiko für verschiedene Karzinome.