Definition des Abszesses
Ein Abszess ist eine abgekapselte Ansammlung von Eiter, die sich neu im Gewebe oder im Parenchym eines Organs bildet. Er entsteht nicht in einer bereits vorhandenen anatomischen Körperhöhle, was ihn von einem Empyem unterscheidet.
Ätiologie und Pathologie
Die häufigste Ursache für einen Abszess ist eine bakterielle Infektion. Der Prozess der Abszessbildung, auch Abszedierung genannt, ist eine entzündliche Gewebseinschmelzung. Dabei bildet der Körper eine Abszesskapsel (Abszessmembran) aus Fibroblasten, um die Infektion einzudämmen. Der dadurch entstehende Hohlraum, die Abszesshöhle, füllt sich mit Eiter. In seltenen Fällen können Abszesse auch steril (abakteriell) sein.
Sonderform: Kalter Abszess
Ein kalter Abszess bezeichnet eine Abszessbildung ohne die typische akute Entzündungsreaktion in der Umgebung. Dies ist beispielsweise bei einer Tuberkulose-Infektion zu beobachten.
Einteilung nach Lokalisation
Abszesse werden häufig nach dem betroffenen Organ oder der anatomischen Region benannt. Wichtige Beispiele sind:
- Hautabszess: Ein Abszess der Haut, wie zum Beispiel ein Furunkel.
- Leberabszess: Eine Eiteransammlung in der Leber.
- Milzabszess: Ein Abszess in der Milz.
- Hirnabszess: Eine abgekapselte Eiteransammlung im Gehirn.
- Lungenabszess: Ein Abszess im Lungengewebe.
Weitere häufige Lokalisationen umfassen die Mamma (Brust), die Zunge (Zungenabszess) oder den Analbereich (Analabszess).
Symptomatik und Diagnostik
Klinische Zeichen
Die Symptome sind von der Lage des Abszesses abhängig. Oberflächliche Abszesse zeigen die klassischen Entzündungszeichen: Schwellung (Tumor), Schmerzen (Dolor), Rötung (Rubor) und Überwärmung (Calor). Dies kann zu Funktionseinschränkungen führen. Bei tief liegenden oder großen Abszessen können auch Allgemeinsymptome wie Fieber und Schüttelfrost auftreten. Ein Hirnabszess kann spezifische neurologische Ausfälle verursachen.
Diagnostische Verfahren
Die Diagnose stützt sich auf die klinische Untersuchung (Inspektion und Palpation). Laboruntersuchungen zeigen typischerweise erhöhte Entzündungswerte (CRP, ESR) und eine Leukozytose. Bildgebende Verfahren wie die Sonografie sind essenziell, um die Flüssigkeitsansammlung in der Abszesshöhle darzustellen. Je nach Lokalisation kommen auch CT oder MRT zum Einsatz. Eine Punktion kann diagnostisch zur Eitergewinnung und zur anschließenden mikrobiologischen Untersuchung (Kultur mit Resistenzbestimmung) dienen.
Therapie des Abszesses
Die grundlegende Therapieregel lautet: „Ubi pus, ibi evacua“ (Wo Eiter ist, dort entleere ihn). Die Standardtherapie ist daher die chirurgische Abszessspaltung. Dabei wird der Abszess durch eine Inzision eröffnet, um den Eiter abfließen zu lassen. Anschließend wird die Abszesshöhle gespült (Lavage) und oft eine Drainage eingelegt, um den weiteren Sekretabfluss zu sichern.
Wichtige Differenzialdiagnosen
Es ist entscheidend, einen Abszess von ähnlichen entzündlichen Prozessen abzugrenzen:
- Empyem: Eine Eiteransammlung in einer bereits bestehenden (präformierten) Körperhöhle, wie z.B. der Pleurahöhle (Pleuraempyem) oder der Gallenblase (Gallenblasenempyem).
- Phlegmone: Eine diffuse, nicht abgekapselte Ausbreitung von Eiter im Bindegewebe. Der Eiter ist hier flächig im Interstitium verteilt.
Mögliche Komplikationen
Unbehandelte Abszesse können zu schwerwiegenden Komplikationen führen. Dazu gehören die Ausbreitung der Infektion in benachbarte Regionen, die Bildung von Fisteln oder eine hämatogene Streuung der Bakterien. Die gefährlichste Komplikation ist die Entwicklung einer Sepsis (Blutvergiftung).